Besonderheiten und Rahmen Kunst als Anlage – und Liquiditätshebel für Sammler

Dirk Scheunemann von J.P. Morgan

Dirk Scheunemann von J.P. Morgan: Eine Kunstsammlung ist nicht nur aus Anlagesicht interessant. Foto: J.P. Morgan

In den vergangenen Jahren haben wir hautnah die enorme Stärke des Kunstmarktes erlebt. Auch bei unseren Kunden waren erhebliche Aktivitäten, sowohl bei Käufen als auch bei Verkäufen zu beobachten.

Besonders zeigte sich das interessanterweise in den Jahren 2021 und 2022, als bei einigen bemerkenswerten Verkäufen Rekordpreise für Blue-Chip-Künstler erzielt wurden. Das hat sich nun geändert. Trotz beachtlicher Transaktionen war der Kunstmarkt 2023 von einer Korrekturphase geprägt, die im Vergleich zum Vorjahr mit insgesamt deutlich geringeren Verkaufserlösen einherging.

 

Nach der regen Aktivität der Post-Covid-Zeit ist die Konsolidierung am Kunstmarkt in weiten Teilen auf die beträchtliche Unsicherheit in den meisten größeren Volkswirtschaften zurückzuführen. Die sprunghaft gestiegene Inflation, mit Spitzenwerten von 9 Prozent in den USA, sowie die daraufhin steigenden Leitzinsen ließ Sorgen vor einer möglichen Rezession aufkommen. Inzwischen scheint sich die Lage stabilisiert zu haben, nach den geldpolitischen Maßnahmen sind die Inflationsraten in den meisten größeren Volkswirtschaften weiterhin rückläufig. Auch die Zinssätze könnten sich auf einem niedrigeren Niveau einpendeln, wenngleich auf einem höheren Niveau als in der Zeit vor Covid-19. 

Durch die nachlassende Unsicherheit und einen erfreulicheren Konjunkturausblick sieht der Kunstmarkt 2024 vermutlich günstigeren Rahmenbedingungen entgegen. Tatsächlich prognostiziert der neueste Art-&-Finance-Bericht von Deloitte, der letztes Jahr veröffentlicht wurde, dass das Vermögen von Ultra High Net Worth Individuals (UHNWIs), das Kunst- und Sammlerobjekten zugeschrieben werden kann, im Jahr 2026 auf einen Schätzwert von 2,861 Billionen US-Dollar anwachsen könnte. Dies ist auf die weltweit gestiegene Anzahl von UHNWIs sowie auch deren vermehrten Besitz von Kunst- und Sammlerobjekten zurückzuführen. Die Prognose geht von einem Schätzwert von 2,174 Billionen US-Dollar im Jahr 2022 aus, wobei etwa 63 Prozent der befragten Vermögensverwalter Kunst als alternative Anlageklasse bereits in ihr Wealth-Management-Angebot aufgenommen haben.

Was Kunst für das Portfolio leisten kann – und wie Berater die Finanzierung klären müssen

Eine gut verwaltete Kunstsammlung adressiert grundsätzlich gleich mehrerlei Dimensionen – sie stiftet finanzielle Flexibilität, unterstützt die übergeordnete Vermögensplanung des Sammlers und kann zugleich dabei helfen, ein bleibendes Erbe zu hinterlassen. Es ist jedoch auch wichtig zu berücksichtigen, dass Kunst aus vielen Gründen eine außergewöhnliche Anlageform darstellt – von der oft emotionalen Bindung ihres Besitzers über die inhärent illiquide Natur eines Kunstwerks bis hin zur relativen Wertstabilität auf lange Sicht. Zugleich ist Kunst unabhängig vom Anschaffungspreis auch ein Vermögenswert, dessen besondere Stärken im Zuge von Finanzierungen zum Tragen kommen können.

Ob es darum geht, Mittel für zusätzliche Käufe oder eine Brückenfinanzierung in einem Verkaufsprozess bereitzustellen, oder einfach einen Teil des in der Sammlung gebundenen Kapitals für andere Zwecke freizusetzen; aus Beratungsperspektive ist zunächst von entscheidender Bedeutung, die Gründe für eine Finanzierung zu identifizieren.

 

Dazu gehört auch ein grundlegendes Verständnis der Beweggründe eines Sammlers für den Besitz von Kunst und seiner zukünftigen Ziele, sowohl für seine Sammlung als auch für sein Gesamtvermögen. Hier liegt der Ausgangspunkt für die Definition, welches Potenzial eine Kunstfinanzierung entfalten kann. So hat etwa eine Person, die ihre Sammlung im Wesentlichen auf emotionaler Basis anlegt, wahrscheinlich deutlich andere Prioritäten als jemand, dessen Hauptmotivation Wertentwicklung und Renditeerwartung sind. 

In einem flexiblen und maßgeschneiderten Ansatz für die Kunstfinanzierung liegt insofern der Schlüssel zum Erfolg. Und der richtet sich nach dem vollständigen finanziellen Bild eines Sammlers, einschließlich Vermögenswerten und Verbindlichkeiten, Liquiditätsbedarf und kurz- und langfristigen Zielen sowie seiner Kunsteigentumsstruktur, um den optimalen Finanzierungsansatz zu bestimmen.

Welche Faktoren eine Finanzierung und die Kunstsammlung beeinflussen

Flexibilität wird dabei durch mehrere Faktoren beeinflusst. Da ist zunächst der Standort des Kunstwerks. Der Sammler kann sich an dem Kunstwerk in seiner Immobilie erfreuen, es in einem Kunstlager aufbewahren oder die Kunst kurz- oder langfristig an ein Museum oder eine Galerie in Kontinentaleuropa, Großbritannien, den Vereinigten Staaten oder Kanada entleihen.

Neben dem Standort stellt sich ferner die Frage, welche Kunst als Sicherheit dienen kann: Ein kundenzentrierter Ansatz sollte – im Gegensatz zu einem Asset-Ansatz – die Bereitstellung einer Vielzahl von Kunstwerken als Sicherheit ermöglichen. „Akzeptable“ Werke beschränken sich dabei nicht nur auf solche von Blue-Chip-Künstlern oder nur auf solche aus dem „stark nachgefragten“ modernen und zeitgenössischen Markt.

 

Flexibilität spielt darüber hinaus bei den Finanzierungsbedingungen eine Rolle. Die Finanzierung sollte auf die Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten werden – ganz gleich, ob kurzfristige Brückenfinanzierung oder mittelfristig zugesagte Fazilitäten oder die Möglichkeit, das bereitgestellte Fremdkapital für beliebige Zwecke zu verwenden.

Kunst bedeutet mehr als Ästhetik. Sie geht über das wirtschaftliche Umfeld hinaus und bietet nicht nur eine kulturelle Bereicherung, sondern auch die Möglichkeit, das Investment-Portfolio zu diversifizieren. Unsere Erfahrungen zeigen dabei auch, dass insbesondere eine durchdachte Finanzierungsstrategie ein kluges Instrument sein kann, um den Aufbau und die Pflege einer Sammlung zu adressieren und zugleich die Gesamt-Vermögensziele des Sammlers wesentlich zu unterstützen. Sie sollte Bestandteil jeder durchdachten Vermögensplanung sein.


Über den Autor:

Dirk Scheunemann ist Kreditberater bei der J.P. Morgan Private Bank in Frankfurt. Er entwickelt gemeinsam mit Kunden individuelle Kreditlösungen, die von vermögensbasierten bis zu ungesicherten Krediten reichen.

 

 

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