Interview zur zeb-Studie „Der Wertpapierfokus ist das Problem”

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Wird es in der Zukunft noch analoges Private Banking geben?

Sarnitz: Zunächst mal haben alle 100 befragten Private-Banking-Kunden gesagt, dass ihnen der Kundenberater und die Beratung sehr wichtig sind. Weil das ihnen hilft, sich in einer immer komplexer werdenden Welt zurechtzufinden. Der Kunde könnte vermutlich vieles auf digitalem Wege selber herausfinden. Er will sich aber nicht die Zeit nehmen und lieber jemanden dafür bezahlen. Es geht also nicht um das Ersetzen des analogen Beraters durch digitale Lösungen, sondern um Integration und hybride Lösungen.

Hannemann: Unsere Vision des Private Banking ist stattdessen dreigliedrig. Es wird nach wie vor das traditionelle Private Banking geben. Klassisch, relationshipbasiert, analog. Aber es wird darüber hinaus auch Weiterentwicklungsformen geben. Zum einen die Digitalisierung bestimmter Abschnitte der Wertschöpfungskette am Kunden oder in den internen Bankabläufen, die mit der analogen Welt zu verweben sind. Zum anderen gibt es die Stufe der Plattformökonomie. Und da schließt sich wieder der Kreis, denn was machen Plattformen denn? Doch nichts anderes als Anbieter zu integrieren, sodass die Nutzer einen Mehrwert haben. Das kann ich im Retail-Bereich machen, aber wieso nicht auch im Private Banking? Gerade vor dem Hintergrund der ganzheitlichen Beratung ist das sinnvoll.

Ist nicht eine Schwierigkeit beim hybriden Modell, dass Banken die Berater gerade in der Krise benötigen, sonst aber teuer vorhalten müssen?

Sarnitz: Dann sind wir aber wieder beim Wertpapierfokus. Denn was ist die Krise aus Sicht des Kunden? Klar, auch so etwas wie die Finanzkrise, und dann wollen einige auch mit ihrem Berater sprechen. Aber Krise ist auch, dass mein Kind einen schweren Unfall hatte, dass ich aus steuerlichen Gründen einen Teil meines Vermögens an mein Kind übertragen habe, das jetzt 18 Jahre alt wird, aber noch nicht so weit ist, oder dass im Unternehmen der größte Kunde ausfällt. In so einer Situation benötige ich einen Ansprechpartner. Das ist dann der Moment der Wahrheit für die Private-Banking-Anbieter, denn dann entscheidet sich, ob sie sich um die Kun- den kümmern oder eben nicht.

Hannemann: Das hybride Modell ist auch nicht mit unserer zweiten Entwicklungsstufe, dem Digitally Enhanced Banking gleichzusetzen. Ich setze zwar die Digitalisierung in meinen Abläufen ein, aber nicht, damit der Kunde zwangsläufig etwas selber macht. Vielmehr geht es um schlankere Prozesse und das Thema Big Data Analytics. Daraus kreiere ich Informationen und Anreize, die meinen Kundenberatern zugespielt werden, damit diese in ihrer Beratung, ihrem Kümmern und der Nähe zum Kunden besser werden. Und mehr Zeit für ihre Kunden haben.

Auf welchen Datenquellen würden diese Big-Data-Analysen basieren?

Hannemann: Naheliegend ist der bankeigene Datenbestand. Gerade durch den Zahlungsverkehr könnte eine Bank eine Menge über ihre Kunden lernen.

Ein Beispiel?

Sarnitz: Nehmen Sie einen Firmenkunden, der ebenfalls Ihr Kunde im Private Banking ist. Sie könnten sich den Zahlungsverkehr seines Unternehmens anschauen. Da  stellt sich dann heraus, dass die Geldein- gänge und -ausgänge in Britischem Pfund nicht zueinander passen, dass ständig offene Währungspositionen entstehen. Wenn diese Information nun zum Firmen- kunden- oder Private-Banking-Berater des Unternehmers käm, könnte dieser den Kunden auf sein Risiko hinweisen und eine Risikoabsicherung anbieten. Das  wäre dann echtes Kümmern und Aus- gangspunkt für weitere Gespräche rund um  Cash-Management-Lösungen  oder eine Multibank-Integration.



Über die Interviewten:
Nadine Hannemann arbeitet seit 2014 für die Beratungsfirma zeb. Dort ist sie Managerin in der Praxisgruppe Private Banking, Asset & Wealth Management. Ihr Fokus liegt auf Projekten zu Strategie und Organisation.

Axel Sarnitz ist Partner bei zeb und leitet dort die Praxisgruppe Private Banking, Asset & Wealth Management. Er berät vor allem zur Ausrichtung von Geschäftsmodellen, Effizienzmaßnahmen und strategischen Steuerungskonzepten.

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