Martin Lemke vom Family Office AM Alpha „Wir sind nach wie vor große Büro-Investoren und finden das auch gut“

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Martin Lemke vom Family Office AM Alpha
„Wir sind nach wie vor große Büro-Investoren und finden das auch gut“
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Martin Lemke, Chef des Family Offices Am Alpha und Chairman des Inrev

Martin Lemke, Chef des Family Offices Am Alpha und Chairman des Inrev: „Würden wir jedes Gebäude, das für seine eigentliche Nutzung nicht mehr passt – aus welchen Gründen auch immer – abreißen, das wäre ökologischer und ökonomischer Irrsinn.“ Foto: Am Alpha

private banking magazin: Herr Lemke, was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen im Bereich Immobilien in Deutschland, Europa und global?

Martin Lemke: Ich finde es wirklich interessant, wie viel Aufmerksamkeit der Immobilienmarkt derzeit erhält. In Internet, TV und Zeitungen, überall wird einem erzählt: Der Immobilienmarkt steckt in der Krise und alles ist dramatisch wie nie zuvor. Ich bin recht viel in der Welt unterwegs und diese Panikmache hat in Deutschland einen ganz besonderen Stellenwert. Andere Länder beweisen da mehr Augenmaß.

Immobilien sind die emotionalste Assetklasse…

Lemke: Absolut, aber die Kirche sollte irgendwann mal im Dorf gelassen werden. Selbstverständlich ist insbesondere das Thema Wohnen wichtig und geht in dem einen oder anderen Rahmen wirklich jeden an. Wie können wir wo wohnen? Wie wird die Zukunft aussehen, haben wir genug bezahlbaren Wohnraum für alle? Die vergangenen zehn Jahre waren klasse, das Geld war billig. Wer ein bisschen Eigenkapital mitbrachte, hatte die Chance eine Immobilie zu kaufen, oder zu bauen. Jetzt sieht das anders aus, das macht etwas mit einer Gesellschaft. Dennoch bin ich nicht ganz so negativ gestimmt. 2010 waren 4 Prozent Zinsen ganz normal.

Der Immobilienmarkt steht dennoch schwer unter Druck. Wohnraum ist knapp, was muss ihre Branche leisten und an welchen Punkten muss der Regulator seine Hausaufgaben machen?

Lemke: Die Probleme waren bereits vor der Zinswende da und wurden von dieser verstärkt. Die Frage nach genügend Wohnraum ist seit vielen Jahren unbeantwortet. Jetzt wird es umso schwieriger, da es für viele die Alternative des selbstgenutzten Eigentums nicht mehr gibt. Deshalb werden noch mehr Menschen in den Mietmarkt reindrängen. Das viel diskutierte Heizungsgesetz hat nicht dazu beigetragen, dass Investoren in Scharen in Wohnimmobilien investieren wollen, im Gegenteil! Ein Asset ohne Klarheit mit einhergehender Nachvollziehbarkeit ist schlichtweg nicht investierbar. Ich habe aber die Hoffnung, dass die Politik langsam versteht, dass sie liefern muss. Es braucht dabei viele gute Ideen, um Anreize für Investoren zu schaffen. Nur dann wird das Wohn-Dilemma hierzulande gelöst. Das Ganze muss unter der Überschrift stehen: Investitionen in Mietwohnungen müssen attraktiv sein!

Die Nachhaltigkeits-Ideen aus Berlin scheinen zu ambitioniert zu sein, um ein Dilemma lösen zu können…

Lemke: Auch wenn die Immobilienbranche schon immer sehr innovativ war, so bin ich komplett dabei, wenn es heißt, dass keine Gebäude wie vor 10 oder 20 Jahren gebaut werden sollen. Aber man sollte das Ganze auch mit Augenmaß betreiben. Wenn wir 100 Prozent erreichen müssen, wird es sehr aufwendig und nur die wenigsten können sich die Immobilien dann noch leisten. Deshalb muss die Frage gestattet sein, ob nicht vielleicht schon 95 oder 85 Prozent gut genug sind. Ist ein Gebäude, das zu 85 Prozent perfekt ist, nicht sinnvoller, als nach der totalen Perfektion zu streben, also ein Null-Energie-Haus zu bauen, das am Ende leer steht, weil es schlichtweg zu teuer ist. Am Ende darf man eines nie vergessen: Wir müssen vom Nutzer herkommen. Wir müssen uns fragen, was dieser bezahlen und sich leisten kann.

Die Politik sollte realistischer an das Thema herangehen?

Lemke: Ja. Die bloßen Zahlen lassen nichts anderes zu. Derzeit haben wir Baukosten von rund 3.500 Euro pro Quadratmeter. Dazu muss noch das Grundstück gekauft werden und am Ende muss ein Investor auch noch Rendite erwirtschaften. Die Miete kann dann folgerichtig nicht bei 9,50 Euro kalt liegen. Die Baukosten müssen also runter, Genehmigungsprozesse müssen effizienter ausgestaltet werden, es sollte flexibler auf verschiede Fragestellungen reagiert werden.

Haben Sie konkrete Wünsche an den Regulator?

Lemke: Das Manage to Green sollte leichter werden. Derzeit bereitet es viele Probleme, dabei sollte es eine Chance sein. Die gesetzgebende Seite sollte sich mehr damit auseinandersetzen, was die Bedürfnisse der Marktteilnehmer sind, was die Mieter und Hersteller benötigen. Der Rahmen muss Sicherheit bieten – er muss ermöglichen und nicht verhindern. Derzeit geht es nicht in die richtige Richtung. Deutschland ist in einer Rezession und das ist zum guten Stück ein hausgemachtes Problem – und die sind meistens die gefährlichsten.

Auch der Büromarkt leidet seit Corona. Home-Office wird nicht mehr so ganz von der Bildfläche verschwinden. Denken Sie darüber nach, Büro- zu Wohnimmobilien umzuwidmen?

Lemke: Das haben wir schon gemacht und das funktioniert auch ganz gut, ist aber relativ aufwendig. Wir müssen aber, wenn wir die brisanten gesellschaftlichen Fragen beantworten wollen, mit dem Immobilienbestand den wir jetzt zur Verfügung haben, solche Umbauten machen. Das geht aber nur, wenn es für alle Seiten Sinn macht. Wir müssen umbauen, anders bauen und immer den Nutzer und das Thema ESG miteinbeziehen. Konversion von einer in die andere Nutzungsart steht dabei ganz oben auf der Agenda. Würden wir jedes Gebäude, das für seine eigentliche Nutzung nicht mehr passt – aus welchen Gründen auch immer – abreißen, das wäre ökologischer und ökonomischer Irrsinn. Wir müssen uns ein Stück weit davon lösen, dass eine Immobilie in 100 Jahren immer die gleiche Nutzung hat. Das funktioniert nicht.

 

 

 

Vielmehr müssen wir Immobilie anders denken. Eine Immobilie ist letztendlich ein Service. Immobilieneigentümer sind somit Serviceprovider. Sie vermieten nicht vier Wände, sondern einen Raum, der eine gewisse Aufenthaltsqualität für die unterschiedlichsten Bedürfnisse im Leben verspricht. Wenn sich aber die Bedürfnisse ändern, muss sich der Service auch entsprechend anpassen. Eine Immobilie, die diese Art der Flexibilität nicht bietet, wird es in Zukunft schwer haben.

Wie ist ihr Portfolio aufgeschlüsselt und wie hat es sich in den vergangenen fünf Jahren verändert und inwieweit soll es sich noch verändern?

Lemke: Wir glauben an den stationären Einzelhandel. Ein Beispiel ist Lodenfrey, ein klassisches Mode-Kaufhaus. Über die vergangenen Jahre hat sich das Unternehmen erfolgreich entwickelt, weil deren Konzept gut funktioniert. Ein gutes Konzept ist das wichtigste. Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir wollen nicht nur Zuhause vor dem Bildschirm sitzen und per Mausklick einkaufen. Wir wollen etwas erleben, sehen, anfassen. Zu beobachten ist das auch bei Edeka. Dort wurde angefangen, den Einkauf zu einem Erlebnis zu machen. Läden wurden umgestaltet, sind nun freundlicher, hochwertiger, aufgeräumter, grüner. Alle anderen Lebensmittelhändler ziehen langsam nach, weil auch im Lebensmittelbereich nicht einfach nur ein Regal reicht, aus dem ich mir das Produkt hole. Demnach entfällt gut 20 Prozent unseres Portfolios auf Einzelhandelsimmobilien. Etwa 50 Prozent sind Büroimmobilien, der Rest entfällt auf Logistik- und Wohnimmobilien.