Aktien, Fonds, Zertifikate Die Crux mit der neuen Verlustverrechnung

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Abkehr vom Nettoprinzip?

Unter verfassungsrechtlichen Aspekten ist fragwürdig, ob und inwieweit die neuen Einschränkungen mit dem das deutsche Steuerrecht prägenden sogenannten Nettoprinzip in Einklang zu bringen sind. Das Nettoprinzip leitet sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ab, welches seinerseits Ausdruck des in Artikel 3 Grundgesetz verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes ist.

Es besagt, dass Einnahmen grundsätzlich erst nach Abzug der Ausgaben/Aufwendungen zur Besteuerung heranzuziehen sind. Ob die Regelungen zu Verlustverrechnung bei Termingeschäften und dem Ausfall von Kapitalanlagen diesem Grundsatz genügen ist offen. Eine Klärung durch das Bundesverfassungsgericht ist unseres Erachtens nur eine Frage der Zeit.

Die neuen Regeln in der Praxis

Die Finanzverwaltung hat sich zu Einzelfragen im Zusammenhang mit den dargestellten Gesetzesänderungen bisher noch nicht abschließend geäußert. Allerdings hat sie in einem am 18. Juni 2020 veröffentlichten Entwurf zur Ergänzung des Anwendungsschreibens zur Abgeltungsteuer die Neuregelungen aufgegriffen und zu einzelnen Punkten Stellung bezogen.

Neben den bisher schon als Termingeschäften anerkannten Optionsgeschäften, Swaps, Devisentermingeschäften sowie Forwards oder Futures erweitert die Finanzverwaltung seine bisherige Definition der Termingeschäfte zudem auf Differenzkontrakte (CFDs).

Darüber hinaus äußert sich die Finanzverwaltung in dem Entwurf, in welchen Fällen eine ganz oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung beziehungsweise Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter angenommen werden soll.

Demnach ist ein Forderungsausfall anzunehmen, wenn dem Gläubiger keine gesetzlich gebilligte Möglichkeit zur Durchsetzung des Anspruchs mehr offensteht. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn das Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt wurde. Ebenfalls soll bei einem Forderungsverzicht auf eine nicht mehr werthaltige Forderung ein Forderungsausfall angenommen werden. Im Fall eines Verlustes aus der Einziehung wertloser Wertpapiere soll eine Wertlosigkeit gegeben sein, wenn der Handel mit dem Wertpapier eingestellt wurde, das Wertpapier aufgrund der Insolvenz der Kapitalgesellschaft eingezogen wurde oder das Wertpapier infolge der Herabsetzung des Kapitals ausgebucht wurde.


Dem Vernehmen nach sollen die genannten Anwendungsvorgaben der Finanzverwaltung in den kommenden Monaten ohne nennenswerte Änderungen der Entwurfsfassung Eingang in das Anwendungsschreiben finden.

Für Finanzinstitute ändert sich im Hinblick auf die gesetzlichen Neurungen der bekannte Modus Operandi. Konnten die auszahlenden Banken bislang die Verluste anlegerfreundlich mit den Gewinnen gleich im Rahmen des Kapitalertragsteuerverfahrens verrechnen, ist dies für Verluste aus Termingeschäften und dem Ausfall von Kapitalanlagen nun nicht mehr möglich. Eine Geltendmachung kann für diese Verluste nur noch auf Antrag im Veranlagungsverfahren erfolgen (Paragraph 32d Absatz 4 EStG).

Durch Schreiben vom 11. November 2020 hat die Finanzverwaltung das Schreiben zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge an die neue gesetzliche Situation angepasst. Danach sind Finanzinstitute verpflichtet dem Steuerpflichtigen die angefallenen Verluste aus Termingeschäften und uneinbringlichen Kapitalanlagen auch ohne Antrag zu bescheinigen. Hierbei wurde den Finanzinstituten eine verlängerte Umsetzungsfrist eingeräumt, sodass eine Umsetzung erst bis zum 1. Januar 2022 erfolgen muss.


Über die Autoren:
Sven Oberle leitet die Tax-Praxisgruppe Private Client Services der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Sein Team berät Familienunternehmen, vermögende Privatpersonen und Family Offices in Steuerangelegenheiten.

Dr. Meik Kranz ist Fachanwalt für Steuerrecht und in der Grundsatzabteilung von EY (National Office Tax) in Berlin tätig. Der Rechtsanwalt berät Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen in steuerlichen Angelegenheiten. Vor seinem Wechsel zu EY war er von 2017 bis 2019 bei PWC in Berlin tätig.

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