Vermögensverwalter Thomas Buckard Worauf es jenseits des Robo-Hypes wirklich ankommt

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Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte lehrt etwas anderes: Immer wieder haben unerwartete Einbrüche, (finanz-)politische Wendungen und geo- politische Verwerfungen zu heftigen Konsequenzen an den Finanzmärkten geführt, auf die dann auch entsprechend emotional reagiert wurde. Ist ein womöglich selbst lernender Algorithmus in der Lage, diese Herausforderung zu meistern? Der Software-Unternehmer Hans Christian Boos stellt fest: In der künstlichen Intelligenz gelten Netzwerke mit einer Million Knoten schon als groß – das menschliche Gehirn verfügt über mehr als 86 Milliarden Nervenzellen („F.A.Z.“ vom 26. Oktober 2017).

Die schier unendlichen Verknüpfungsmöglichkeiten und die über Jahrtausende gesammelten Erfahrungen des Menschen lassen mir Zweifel an der dauerhaften Überlegenheit künstlicher Intelligenz angebracht erscheinen. Ganz abgesehen da- von, ob wirklich Vermögende den Mut haben, ihr über Jahrzehnte angespartes Hab und Gut einer Maschine anzuvertrauen und sich ihr uneingeschränkt zu unterwerfen.

Eines aber ist sicher: Beide, Robo Advisory und digitale Vermögensverwaltung, werden dauerhaft einen wachsenden Teil des Markts darstellen, die persönliche Beratung und Betreuung aber nicht ersetzen können. Die Vermögensverwalter sollten nicht in der „guten, alten Welt“ verharren und sich den Neuerungen verschließen.

Das Onboarding der Mandanten, die ständige Kommunikation mit ihnen, regulatorische und Compliance-relevante Prozesse, das Reporting sowie die aktuellen Informationen über Anlageentscheidungen und Marktentwicklungen müssen standardisiert, systematisiert und digitalisiert werden, um mehr Zeit für das Eigentliche zu scha­ffen: Verwaltung des Vermögens und Austausch mit dem Kunden. Hier besteht noch viel Handlungsbedarf.

Insofern sollten wir die Chancen der digitalen Zeitenwende nutzen und hier die Hilfe des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter sowie auf digitale Prozesse spezialisierter Beratungsgesellschaften in Anspruch nehmen. Vermögensverwalter, die sich den neuen Technologien ö­ffnen, dürften im Wettbewerb um Kunden erfolgreicher als andere Marktteilnehmer sein. Und dann lässt sich vielleicht auch die Hälfte der Deutschen erreichen, die sich selbst bisher als finanzielle Analphabeten bezeichnen.



Über den Autor:
Der Autor Thomas Buckard ist Vorstand des Vermögensverwalters Michael Pintarelli Finanzdienstleistungen, die er 2000 zusammen mit vier Partnern gründete. Zuvor war er im Private Banking der Deutschen Bank tätig. Der 52-Jährige ist zudem Vorstand des Verbands unabhängiger Vermögensverwalter.

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