Passives Alpha Die Suche nach geeigneten ESG-ETFs als Basisinvestment

Milot Hasaj ist Portfoliomanager bei der Lampe Asset Management

Milot Hasaj ist Portfoliomanager bei der Lampe Asset Management: Der verantwortliche Fondsselekteur beschreibt die komplexer gewordene Suche nach ETF-Basisinvestments durch die Anwendung von ESG-Kriterien. Foto: Lampe Asset Management

Den richtigen ESG-ETF als Basisinvestment für ein Nachhaltigkeitsportfolio zu identifizieren, stellt keine leichte Aufgabe mehr dar – selbst, wenn es sich dabei um jene Produktkategorie handelt, in der Transparenz und Produktklarheit ganz oben auf der Agenda stehen. Die proaktive Aufnahme von breit gefächerten ESG-Kriterien durch Indexanbieter bei der Konstruktion von nachhaltigen Marktindizes verändert nicht nur die nachhaltigen Merkmale der im Nachhinein abbildenden ETFs, sondern erhöht darüber hinaus die Komplexität und dynamisiert die sonst passiven Merkmale des ETFs wie zum Beispiel den Tracking Error, das Alpha und die Kosten.

Um die ESG-Präferenzen effizient mit dem vorgegebenen Portfolio-Risikobudget in Einklang zu bringen, müssen Investoren die unterschiedlichen ESG-Kriterien der einzelnen nachhaltigen Indexreihen verstehen und die „aktiven“ Charakteristika der ESG-ETFs quantifizieren, um sinnvoll zu vergleichen. Denn auch innerhalb eines klar definierten Universums sind diese Unterschiede groß und können sich auf das Gesamtportfolio auswirken.

Die Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien „aktiviert“ passive ETFs

Nachdem sich die Aufregung um die EU-Offenlegungsverordnung für nachhaltige Finanzprodukte SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) langsam gelegt hat, herrscht allmählich Klarheit darüber, welche Produkte unter Artikel 8 (ESG beziehungsweise grüne Investments), Artikel 9 (Impact beziehungsweise dunkelgrüne Investments) oder Artikel 6 (Non-ESG beziehungsweise braune Investments) fallen. Damit können nun wieder Themen wie Produktauswahl und Portfoliokonstruktion in den Vordergrund der Investoren rücken. Dies ist auch notwendig, da die Auswahl von geeigneten nachhaltigen Investments sehr aufwändig sein kann.

Ein genauer Blick auf die Produkte zeigt, dass auch innerhalb der einzelnen Marktsegmente mit gleicher SFDR-Klassifizierung und zwischen ähnlichen, häufig verwendeten Begrifflichkeiten bedeutsame Unterschiede bestehen können. Der Hauptgrund dafür: Bei einem ESG-Portfolio ist nichts mehr rein passiv. Selbst ein vermeintlich einfacher Nachhaltigkeits-ETF, also die Beta-1 Komponente, die auch im nachhaltigen Bereich primär einen reinen Abbildungscharakter hat, ist im Vergleich zu „braunen“ Standard-ETFs viel aktiver, teurer und zudem mit signifikanten Faktor-Exposures angereichert.

Wie in klassischen „braunen“ Portfolios werden ETFs auch in „grünen“ Portfolios gerne als Basisinvestments eingesetzt. Dabei ist die Versuchung mitunter groß, damit direkt auch das „grüne Niveau“ des Portfolios soweit wie möglich zu maximieren und sich mit möglichst großem Effekt die relativ niedrigen ETF-Kosten zunutze zu machen. Zugeben, im ETF-Bereich ist es relativ einfach die Stringenz der Ausschlussfilter und weiterer nachhaltiger Restriktionen kontinuierlich zu erhöhen (wie zum Beispiel bei den SRI-„Best in Class“-Ansätzen), um ein komfortables grünes Profil zu erlangen. Die dadurch veränderten Produkteigenschaften der passiven ETFs, wie der Anstieg des Tracking Errors, der Verlust von Diversifikationseffekten durch konzentrierte Portfolios sowie die höheren laufenden Kosten, werden von vielen Anlegern in Kauf genommen.

Dies ist zum Teil durch die positiven Effekte in der Nachhaltigkeitsskala, aber auch durch die bisherige „nicht nachteilige“ Performance solcher nachhaltigen Strategien begründet. Dabei kann nur im Rückblick ein positiver Zusammenhang zwischen ESG und Outperformance hergestellt werden. Hinsichtlich des Erklärungsgehalts der zukünftigen Outperformance durch den ESG-Faktor ist die akademische Literatur weiterhin unentschlossen und kommt – je nach Marktsegment, Untersuchungszeitraum und vor allem je nach verwendeten ESG-Datenanbieter – zu unterschiedlichen Ergebnissen. Grundsätzlich besteht allerdings Einigkeit darüber, dass nur eine gesamtheitliche Betrachtung der Finanz- und Nachhaltigkeitsrisiken bei der Beurteilung von Unternehmen zu Portfolios mit höherer risikoadjustierter Performance führt.

Auch wenn es derzeit den Anschein erwecken mag als ginge beides Hand in Hand: Investoren kommen nicht umhin, sich ehrlich zu fragen, ob sie im Zweifel Nachhaltigkeit oder Renditechance priorisieren sollen. Dem marginalen Kostenanstieg pro Einheit Tracking Error, der bei einer Verbesserung des ESG-Scores auftritt, wird bei Investitionen in nachhaltige ETFs oft nur wenig Beachtung geschenkt. Dabei entstehen deutliche Unterschiede: Nicht nur sind die Kosten der nachhaltigen ETFs signifikant höher als bei den klassischen „non-ESG-ETFs“, sondern sie steigen linear zum Tracking Error und damit auch mit der ESG-Score-Verbesserung an.

Die Tendenz der Anleger zu noch „grüneren“ Investments ohne Rücksichtnahme auf Kosten- und Risikoparameter kann nur dann als rational verstanden werden, wenn sie durch deren Präferenz für ESG-Investments zustande kommt. In so einem Fall steht die Zielfunktion des Investors – Nachhaltigkeit zu maximieren – im Vordergrund, während Nebenfaktoren wie Performance oder Kosten weniger bestimmend sind.

Wird jedoch neben dem Nachhaltigkeitsziel eine zweite Dimension – die Outperformance – in die Zielfunktion des Anlegers aufgenommen, dann ist zur Auswahl von optimalen ESG-ETFs ein quantitatives Assessment der ETF-Vergleichsgruppe unabdingbar. So kann der Investor unter Berücksichtigung des Gesamtportfolios effizient einen optimalen Mix im Hinblick auf das ESG-Level, den Diversifikationsgrad sowie die Kosten durch die Auswahl von ESG-ETFs erkennen. Man sollte annehmen, dass derartige Produkte langfristig größeren Anlegerzuspruch erfahren werden.

US-Universum: ESG-ETF-Auswahl mit System

Wir wählen passive ESG-ETFs mit der gleichen umfassenden Systematik aus, wie wir es bei aktiven Managern machen. Die Anzahl und Vielfalt nachhaltiger Produkte steigt derzeit rapide an; zudem erhöht die Integration der ESG-Charakteristika bei der Indexkonstruktion die Komplexität der Produkte und aktiviert gewissermaßen die sonst passive Komponente (zum Beispiel Tracking Error oder Alpha) der ETFs. Deshalb ist ein solcher Ansatz angemessen.

Eine qualitative Due Diligence der Konstruktionsregeln, Ausschlusskriterien und Funktionsweise von einzelnen ESG-Hauptkategorien (wie zum Beispiel Screened, Enhanced, Leaders und SRI) ist insbesondere für das Matching der Kundenpräferenzen mit den jeweiligen Restriktionen von grundlegender Bedeutung und bleibt deshalb unersetzlich. Doch über quantitative Methoden können zusätzliche, dringend benötigte Transparenz sowie bessere Vergleichbarkeit bei der Auswahl der nachhaltigen ETFs geschaffen werden.

Aus diesem Grund haben wir ein systematisch quantitatives Rahmenwerk entwickelt, das primär den ersten Part des zweistufigen Prozesses bei der Portfoliokonstruktion übernimmt.

  1. Wahl des nachhaltigen Index
  2. ETF-Auswahl

Die Entscheidung für den ETF-Anbieter ist bei uns nachgelagert und wird klassischerweise über die bekannten Kriterien beurteilt: Replikationsmethodik, Liquidität, Assets under Management, Tracking Difference und vieles mehr.