Forscher fordern Schutz aller Sichteinlagen Wie Bank Runs künftig verhindert werden sollen

Ansturm auf eine Filiale der inzwischen insolventen Silicon Valley Bank in Santa Clara im US-Bundesstaat Kalifornien.

Ansturm auf eine Filiale der inzwischen insolventen Silicon Valley Bank in Santa Clara im US-Bundesstaat Kalifornien. Foto: imago images/UPI Photo

Eine erweiterte Einlagensicherung, die alle Sichteinlagen auch über 100.000 Euro sowohl von Privat- als auch von Firmenkunden umfasst, könnte Bank Runs zu verhindern, wie sie kürzlich die US-amerikanische Silicon Valley Bank erlebt hat. Das sagt das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung Safe. In einem aktuellen Schreiben argumentiert ein Forschungsteam des Instituts, dass ein solch erweitertes Einlagensicherungssystem dabei keineswegs auf Marktdisziplin und private Haftung verzichten müsse.

„Nicht versicherte und kurzfristige Bankeinlagen sind einer der Hauptgründe, warum wir Bank Runs beobachten. Der Ausschluss dieser Einlagen aus dem Einlagensicherungssystem ist ein grundlegender Fehler, nicht nur im europäischen Regulierungsrahmen“, erklärt Safe-Direktor Florian Heider. Das Eigenkapital der Banken und ihre nachrangigen Bankanleihen (Bail-in-Anleihen) sind dem Verlustrisiko im vollen Umfang ausgesetzt, weshalb ihre Besitzer in Krisenfällen mit dem Totalverlust rechnen müssen.

Sicherung der Sichteinlagen sei nicht gratis

In wirtschaftlich normalen Zeiten sollen Eigenkapital und nachrangige Anleihen jedoch hohe Renditen abwerfen und entschädigen somit die Investoren für das Tragen der Verlustrisiken. Wann und wie Eigenkapital und Bail-in-Anleihen zur Deckung von Verlusten verwendet werden können, muss für alle Anleger klar und transparent sein.

In ihrem „Policy Letter“ betonen die Ökonominnen, Ökonomen und Rechtswissenschaftler heraus, dass kurzfristig kündbare (Sicht-)Einlagen vollständig gegen Wertverluste versichert sein sollten. „Wie in anderen Bereichen des Lebens ist eine solche Versicherung mit einer Prämie verbunden, die im Durchschnitt und Lauf der Zeit die eventuell zu leistenden Entschädigungen durch Einlagenversicherungsfonds abdeckt“, sagt Loriana Pelizzon, Leiterin der Safe-Forschungsabteilung Financial Markets. Jedoch sei dabei zu beachten, dass in einem funktionierenden Versicherungssystem nur selten Entschädigungen ausgezahlt werden, da der Bank Run als Grund für Zahlungsunfähigkeit entfällt.

 

Die Sicherung der Sichteinlagen sei jedoch nicht gratis: „Wie bei allen Versicherungssystemen für Großrisiken braucht es auch hier eine Art öffentliche Garantie, um das Versicherungsversprechen glaubwürdig zu machen“, führt Heider weiter aus.

Um das Einlagensicherungssytem in Europa insgesamt solider aufzustellen, benötige es eine Rückversicherung, die über die Möglichkeiten einer nationalen Sicherung hinaus geht. Für Banken, die stark von Sichteinlagen abhängig sind – wie es bei der Silicon Valley Bank der Fall war – könnte dieser Wechsel einhergehen mit der Verpflichtung zur Erhöhung des Eigenkapitals und der nachrangigen Anleihen. Eine solche Einlagensicherung aller kurzfristig kündbaren, und daher Run-gefährdeten Einlagen würde ein hohes Maß an verlustabsorbierendem Kapital erfordern und damit das europäische Bankensystem stabilisieren, befinden die Wissenschaftler.

Bank Run bei der Silicon Valley Bank weitete sich auf Bankensystem aus

Anfang März war es bei der US-amerikanischen Silicon Valley Bank zu einem klassischen Bank-Run gekommen. Nachdem die Bank gezwungen war, hohe Kursverluste aus dem Anleihegeschäft zu realisieren, kamen zunehmend Zweifel an der Liquidität des Instituts auf. Allein am 9. März 2023 versuchten SVB-Kunden 42 Milliarden US-Dollar abzuheben, wie die kalifornische Aufsichtsbehörde mitteilte. Das entsprach rund einem Viertel der gesamten Einlagen der Bank.

 

Die Auswirkungen der Insolvenz der Silicon Valley Bank breiteten sich in der Folge auf das globale Bankensystem aus – auch die Krise der ohnehin taumelnden und inzwischen von der UBS übernommenen Credit Suisse wurde nochmals verschärft. Ausgehend von der Bankenkrise in den USA haben sich auch dort die Abflüsse beschleunigt. „Letztlich war es ein Bank-Run, der Bank ging die Liquidität aus, sagte die Präsidentin der Schweizer Finanzaufsicht (Finma), Marlene Amstad, in einem Interview mit der NZZ.

Schrittweise Reform der Einlagensicherung in Deutschland

Diese Krisen haben auch die Diskussion um die Einlagensicherungssysteme neu entfacht. Seit dem 1. Januar 2023 gelten in Deutschland neue Obergrenzen beim maximalen Schutzumfang der freiwilligen Einlagensicherung. Die Reform sieht eine schrittweise Reduzierung der maximalen Einlagesicherung für private Anleger sowie Unternehmen bis zum 1. Januar 2030 vor.

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