Einseitige Diskussion Unabhängigkeit bei Multi Family Offices ist kein Patentrezept

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Neben Unabhängigkeit braucht es also auch Fachexpertise, um Family-Office?Dienstleistungen auf höchstem Niveau zu erbringen. Um diese zu einem angemessenen Preis anbieten zu können, muss man die Kostenstruktur stetig verbessern, ohne dass das Arbeitsumfeld für Leistungsträger darunter leidet. Zum Erhalt des Beratungsstandards wäre es grundlegend falsch, Personalkosten und Weiterbildungsaufwendungen zu kürzen. Für eine schlankere Kostenstruktur gibt es andere Möglichkeiten, die insbesondere bankenanhängige Multi Family Offices nutzen können:

  1. Der Zugriff auf die Infrastruktur der Bank
    Geteilte Softwarelizenzen, Größenvorteile in der Preisverhandlung und die Verlagerung redundanter Prozesse verringern die Fixkosten erheblich.

  2. Granulare Mandantenstruktur und breite Akquisitionsbasis
    Ein elementares Risiko vieler Family Offices ist die starke Abhängigkeit von einzelnen Mandanten, die sogar den Fortbestand des Unternehmens gefährden kann. Stehen die Family-Office-Dienstleistungen nicht in Konkurrenz zur Muttergesellschaft, sondern grenzen sich vom grundlegenden Bankangebot ab, kann das Netzwerk des Insituts ein entscheidender Wettbewerbsvorteil in der Akquisition von neuen Mandanten sein. Aus einer breiteren Mandantenbasis entstehen konstantere und weniger volatile Erträge. Zusätzlich gibt es Größenvorteile in der Verhandlungen mit Dienstleistern, die Family Offices beispielsweise für das Vermögenscontrolling beauftragen. Jeder zusätzliche Mandant trägt zur Degression der Fixkosten bei.

  3. Vorteile im War for Talents
    Trotz der jüngsten Finanzkrise und dem damit verbundenen Reputationsverlust der Branche, bieten Banken solide laterale und vertikale Entwicklungsperspektiven für Mitarbeiter. Viele Bewerber bevorzugen die Beschäftigung bei einer Tochtergesellschaft eines renommierten Bankhauses als die Anstellung in einer eigenständigen Treuhandgesellschaft. Mithin bietet die Anbindung an eine Konzernstruktur aus Mitarbeitersicht auch Vorteile, etwa dass Betriebsräte ihre Interessen vertreten und Tarifverträge gelten.

  4. Überbrückung wirtschaftlicher Engpässe
    Gibt es eine finanzstarke Muttergesellschaft im Hintergrund, lassen sich temporäre Liquiditätsengpässe leichter und ohne Qualitätsverlust in der Beratung ausgleichen. Fazit: Die aufgeführten Kostenvorteile bankenanhängiger Multi Family Offices stehen der unterstellten fehlenden Unabhängigkeit gegenüber. Wäre es dann nicht optimal, wenn man die gute Infrastruktur der Banken mit der Eigenverantwortlichkeit der Family Offices verbinden könnte?

Die Diskussion um die mangelnde Unabhängigkeit der bankenanhängigen Family Offices ist häufig sehr einseitig. Unerwähnt bleibt daher stets die Leichtigkeit, mit der sich die Fehlanreize ausschließen lassen, bevorzugt mit der eigenen Bank arbeiten zu wollen. Als Prämisse lässt sich festlegen, dass die eigene Muttergesellschaft unter keinen Umständen als Dienstleister für den Mandanten auftreten darf. Gibt es zusätzlich hohe Hürden, sogenannte Chinese Walls, und Vertragsstrafen für den Informationsaustausch zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft, wackelt der Vorwurf, bankenangeschlossene Multi Family Offices sind per se abhängig und fehlgesteuert.

Diese Erkenntnis widerspricht dem aktuellen Stand der öffentlichen Diskussion. Bankenanhängige Multi Family Offices unterliegen ebenso wenig permanenten Fehlanreizen, wie eigenständige Multi Family Offices fortwährend Leistungen versprechen, die sie nicht halten können. Das Bild ist wesentlich differenzierter: Es gibt losgelöst von der Zugehörigkeit zu einer Bank gute und schlechte Dienstleister. Wie ein Unternehmen die abstrakte Dienstleistung Family Office greifbar gestaltet, hängt dabei entscheidend von den handelnden Personen ab und wie es gelingt, diese langfristig im Unternehmen zu halten.



Über den Autor:
Sebastian Kuhlmann ist seit Februar 2019 Geschäftsführer der National-Bank Vermögenstreuhand, dem Multi Family Office der National-Bank. Seit September 2012 arbeitet er zudem als Dozent an der Hochschule für Oekonomie & Management im Fachbereich Unternehmensfinanzierung und -bewertung.

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