Europas ETF-Markt Das Billionen-Ding

Blockchain, Online-Handel, Nachhaltigkeit, Cloud-Technik

Blockchain, Online-Handel, Nachhaltigkeit, Cloud-Technik: Indexfonds bilden vielfältige Themen rund um den Globus ab.

Am 14. April verkündet Deborah Fuhr einen neuen Rekord. Wieder einmal. „Das in ETFs und ETPs investierte Vermögen erreicht Ende des ersten Quartals 8,56 Billionen US-Dollar“, gibt sie über die von ihr gegründete und geleitete Firma ETFGI bekannt. Und weiter: Die im März eingesammelten 136,2 Milliarden Dollar sind der bisher zweithöchste Zufluss in einem Monat – gleich nach dem Februar genau davor. In dem pumpten Anleger nämlich fast 140 Milliarden Dollar in die Produkte mit den drei Buchstaben.

Wer hätte das gedacht, als der Gründer der Investmentfirma Vanguard, John Bogle, am 31. Dezember 1975 den ersten Index Investment Trust erschuf – einen Fonds, der direkt einem Aktienindex folgen sollte. Anstatt zu versuchen, über aufwendiges Management den breiten Markt zu schlagen, wollte er das Geld einfach sparen und den Fonds dafür entsprechend günstig machen. Konkurrenten warfen ihm vor, nur auf Mittelmaß zu setzen.

Heute ist der Mittelmaßfonds 690 Milliarden Dollar schwer. Vanguard gehört zu den größten Investmentgesellschaften der Welt und verwaltet rund 7,2 Billionen Dollar. Und Deborah Fuhr meldet Rekord auf Rekord. In Europa liegen laut Morningstar rund 1,1 Billionen Euro in ETFs, fast drei Viertel davon in Aktien (siehe Tabelle).

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Ohne Zweifel muss man Indexfonds, vor allem in der börsennotierten Variante (Exchange Traded Funds, ETFs) als die Wachstumsgeschichte der vergangenen Jahre am Investmentmarkt bezeichnen. Wobei wir an dieser Stelle Exchange Traded Commodities (ETCs) oder andere Exchange Traded Products (ETPs) ausdrücklich ausklammern. Das sind von Emittenten ausgegebene Zertifikate und damit keine Fonds.

Eine gern betrachtete Zahl ist die, welchen Anteil ETFs am Fondsvermögen ausmachen. Hierzu liefert der Vanguard-Chef für Deutschland und Österreich, Sebastian Külps, folgende Werte: „In Europa kommen Indexfonds auf einen Anteil von etwas weniger als 14 Prozent am gesamten Anlagevolumen, weltweit sind es rund 23 Prozent.“

Fragt sich nur, warum der ETF-Anteil in Europa geringer ist als in den USA. Dafür verweist Shelly Antoniewicz, Senior-Direktorin bei der US-amerikanischen Vereinigung Investment Company Institute (ICI), auf die Anlegerschaft. „Daten für das Jahr 2019 zeigen, dass Honorarberater 33 Prozent der Vermögen ihrer Kunden in ETFs angelegt haben, 2011 waren es erst 10 Prozent“, sagt sie. Den europäischen ETF-Markt hingegen dominierten institutionelle Investoren, während Privatanleger nur eine kleine, aber zuletzt immerhin wachsende Rolle spielten. Ein Knackpunkt ist für Antoniewicz die Altersvorsorge.

Denn während in Europa und dort vor allem in Deutschland noch immer staatliche Renten und zinsgebundene Sparformen Hauptrollen spielen, nutzen Amerikaner steuerlich geförderte Vehikel wie die Individual Retirement Accounts (IRA), in die sie Investmentfonds packen. „IRA-Anleger tendieren verstärkt dazu, Investmentprodukte wie ETFs in ihren Plänen zu nutzen“, berichtet Antoniewicz.

In Europa könnte es demnächst in eine ähnliche Richtung laufen. Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank bringt nämlich Anleger dazu, sich nach anderen Sparformen umzusehen. In Deutschland melden allein die Online-Finanzhäuser über 1,5 Millionen neue Anlegerdepots. Begleitend dazu liefern sie sich einen heftigen Preiskampf. Zuletzt meldeten ING und Flatex im April, dass sie alle ETF-Sparpläne von nun an dauerhaft kostenlos anbieten wollen. Und das sind alles keine Einzelfälle.

Die Branche freut’s. „Wir rechnen damit, dass sich der ETF-Markt in Europa in den nächsten drei bis vier Jahren auf dann fast 2 Billionen Euro in etwa verdoppelt“, sagt Peter Scharl, der bei Blackrock unter anderem das Geschäft der ETF-Abteilung iShares in Deutschland, Österreich und Osteuropa leitet.

Aber warum ausgerechnet ETFs? Weil sich hier ein interessantes Zusammenspiel aus einigen wirklich starken Vorteilen und Fürsprechern ergeben hat. Heißt im Einzelnen: ETFs sind tatsächlich deutlich günstiger und durchaus verständlicher als aktiv gemanagte Fonds. Die Kosten liegen inzwischen bei Standardprodukten gern unter 0,3 Prozent im Jahr, und anstatt eines komplizierten Management-Ansatzes heißt es für den Anleger: Der baut den Index Soundso einfach nach, das war’s. Und von den Aktienindizes Dax, S&P 500 und sogar MSCI World haben ausreichend viele Menschen inzwischen gehört.

Die von Beginn an immer wieder sinkenden Gebühren setzen sowohl die ETF-Branche als auch die aktive Konkurrenz unter Druck. Wie sich die Gebühren konkret entwickelt haben, zeigt eine Analyse des ETF-Spezialisten Crossflow Financial Advisors. So brachte es ein ETF auf den MSCI World im Jahr 2008 im Durchschnitt noch auf eine Gesamtkostenquote (TER) von 0,47 Prozent. Fünf Jahre später waren es 0,41 Prozent und 2021 nur noch 0,27 Prozent (siehe Grafik). Bei den aktiven Fonds in Europa wiederum sanken die laufenden Kosten laut Morningstar von 1,37 Prozent im Jahr 2013 auf 1,12 Prozent im vergangenen Jahr.

Dieser Prozess verläuft in Runden. Mal legt der eine die Messlatte etwas tiefer, mal setzt der andere eine Duftmarke, und die Konkurrenz entscheidet, ob sie nachzieht. Einen Höhepunkt lieferte der Anbieter Xtrackers, der heute zur DWS gehört, als er im Jahr 2009 die Gebühren für einen ETF auf den Euro Stoxx 50 öffentlichkeitswirksam auf null setzte.

Später schlugen Amundi und iShares Pflöcke in die Erde. iShares legte 2014 mit der Core-Palette vor, die die Kernmärkte zu Kampfkonditionen abbildet. Von da an gab es den ETF auf den MSCI World für 0,2 Prozent im Jahr. 2019 zog Amundi mit der Prime-Palette nach und legte die Gebühren einheitlich auf 0,05 Prozent fest.