Roundtable-Gespräch Nachwuchs in der Finanzbranche – wer wird denn heute noch Banker?

Von links nach rechts: Manuel Rehwald, Oliver Morath, Stephan Volkmann und Philipp Vorndran.

Von links nach rechts: Manuel Rehwald, Oliver Morath, Stephan Volkmann und Philipp Vorndran. Foto: Anna Mutter

private banking magazin: Lieber Herr Vorndran, Sie haben Kindheitserinnerungen an Treffen mit Bankern. Gute oder eher schlechte?

Phillipp Vorndran: Meine Eltern haben ein Sägewerk betrieben und regelmäßig schauten Vertreter der örtlichen Finanzinstitute vorbei. Wir Buben mussten uns dann immer besonders fesch anziehen und in Reih und Glied stehen. Und dann kamen die Banker und haben nicht besonders wohlwollend geblickt. Die erschienen arrogant in den dunklen Anzügen. Das war jetzt kein Beruf, den man sich gewünscht hat, zumindest als kleiner Junge. Und ich habe auch immer gesagt, ich bin nie Banker geworden, ich bin ein Asset Manager. Der wiederum wird nur in Deutschland als Teil einer Großbankenwelt in Sippenhaft genommen. 

Gleichwohl war das Bild des Bankers vor 30 oder 40 Jahren noch deutlich positiver und auch mit Karrierezielen verbunden.

Vorndran: Für die Eltern vielleicht. Die haben sich gewünscht, dass ihre Jungs was Anständiges lernen und Vorstand bei einer Bank werden, wenn sie schon nicht im eigenen Unternehmen mitarbeiten. 

 

Herr Rehwald, Sie beschäftigen sich als Personalberater damit, Nachwuchs und auch Experten für Finanzinstitute zu suchen. Hat sich da in der Wahrnehmung über die vergangenen Jahre irgendetwas verändert? 

Manuel Rehwald: Wenn man sich für die Finanzbranche interessiert, dann wird man automatisch Teil davon. Personen von außen in diese kleine eingeschworene Gemeinschaft hereinzubringen, ist ungleich schwieriger geworden.

Lieber Herr Morath, wenn Ihre Töchter jetzt sagen, Papa, ich werde Banker – Ihre Reaktion?

Oliver Morath: Ich kann es mir nicht mal vorstellen. Die haben andere Veranlagungen. 

Sie haben eine Ausbildung bei einer Sparkasse gemacht. Sagt man da nicht mal zu den Kindern, sie sollten was Anständiges lernen, etwa bei der Sparkasse?

Morath: Bei meinen Töchtern nicht. Mit dem Sohn meiner Partnerin gab es so ein Gespräch. Ein Jura-Studium hat ihm nicht gefallen und dann hat er gesagt, er würde gern den Weg gehen, den ich gegangen bin. Er ist lokal verwurzelt und ich habe ihm zu einem dualen Studium und einer Ausbildung bei einer Sparkasse oder Volksbank in Köln geraten. 

Vorndran: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass eine Ausbildung bei einer großen deutschen Bank als Basis super ist. Man bekommt Kundenkontakt, arbeitet mit Zahlen, lernt Servicekomponente und Verlässlichkeit. Was sich im Vergleich zu vor 40 Jahren geändert hat: Danach ist die Handlungsfreiheit durch die Regulation so massiv eingegrenzt, dass der Job dann wahrscheinlich nur begrenzt viel Spaß macht. Außer man ist wirklich spezialisiert. Aber als Ausbildung, vielleicht sogar vor dem Studium, finde ich es wirklich gut. Aber ich möchte widersprechen: Ich würde nicht zur Sparkasse gehen, ich würde zu einer großen Institution gehen. In Köln ist sicher auch eine Commerzbank oder eine Deutsche Bank. 

„Wir haben gelernt, anzupacken, Kontoauszüge einsortiert, Bausparverträge verkauft, mitgearbeitet in der regionalen Filiale“

Stephan Volkmann: Ich finde das ganz lustig, weil ich auch den Weg gegangen bin nach dem Abitur. Ich habe mich für eine regionale Bank entschieden, möchte das nicht missen, weil das sehr, sehr bodenständig und sehr nah an den Menschen ist. Wenn ich an die Berufsschule denke, da waren dann die von den Großbanken immer etwas hochnäsiger. Wir haben gelernt, anzupacken, Kontoauszüge einsortiert, Bausparverträge verkauft, mitgearbeitet in der regionalen Filiale. Man ist wirklich dann Mitglied der lokalen Community, was ich auch nicht missen möchte. Dafür haben wir andere Dinge nicht gesehen, die es natürlich in der Großbank mit großen Abteilungen und anderen Abteilungen auch gibt. 

Vorndran: Auch bei einer Großbank hat man Depot- und Kontoblättchen sortiert und den Nachttresor gezählt. Das gehörte da ganz genauso dazu. Aber was natürlich gestimmt hat, unsere Vorgesetzten haben uns getriezt, ihr müsst die Besten sein im Abschluss. Das war dann vielleicht bei der Sparkasse oder der Regio-Bank nicht ganz so. 

Morath: In der Sparkasse waren wir damals 3.000 Mitarbeiter. Du konntest dort zu der Zeit tatsächlich noch eine Karriere fürs Leben machen.

 

Rehwald: Ich finde das aus Recruiter-Sicht ganz interessant, weil ich es nicht so sehe. Gerade im genossenschaftlichen und im öffentlich-rechtlichen Bereich gibt es ganz viele junge tolle Talente, die ihre Banklehre gemacht haben, die sich dual weiterbilden und danach sehr wohl für höhere Aufgaben in Großbanken oder im Asset Management qualifiziert sind. Sowohl gehaltlich als auch von den Ansprüchen, die sie haben, sind sie allerdings eine Stufe niedriger unterwegs und gehen vielleicht ein bisschen demütiger an die Sache heran. 

Wo kommen denn Talente her, wenn zwar eine Ausbildung gut ist, danach das regulatorische Korsett jedoch zu eng?

Volkmann: Es gibt zwei Arten von Mitarbeitern in der Bank. Die, die sich weiterentwickeln wollen, dual studieren, Weiterbildungen machen und dann eben auch ins Asset Management wechseln wollen. Und die Banker, die gern in der regionalen Struktur bleiben und happy sind. Die machen vor Ort Karriere als Schalterangestellter, Privatkundenberater oder Individualkundenberater, und irgendwann haben sie es zum Filialleiter geschafft. Es will nicht jeder in die große weite Finanzwelt hinaus.

Morath: Die Talente im Asset Management kommen von guten Universitäten und werden ganz früh gecatcht. Flossbach von Storch hat ein unglaubliches Programm in der Personalabteilung, um die Besten der Besten von der Uni zu holen. Das ist ein ganz toller Talent-Pool. Die haben im Zweifel noch nie gearbeitet, aber die haben schon 40 Praktika im Alter von 22 gemacht.

„Die Asset-Management-Industrie müsste viel präsenter sein, um für sich zu werben“

Vorndran: Ja, wirklich, der kam im Prinzip von der Schule und der war noch nicht mal auf der Uni, schon hat der bei uns Praktika gemacht. Und du hast gespürt, der will und der kann. Und das spürst du bei den Leuten. Genauso, wie Sie das gesagt haben, die strahlen eben auch was Besonderes aus, die wollen genau das machen. Alle Strukturen wie Uni und Lehre sind für die eigentlich ein Hemmschuh.

Rehwald: Fondsgesellschaften bilden ja auch selbst aus, etwa zum Investmentfondskaufmann. 

Vorndran: Aber dann bin ich ja kein Banker mehr. 

Volkmann: Die Asset-Management-Industrie müsste da viel mehr nach dem Muster Flossbach machen. Die müsste viel präsenter sein, um für sich zu werben. In einem früheren Stadium, in dem wir als Recruiter auch noch gar nicht dahinkommen, da ist Flossbach für mich einer der Vorreiter. 

Herr Vorndran, wäre Ihre Karriere mit der heutigen Regulierung möglich gewesen?

Vorndran: Nein, definitiv nicht. Ich habe bei der Deutschen Bank neben meinem Studium gearbeitet und eine klassische Trainee-Ausbildung mit dem Schwerpunkt Wertpapiergeschäft gemacht. Der Spaß war ja, aus dem kompletten Pool an sinnvoller Geldanlage für Kundinnen und Kunden genau das zusammenzuschneidern, was gepasst hat. Da gab es keine Fragebögen, da gab es keine Risikoeinschätzung. Du hast mit den Menschen zwei, drei Stunden lang gesprochen, du hast versucht, ihre Ängste, ihre Ziele, ihre Zeithorizonte abzustecken, und dann hast du ihnen ein Portfolio aufgebaut. Und da war auch nicht immer alles Gold, was glänzte, aber es war, individuell passender als das, was heute jemand in der vergleichbaren Position machen konnte. Daraus hast du nicht nur den Spaß gezogen, dich weiterzuentwickeln, sondern du hast auch mit Menschen Kontakt bekommen, die dir dann über bestimmte Industrien etwas berichtet haben. Das war die Zeit japanischer Optionsscheine, wir hatten regelmäßig Besuch aus Japan. Oder von Heiko Thieme. Der war damals in den USA der Deutsche-Bank-Repräsentant, der kam jedes halbe Jahr. 

 

Herr Rehwald, wie bewerten Sie die Nachwuchschancen? Bankberater langweilen sich, weil sie nicht beraten dürfen, stattdessen die rote oder grüne Taste drücken. Gleichwohl zeigt die Fondsbranche auch keine richtigen Nachwuchsprogramme. Es fehlt der Drive.

Rehwald: Ein großes Problem ist, dass die ganze Vermögensverwaltungswelt außerhalb des Begriffes Bank gar nicht bekannt ist. Ich studiere ja nicht zwingend BWL, um später bei einem Asset Manager einer Bank zu arbeiten, sondern ich mache das, weil ich Unternehmensberatungen reizvoll finde. Ich glaube, dass viele Talente per Zufall in die Finanzbranche gekommen sind. Ja, es gibt ein Nachwuchsproblem und das Problem ist, dass Deutschland von wenigen großen Playern dominiert wird und die kleinen Häuser keinen eigenen Talent-Pool aufbauen können oder wollen. 

Vorndran: Viele von den Beratungshäusern und Investmentbankern sind auch ein Pool für unseren Nachwuchs. Wenn ich mir anschaue, wie viele Analysten von Flossbach von Storch zuvor bei einem klassischen Beratungshaus gearbeitet haben. Wie viele haben bei einer Investmentbank gearbeitet, die dann irgendwann mal keinen Bock mehr hatten, von 9 bis 24 Uhr zu arbeiten, trotz alledem ihr Talent umsetzen wollten, aber nicht den Mut hatten, Finanzchef von einem mittelständischen Unternehmen zu werden. Die landen dann schon auch in der Asset-Management-Industrie. 

Morath: Die Angelsachsen oder Franzosen haben es besser. Allein um die Liverpool Station herum fallen mir 20 Adressen ein, die mit einer Bank und einer Versicherung nichts zu tun haben, wo hunderte von Leuten nur in London arbeiten. So ein großartiges Unternehmen wie Schroders, so was gibt es hier in Deutschland nicht. Frankreich hat großartige Boutiquen, der Nachwuchs studiert im Ausland, kommt zurück nach Paris und gründet eine Fondsboutique.

„Geldanlage ist auch immer etwas, was einen schalen Beigeschmack hat“

Vorndran: Es wird ja auch in der Familie darüber nicht gesprochen. Wenn ich in UK, in den USA oder in Australien bin, dann gehört die Altersvorsorge, die auf klassischer Geldanlage basiert, dazu. Da geht das Thema Immobilie, Hypothek und Pensionspläne 401k ineinander über. Und so kommen Kinder auch auf natürliche Art und Weise mit der Notwendigkeit von Geldanlage in Kontakt. Das passiert in einer deutschen Familie nicht. Und deswegen ist Geldanlage auch immer etwas, was einen schalen Beigeschmack hat. Und die Vermögensverwalter, das sind dann alles so halbseidene Kameraden. 

Muss man sich Sorgen machen um den Asset-Management-Standort Deutschland? 

Vorndran: Definitiv nicht. Die Branche hat sich in den vergangenen 15 Jahren so dynamisch weiterentwickelt wie selten zuvor. Wir haben sehr viele kleine Einheiten, die sich teilweise spezialisieren, teilweise Breitbandprodukte anbieten. Wir haben jetzt gesetzte Platzhirsche, da ist eine Acatis, eine DJE, da ist ein Frank Fischer und da sind wir. Vor 20 Jahren, ich war in der Geschäftsführung der CS, da haben wir uns Übernahmekandidaten angeschaut. Wir hatten Cash, weil wir die Winterthur verkauften hatten. Da tauchte aber nichts auf dem Radar auf. Ganz hinten Flossbach von Storch und DJE. Kurzum: Wir entwickeln uns.

 

Morath: Der deutsche Asset-Management-Markt hat keine Bewandtnis. Wir haben keinen einzigen Asset Manager, der über Grenzen hinweg eine Bewandtnis. Vielleicht die AGI. Wir haben viele spannende Boutiquen. Wir haben keinen ETF-Anbieter, der irgendeine Bewandtnis hat. 

Vorndran: Aber das ist keine Verschlechterung. Das war vor zehn oder 20 Jahren definitiv noch schlimmer, als es heute ist. 

Wie kommen wir jetzt versöhnlich aus dieser Nummer hier raus? 

Vorndran: Wenn wir an dieser Bestandsaufnahem etwas ändern wollen, dann müssen wir am Deutschen als Anleger was ändern. Wie sollen die Unternehmen in einem Land Weltrang haben, in dem Anlage nicht relevant ist? 

Volkmann: Aus meiner Sicht gehören Finanzthemen, Investmentthemen, Steuerthemen in die Schulen. Es gibt spannende Geschichten, die den jungen Menschen im Schulalter schon das Thema Investieren beibringen. Solange aber Politik mit Heuschrecken-Hysterie arbeitet und Kanzler Olaf Scholz das Sparbuch für das Maß aller Dinge hält, kann ja nichts funktionieren. 

Vorndran: Es wäre ja schon mal viel wert, wenn ein Kind in der Schule überhaupt das Sparbuch erklärt bekäme. Wir machen nicht mal das. 


Über die Interviewten:

Manuel Rehwald ist Personalberater. Er ist Inhaber und Geschäftsführer von Rehwald Associates.

Oliver Morath ist Managing Direktor für Strategie und Vertrieb bei Squad Fonds. Zuvor arbeitete er unter anderem für Flossbach von Storch und Barings.

Stephan Volkmann ist Personalberater und arbeitet für Eleway, wo er Managing Partner ist. Zuvor war er unter anderem für Fidelity und Morningstar tätig.

Philipp Vorndran ist Kapitalmarkt-Experte und arbeitet für Flossbach von Storch. Zuvor war er für die Credit Suisse und Julius Bär tätig.

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