Im September war das Anlageumfeld unvorteilhaft und an den Finanzmärkten machte das Wort „Stagflation“ die Runde. Angebotsseitige Beschränkungen, darunter Arbeitskräftemangel und Engpässe in den Lieferketten, trieben die Inflation in die Höhe. Dank der Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft, des neuen Aufbauplans der Eurozone und neuer Lockerungsmaßnahmen in China dürfte das Wachstum in den kommenden Monaten jedoch anziehen. In diesem unausgewogenen Umfeld nehmen wir bei Aktien eine abwartende Haltung ein und bleiben bei Anleihen vorsichtig.
Mehr Herausforderungen, aber auch Hoffnungen
Das aktuelle wirtschaftliche Umfeld ist vom Zusammenprall gegensätzlicher Kräfte geprägt. Einerseits deutet die weltweite Wiederöffnung der Wirtschaft auf einen Bedarf an Produkten und Dienstleistungen vor dem Hintergrund niedriger Lagerbestände hin. Andererseits haben die Produzenten Mühe, diese Nachfrage zu decken, da einige Fertigungsbetriebe unter einem Mangel an Arbeitskräften oder Komponenten leiden oder mit logistischen Hindernissen konfrontiert sind. Diese Probleme erklären den aktuellen Anstieg der Inflation und beunruhigen die Anleger, da nicht sicher ist, ob sie wirklich nur vorübergehend sind. Höhere Energiepreise tragen ebenfalls zu dieser Stimmung bei.
In der Berichtssaison der Unternehmen gibt es viele positive Anzeichen: Die Pandemie lässt nach, sodass immer mehr Bereiche wieder geöffnet werden können. Der Konsum dürfte solide bleiben, die USA leiden weniger unter dem Anstieg der Energiepreise. Europa ist entschlossen, die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit voranzutreiben. Und China dürfte proaktiver vorgehen, um das Ziel des „gemeinsamen Wohlstands“ zu erreichen. Somit könnte das Wachstum durchaus positiv überraschen.
Derweil sind in diesem Umfeld die nominalen Renditen und insbesondere die Realzinsen in den USA gestiegen und dürften noch etwas weiter anziehen. Dies sollte zu einer Outperformance der Aktienmärkte im Rest der Welt gegenüber den USA beitragen und dem Value-Faktor, also Substanzwerten, Auftrieb verleihen.
Risiken des Szenarios
Der Inflationsdruck ist ein Risiko für unsere zentrale Einschätzung. Die Zentralbanken in Großbritannien und Irland und auch in Norwegen schätzen die Inflation weniger zuversichtlich ein und haben bereits eine Straffung eingeleitet. Ein Mix aus geldpolitischer Straffung und dauerhaften Angebotsengpässen könnte zu einer drastischen Verschlechterung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage führen und eine vorzeitige Rezession auslösen, die für Risikoanlagen natürlich gefährlich wäre.
Unsere Überzeugung
Wir erkennen nach wie vor Aufwärtspotenzial und Abwärtsrisiken für Risikoanlagen. Unseres Erachtens wird sich die Konjunkturerholung in den nächsten Monaten fortsetzen, sodass das BIP-Wachstum im nächsten Jahr über 4 Prozent liegen dürfte. Die Zentralbanken – oder zumindest die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan – dürften geduldig bleiben. Das Motto „Es gibt keine Alternative zu Aktien“ wird an den Finanzmärkten weiter Gültigkeit haben. Dennoch bleiben wir im Hinblick auf die Inflation, die zu einer weniger vorteilhaften Finanzlage führen könnte, weiterhin wachsam.
Ebenso behalten wir die gesellschaftlichen Veränderungen, wie das Streben nach einer grüneren und gerechteren Gesellschaft, aufmerksam im Blick. Diese Entwicklungen werden dauerhafte Auswirkungen auf die Märkte, die Entscheidungen der Anleger und die Margen der Unternehmen haben – je nach ihrer Fähigkeit, sich anzupassen.
Unsere derzeitige Multi-Asset-Strategie
In den nächsten Wochen werden wir Aktien weiterhin neutral gewichten, sind aber bereit, Chancen zu nutzen, falls eine Korrektur eintreten sollte. Im festverzinslichen Bereich bleiben wir bei Staatsanleihen untergewichtet, die in diesem Sommer die Talsohle durchschritten haben könnten. Wir halten Long-Positionen in Breakeven-Renditen, insbesondere in Europa, da die Zentralbank sehr langsam auf den Kampf gegen die Inflation reagieren dürfte. Dieses Umfeld sollte dem Value-Sektor und Nicht-US-Aktien zugutekommen – vor allem in Europa und Japan.
Außerdem sichern wir das Portfolio durch Engagements in Banken und „rohstoffähnlichen“ Strategien gegen das Inflationsrisiko ab. Abgesehen davon beurteilen wir einige Märkte von Schwellenländern weiterhin positiv – insbesondere chinesische A-Aktien, die von einer gewissen geldpolitischen Lockerung profitieren könnten, sowie lateinamerikanische Aktien, denen die Wiederöffnung und die Entwicklung im Small-Cap-Sektor zugutekommen dürfte.