Einordnung der Inrev-Studie Darum wächst das Vertrauen in den europäischen Immobilienmarkt

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Einordnung der Inrev-Studie
Darum wächst das Vertrauen in den europäischen Immobilienmarkt
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Martin Lemke von Am Alpha: „Die Entwicklung ähnelt dem Anlegerverhalten nach der Finanzkrise 2008, als Strategien mit höherem Risiko erhebliche Renditen erbrachten.“

Martin Lemke von Am Alpha: „Die Entwicklung ähnelt dem Anlegerverhalten nach der Finanzkrise 2008, als Strategien mit höherem Risiko erhebliche Renditen erbrachten.“ Foto: Am Alpha

Die Dynamik auf dem europäischen Immobilienmarkt wird zunehmend von einer Präferenzverschiebung weg von traditionellen Core-Investments hin zu risikoreicheren Value-Add- und opportunistischen Investmentstrategien bestimmt. Diese Entwicklung ist nicht nur ein Echo der Reaktionen auf vergangene Finanzkrisen, sondern auch ein Zeichen für das Vertrauen kapitalstarker Investoren in das Potenzial des Immobilienmarktes, selbst in Zeiten der Unsicherheit. Es ist eine Erinnerung daran, dass man mutig sein muss, ohne unvernünftig zu sein und Chancen ergreifen muss, ohne die Risiken zu übersehen.

In einem Marktumfeld, das von Volatilität und Unsicherheit geprägt ist, liefert die aktuelle Umfrage des Inrev, einem Branchenverband für institutionelle Immobilieninvestoren mit fast 500 Mitgleidern, aufschlussreiche Daten zur strategischen Ausrichtung institutioneller Immobilieninvestoren in Europa.

Laut der Umfrage, an der rund 100 internationale Asset-Manager mit einem Gesamtvermögen von gut 830 Milliarden Euro teilgenommen haben, plant lediglich eine Minderheit von 16 Prozent der europäischen Investoren ihre Immobilieninvestments in den nächsten zwei Jahren zu erhöhen, während 43 Prozent der Investoren in Europa ihre Investitionen reduzieren möchten.

Asiatische Investoren drängen nach Europa

Demgegenüber zeigen sich asiatische Investoren wesentlich expansiver und zielen darauf ab, ihre Immobilienallokationen weiter zu steigern. 41 Prozent beabsichtigen, ihre Investitionen in Immobilien in den kommenden zwei Jahren zu erweitern. Auch für Europa verfolgen sie eine expansive Strategie. 34 Prozent planen, in europäische Immobilien zu investieren, was in erster Linie an den, im Vergleich zu den Vorjahren, gesunkenen Preisen liegt. Bei der vorherigen Befragung wollten lediglich 17 Prozent in Europa investieren.

Bemerkenswert ist die zunehmende Risikobereitschaft der Investoren. Die Analyse zeigt, dass wie bereits im Vorjahr 60 Prozent der asiatischen Investoren in Europa Value-Add-Strategien bevorzugen. Dieser Anteil lag  2014 noch bei 17 Prozent. 40 Prozent streben dabei sogar opportunistische Investments an.

 

Nordamerikanische Investoren sind mit 56 Prozent – 2013 lag der Wert bei 60 Prozent, 2014 bei 70 Prozent – beziehungsweise 33 Prozent ähnlich unterwegs. Europäische Anleger sind ebenfalls risikofreudiger als in den Vorjahren. 55 Prozent setzen auf Value-Add, auch wenn 36 Prozent nach wie vor am Core-Fokus festhalten.

Core-Investments spielen untergeordnete Rolle

Über alle Investoren hinweg spielen Core-Investments mit 21 Prozent derzeit eine untergeordnete Rolle. Dies ist nicht nur deutlich niedriger als im letzten Jahr, sondern auch der niedrigste Anteil seit der ersten Inrev-Umfrage vor 15 Jahren. Diese Entwicklung ähnelt dem Anlegerverhalten nach der Finanzkrise 2008, als Strategien mit höherem Risiko erhebliche Renditen erbrachten. Kapitalstarke Investoren sehen jetzt erneut ein Zeitfenster, um in vielversprechende Immobilien mit höherem Renditepotenzial zu investieren – trotz oder vielleicht gerade wegen der herrschenden Unsicherheit.

Anfrage nach Immobilien bleibt auf niedrigem Niveau

Großbritannien gilt im Jahr 2024 als Top-Destination für Immobilieninvestments, mit einem Anstieg der Präferenz von 50 Prozent im Vorjahr auf 84 Prozent, während Deutschland auf Platz zwei fällt. Diese Verschiebung spiegelt die bereits weit fortgeschrittene Korrektur der Immobilienwerte in Großbritannien wider, im Gegensatz zu Deutschland, wo die Anpassungen noch relativ gering sind.

Trotz einer sich abzeichnenden Zinswende mit niedrigeren Finanzierungskosten ist in Deutschland –  wie auch in Europa – nicht mit einer kurzfristigen Rückkehr zu früheren Immobilienhöchstwerten zu rechnen. Durch die gestiegene Attraktivität alternativer Anlageklassen wird sich die Nachfrage nach Immobilien auf vergleichsweise niedrigerem Niveau verbleiben, was auf eine weitere bevorstehende Preiskorrektur auf dem deutschen Markt hindeutet, selbst bei sinkenden Zinsen.

Wohnen Top – Büro Flop?

Unter den Asset-Klassen erfahren Wohnen und Logistik von den internationalen Investoren insgesamt die höchsten Zustimmungsraten. Wohnen führt erstmals die seit 2005 veröffentlichte Liste an und ist mit 90 Prozent Spitzenreiter, gefolgt von Logistik mit 87 Prozent. Diese Zahlen markieren einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr, als Wohnen bei 65 Prozent und Logistik bei 46 Prozent lag. Büroimmobilien hingegen verzeichnen einen Rückgang. 52 Prozent der Investoren zeigen Interesse am Kauf, verglichen mit 69 Prozent im Jahr 2023. Dieser Wert lag vor zehn Jahren noch bei 85 Prozent.

Diese Skepsis gegenüber Büroimmobilien mag angesichts der zunehmenden Akzeptanz von Homeoffice und flexiblen Arbeitsmodellen auf den ersten Blick nachvollziehbar sein, ist aber vorschnell. Sie übersieht, dass Büros in der Wissensgesellschaft eine zentrale Rolle als Orte des Lernens, des Austauschs und der Innovation spielen. Die gegenwärtige Situation eröffnet eine einmalige Gelegenheit, das Konzept von Büroflächen neu zu überdenken und sie so zu gestalten, dass sie den heutigen Anforderungen entsprechen. Es geht darum, Räume zu kreieren, die sowohl funktional als auch inspirierend sind und somit die Basis für zukünftigen Erfolg bilden.

 

Büroflächen, die an die neuen Arbeitsweisen angepasst sind, stellen nicht nur eine Reaktion auf aktuelle Veränderungen dar, sondern auch eine Investition in die Zukunft. Die Rolle des Büros verändert sich von einem bloßen Arbeitsplatz zu einem Zentrum für Kollaboration, Innovation und sozialen Austausch. Flexible Arbeitsmodelle und digitale Technologien heben die Bedeutung des physischen Büros als unverzichtbaren Ort für persönliche Interaktion und Wissensaustausch hervor.

Eine aktuelle Umfrage von JLL kommt zu dem Ergebnis, dass 57 Prozent der deutschen Unternehmen das Büro als langfristig wesentlichen Bestandteil ihres Arbeitsökosystems betrachten. Die Bedeutung qualitativ hochwertiger Büroflächen, die über die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes hinausgehen, wird demnach von der Studie unterstrichen. Unterm Strich geht es darum, den Mitarbeitenden Raum für soziale Kontakte und Austausch zu bieten, der Kommunikation und Kooperation fördert.

Eine Chance für die Zukunft

Die derzeitige Lage bietet eine Gelegenheit, die Büroimmobilie neu zu denken und zu gestalten. Investitionen in Büroflächen, die den neuen Arbeitsweisen gerecht werden, sind nicht nur eine Antwort auf die aktuellen Veränderungen, sondern auch eine Investition in die Zukunft. In letzter Konsequenz ist eine Immobilie ein Service.

Immobilieneigentümer sind somit Serviceprovider. Sie vermieten nicht vier Wände, sondern einen Raum, der eine gewisse Aufenthaltsqualität für die unterschiedlichsten Bedürfnisse im Leben verspricht. Wenn sich aber die Bedürfnisse ändern, muss sich der Service auch entsprechend anpassen. Eine Immobilie, die diese Art der Flexibilität nicht bietet, wird es in Zukunft schwer haben. Positiv ausgedrückt: Diejenigen, die mit der Zeit gehen und mit frischer Denke nach vorne schauen, werden zu den Gewinnern der derzeitigen Krise zählen.

Über Martin Lemke

Martin Lemke ist seit 2013 Chef des Multi Family Office Am Alpha und seit 2021 Chairman der European Association for Investors in Non-Listed Real Estate Vehicles (Inrev), einer gemeinnützigen Vereinigung mit Sitz in den Niederlanden, die die Interessen von über 460 Mitgliedern, darunter institutionelle Anleger, Fondsmanager, Fondsinitiatoren, Berater sowie Universitäten und Forschungseinrichtungen am europäischen Markt für nicht-börsennotierte Immobilienfonds wahrnimmt. Bevor er bei Am Alpha anfing, war Lemke knapp 14 Jahre lang Geschäftsführer des im Sdax notierten Immobilieninvestors Patrizia.

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Über Inrev

Die European Association for Investors in Non-Listed Real Estate Vehicles (Inrev) ist eine gemeinnützige Vereinigung mit Sitz in den Niederlanden, die die Interessen von Anlegern am europäischen Markt für nicht-börsennotierte Immobilienfonds wahrnimmt. Die Vereinigung hat über 460 Mitglieder, darunter führende institutionelle Anleger wie Allianz Real Estate, Generali Real Estate, GIC Real Estate, sowie Fondsmanager, Fondsinitiatoren, Berater und Universitäten

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