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Anleihestrategien im Niedrigzinsumfeld „Die EZB will ihre expansive Geldpolitik länger fortsetzen als andere Zentralbanken“

Münchener Park im Juli

Münchener Park im Juli: Das Anleiheteam von Candriam hat den Eindruck, dass die EZB ihre expansive Geldpolitik länger fortsetzen möchte als die meisten anderen Zentralbanken der etablierten Märkte. Foto: imago images / Sven Simon

Nicolas Forest, Candriam

Herr Forest, wie sieht die aktuelle Inflationslage aus?

Nicolas Forest: Zuletzt hat die Inflation deutlich nach oben gedreht. Die US-Inflationszahlen stiegen auf Werte, wie wir sie seit Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr gesehen haben: Ende Juni erreichte der US-Gesamtverbraucherpreisindex 5,4 Prozent. In der Eurozone zieht die Inflation ebenfalls allmählich an.

Getrieben wird der Preisanstieg von einer Kombination verschiedener Faktoren. Dazu zählen steigende Rohstoffpreise, Störungen in den Lieferketten und Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage. Diese Faktoren, die sich in hohen Transportkosten, Chipknappheit und eindrucksvollen Bauholzpreisen niederschlagen, dürften sich als vorübergehend erweisen.

Doch weil sich die Virusvarianten ausbreiten, wird es wieder neue Engpässe geben und der Druck auf die Preise weiter steigen. So wie sich die Pandemie von Region zu Region unterschiedlich entwickelt, variiert auch die Konjunkturerholung. Daher könnte der temporäre Anstieg der Inflation länger dauern, als zunächst erwartet.

Die vorübergehenden Störungen werden also nicht einfach wieder verschwinden?

Forest: Unsere Candriam-Volkswirte rechnen mit einer US-Inflation von rund 3,6 Prozent am Ende dieses Jahres. Sie gehen davon aus, dass die Halbleiterknappheit noch über das ganze erste Quartal des nächsten Jahres anhalten wird. 2022 dürfte die Inflation dann aber wieder auf 2,3 Prozent zurückgehen. Für die Eurozone prognostizieren wir einen vorübergehenden Anstieg der monatlichen Inflationsdaten auf über 2 Prozent im zweiten Halbjahr 2021, gefolgt von einer Abschwächung auf 1,6 Prozent im weiteren Jahresverlauf 2022.

Das Mandat der Zentralbanken ist vor allem auf Preisstabilität gerichtet. Was ist von dieser Seite zu erwarten?

Forest: Nachdem die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank zu Beginn der Pandemie Anfang 2020 extrem expansive geldpolitische Maßnahmen ergriffen hatten, wird die schwungvolle Konjunkturerholung von der Pandemie den Weg für eine Normalisierung der Geldpolitik ebnen. Die Unterstützung dürfte aber in sehr behutsamen Schritten zurückgenommen werden, da beide Zentralbanken den Inflationsschub als „vorübergehend“ ansehen.

Könnten Sie das genauer erläutern?

Forest: Es ist sinnvoll, die EZB und die Fed gesondert zu betrachten. Nach ihrer strategischen Neujustierung im vergangenen Jahr hat die Fed jetzt zwei Ziele: Preisstabilität sowie Beschäftigungsaufbau. Die Fed hat sich ein flexibles Inflationsziel von durchschnittlich 2 Prozent über einen längeren Zeitraum gesetzt, das auch von der Arbeitsmarktlage abhängt. Daher kann die Notenbank ein Überschießen der Inflation zulassen, wenn die Arbeitsmarktlage ausreichend weit vom Ziel der maximalen Beschäftigung entfernt ist.

Im Rahmen der jüngsten Fed-Sitzung im Juni wurden die Konjunktur- sowie Inflationsprognosen nach oben revidiert. Diese Prognosen umfassten die Erwartung, dass die Notmaßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft dank der Impffortschritte und der Konjunkturerholung möglicherweise bald nicht mehr nötig sein werden. Darüber hinaus signalisierte die Fed zwei Zinserhöhungen bis Ende 2023. Dies alles deutet darauf hin, dass die Fed-Führung die aktuellen Entwicklungen am Markt nicht verschlafen hat.

Und mit Blick auf die Eurozone?

Forest: Wir haben den Eindruck, dass die EZB ihre expansive Geldpolitik länger fortsetzen möchte als die meisten anderen Zentralbanken der etablierten Märkte: Die mittelfristige Inflationsprognose der EZB passt nicht zu ihrem Inflationsziel; daher dürfte es ihr schwerfallen, es zu erreichen. Vor diesem Hintergrund hat die EZB einstimmig eine neue geldpolitische Strategie mit einem eindeutig symmetrischen Inflationsziel von 2 Prozent beschlossen. Außerdem sollen in die Definition für den harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) künftig auch Kosten für selbstgenutzte Wohnimmobilien einfließen.

Diese Veränderungen werden die Inflationsrate zwar nicht direkt in die Höhe treiben. Unserer Meinung nach dürften sie der EZB jedoch einen Rahmen bieten, der es ermöglicht, länger an der expansiven Geldpolitik festzuhalten. Zusammen mit einem vorteilhafteren makroökonomischen Umfeld und signifikanten staatlichen Impulsen könnte der neue geldpolitische Rahmen dazu beitragen, die Inflation näher an das Ziel heranzubringen.

Was bedeutet das für die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer allgemein und für Anleihen im Speziellen?

Forest: Die an den Märkten eingepreisten Inflationserwartungen sind zu niedrig. Seit Anfang 2020 sind sie zwar deutlich gestiegen, doch unserer Meinung nach bieten globale inflationsgebundene Anleihen weiterhin Chancen. Nach unseren Berechnungen liegen inflationsindexierte Euro-Anleihen zum Beispiel dauerhaft unter der geldpolitisch angestrebten Inflationsrate, selbst nach der Bereinigung um saisonale Schwankungen.

Welche Anlagestrategien würden sich für inflationssensible Anleger anbieten?

Forest: Da die finanz- und geldpolitischen Ansätze zwischen Ländern und Regionen variieren, rechnen wir mit signifikanten Unterschieden der Wachstums- und Inflationsaussichten. Außerdem spielen Megatrends wie Deglobalisierung, Dekarbonisierung und Digitalisierung ihren Einfluss aus: Sie stellen nationale Strategien und Geschäftsmodelle infrage oder hebeln diese sogar ganz aus und verstärken die Unterschiede zwischen Gewinnern und Verlierern in den jeweiligen Märkten.

Daher ist es wichtig, auf eine gute Diversifikation der Anlagen zu achten und Beteiligungen zu halten, die ein großes Spektrum von Performancetreibern bieten.

Ganz konkret: Was sollten Anleger jetzt über festverzinsliche Anlagen wissen?

Forest: Wir sehen drei Ansätze zur Bewältigung der Inflation, die eine gute Risikodiversifikation bieten können: Inflationsgebundene Anleihen mit kurzer Laufzeit, defensive Wandelanleihen und Absolute-Return-Strategien für Kredittitel.

Bei inflationsgebundenen Anleihen ist es wichtig, zwischen Papieren, die auf das längere Ende ausgerichtet sind, und kurzfristigen Inflationsanleihen zu unterscheiden. Rein rechnerisch sind längerfristige Inflationsanleihen eine weniger wirksame Absicherung gegen Inflation, da die Laufzeitrenditen schwerer ins Gewicht fallen als Erträge, die aus einer realisierten Inflation entstehen könnten. Kurzfristige inflationsgebundene Anleihen bieten einen besseren Inflationsschutz, denn bei ihnen ist der Anteil der Inflationserträge höher als bei langfristigen Inflationsanleihen. Idealerweise sollte dies mit Break-even-Inflationsstrategien am kurzen Ende der Kurve kombiniert werden, um die Korrelation zur Inflation weiter zu steigern.

Weshalb finden jetzt defensive Wandelanleihen einen Platz im Portfolio?

Forest: Wandelanleihen weisen unterschiedliche Zinssensitivitäten auf. Sie werden einerseits wie Anleihen bewertet und andererseits wie Aktien gehandelt. An einem stabilen Markt kann ein Portfolio für verschiedene Kuponerträge strukturiert werden. Im Falle einer Inflation steht jedoch das Aktien-Engagement im Vordergrund. Unsere Defensive-Convertibles-Strategie konzentriert sich auf Positionen mit geringer Zinssensitivität und geringer Volatilität. Der Fokus liegt auf Wandelanleihen, die auf Aktien mit einem derzeit niedrigen Kurs beruhen, unseren Analysen zufolge jedoch ein deutliches Wertsteigerungspotenzial an den Aktienmärkten besitzen, was die Sensitivität gegenüber Inflationsüberraschungen verringert.

Und wo sehen Sie Chancen bei Absolute-Return-Strategien?

Forest: Unsere Long-Short-Kreditstrategie ist auf zwei Arten von Anlagechancen ausgelegt. Sie investiert in High-Conviction-Positionen, die sowohl Long- als auch Short-Positionen umfassen, und in Relative-Value-Positionen – ebenfalls mit Long-Short-Chancen – in bestimmten Titeln oder Emittenten. Diese Performancetreiber können sich gut ergänzen und so strukturiert sein, dass sie im Umfeld steigender Zinssätze ein Netto-Null-Engagement an den Anleihenmärkten aufrechterhalten.

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