ETF-Serie Die Abweichler

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Im Gesamtjahr lag die Wertentwicklung des MSCI World Minimum Volatility nur bei 3,3 Prozent. Zum Vergleich: Mit 16,5 Prozent verbuchte der klassische MSCI World das Fünffache. Auf Fünf-Jahres-Sicht erreichten ETFs, die den Standard-Index abbilden, ein kumuliertes Plus von etwa 86 Prozent. Das konnten auch die besten Faktor-Strategien mitunter nicht toppen.

Fondsgesellschaften sehen derzeit Indexfonds mit dem Faktor Substanz im Aufwind, also solche, die auf niedrig bewertete Aktien setzen. „Seit dem Ende der Finanzkrise 2009 haben sich Value-Aktien schlechter als Wachstumswerte entwickelt, eine so lange Phase gab es noch nie seit dem Beginn entsprechender Aufzeichnungen 1931“, so Olivier Souliac, ETF-Experte bei der DWS. Und einige Monate waren Value-Werte tatsächlich kräftig im Aufwind, leider dämpfen das neue Konjunktursorgen derzeit aber.

Es sind solche Durststrecken, die bei Einzelfaktor-ETFs einen faden Nachgeschmack hinterlassen können. Ebenso können risikoarme ETFs den klassischen Pendants in langen Börsen-Haussen weit hinterherlaufen. Solche Schwächen wollen Anbieter mit Multifaktor-Produkten ausbügeln. Mit 455 Millionen Euro Fondsvolumen gehört der iShares Edge MSCI World Multifactor (ISIN: IE00BZ0PKT83), der die Faktoren Substanz, Momentum, Qualität und Nebenwerte kombiniert, zu den größten Produkten. Doch auch so ein Ansatz ist kein Allheilmittel. Laut Morningstar lagen Multifaktor-ETFs in den vergangenen Jahren gegenüber klassischen Indizes oft hinten. Zudem oder vielleicht sogar deshalb haben Anbieter solche Produkte besonders häufig wieder vom Markt genommen.


Also doch auf Einzelfaktoren setzen, auch wenn die Performance-Sieger ständig wechseln? Die Fondsgesellschaften relativieren: „Die wichtige Frage ist eigentlich: Tun diese Smart-Beta-ETFs, was sie tun sollen?“, sagt Stefan Kuhn von State Street. „Und das tun sie in der Regel.“ Der Faktor niedrige Volatilität reduziere Schwankungen, wer einen Dividenden-ETF wähle, erhalte regelmäßige Ausschüttungen. Dafür nehme der Anleger einen Aufwärtstrend an den Börsen unter Umständen nicht voll mit. „Strategic-Beta-ETFs erlauben eine weitere Dimension der Risikostreuung“, bestätigt Souliac von der DWS. Dass sich die Strategien in den Konjunkturphasen jeweils unterschiedlich entwickeln, sei ein Vorteil, heißt es auch vom französischen ETF-Haus Ossiam, das sich auf Smart-Beta-Produkte spezialisiert hat: Das sorge für ein widerstandsfähiges Portfolio.

Klassische Faktor-Investitionen eigneten sich damit eher als Beimischung für das Portfolio, meint SPDR-ETF-Chef Kuhn. Vor allem Großkunden nutzten die Produkte, heißt es von vielen Anbietern: „Fast alle unsere professionellen Kunden greifen neben Standard-ETFs auch auf Smart-Beta-ETFs zurück“, sagt Ulrich Cord, ETF-Leiter Deutschland bei Invesco. Auch die DWS beobachtet gestiegenes Interesse: „Bei institutionellen Investoren, zum Beispiel Versicherungen oder Pensionskassen, sehen wir, dass Strategic-Beta-ETFs mittlerweile Teil der Asset Allocation geworden sind, neben Sektor- und Regionen-ETFs“, so DWS-Experte Souliac.

Ein Argument für professionelle Kunden: Bei jüngeren Faktor-Produkten fließen mittlerweile oft Nachhaltigkeitskriterien ein. Das ETF-Haus Ossiam etwa kombiniert mit dem Ossiam ESG Low Carbon Shiller Barclays Cape US Sector (IE00BF92LR56) unterbewertete Aktien mit niedrigeren Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Ursprungsindex.

Ob diese Ansätze noch passiv sind, darüber gehen auch bei den Anbietern die Meinungen auseinander. „Wir sehen uns nicht als passiven, sondern als Index-basierten Investor“, meint Kuhn. Indizes folgten aber ganz klaren Regeln. Daher handele es sich nicht um aktive Ansätze. „Smart-Beta-Strategien verfolgen zwar einen streng systematischen und regelbasierten, aber doch aktiven Ansatz“, sagt dagegen Ossiam-Gründer und -Geschäftsführer Bruno Poulin. Das ETF-Haus sieht die Produkte daher zwischen traditionellen ETFs und aktiv verwalteten Fonds. Einig sind sich die Anbieter aber darin, dass sich Faktor-ETFs auch für Privatanleger eignen. Allerdings müssten die das Produkt verstehen, grenzt Poulin von Ossiam ein. „Smart Beta muss nicht kompliziert sein“, meint Kuhn aber – und könne den einen oder anderen Anleger bei der nächsten Korrektur an den Börsen ruhiger schlafen lassen. 

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