Marian Heller von der Bank für Kirche und Caritas (BKC) „Deshalb sind erwerbbare Realzinsen wieder auf einem interessanten Niveau“

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Marian Heller von der Bank für Kirche und Caritas (BKC)
„Deshalb sind erwerbbare Realzinsen wieder auf einem interessanten Niveau“
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Marian Heller von der BKC

Marian Heller von der BKC: „Der Realzinsvergleich mit anderen Währungsräumen kann wertvoll sein.“ Foto: BKC

Maßgeblich für die Frage, ob eine Anlage einen positiven Realzins erwirtschaftet, ist die über die Haltedauer der Anlage erwartbare Inflation und nicht die aktuell gemessene Inflation, die sich aus der Preisveränderung gegenüber dem Vorjahr ergibt. Bekanntlich gilt: Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Je länger die erwartete Haltedauer einer Anlage ist, desto höher sind auch die Unsicherheiten über die zu erwartende Inflation.

Es gibt unterschiedliche Methoden, Einblicke in (Konsens-) Inflationserwartungen zu erlagen:

  •         Volkswirte stellen Prognosen anhand von ökonomischen Modellen auf
  •         Umfragen ermitteln die geplante Preispolitik von Produzenten und die Anpassungsbereitschaft von Konsumenten gegenüber Preisveränderungen
  •         Börslich und außerbörslich gehandelte Inflationskontrakte zeigen die Sicht der Kapitalmärkte auf erwartete künftige Inflation für unterschiedliche Zeiträume auf

Gerade für länger in die Zukunft gerichtete Zeiträume haben sich kapitalmarktbasierte Methoden als wichtige Indikatoren tagesaktueller Konsenserwartungen künftiger Inflation etabliert. Ein besonders gängiger Proxy für die längerfristige Inflationserwartung ist der „Fünfjahres-Fünfjahres (5y5y) Inflationssawp“. Dabei handelt es sich um ein börsliches Tauschgeschäft (Swap), das die durchschnittliche jährliche Inflationserwartung für den Zeitraum beginnend in fünf Jahren und endend in zehn Jahren widerspiegelt.

Andere marktbasierte Indikatoren für die Inflationserwartung sind die sogenannten „Break Even“ Raten, die sich aus der Renditedifferenz zwischen nominalen und inflationsgeschützten Staatsanleihen herleiten lassen. Die Break Even Raten zeigen die Inflationserwartung an, zu der die Marktteilnehmer in Summe gleichgültig darüber sind, inflationsgeschützte oder herkömmliche, nominale Anleihen zu halten.

Auf Basis dieser marktbasierten Indikatoren bewegt sich die längerfristige Inflationserwartung für den Euro derzeit auf Niveaus nahe 2,5 Prozent. Dies liegt oberhalb des Inflationsziels der EZB, aber unterhalb der Renditen, die sich aktuell mit Anleihen über vergleichbare Zeiträume erzielen lassen. Darauf gründen zurzeit häufig die Aussagen zu „positiven Realzinsen“.

 

Längerfristige marktbasierte Euro-Inflationserwartungen (Quelle: Bloomberg)

Realzinsvergleich mit anderen Währungsräumen kann wertvoll sein

Wie jede Methode haben auch marktbasierte Indikatoren ihre Schwächen. Der umsichtige Anleger ist daher gut beraten, die Aussagen stets kritisch zu hinterfragen und auch für Szenarien deutlich höherer Inflationsentwicklung entsprechende Vorsorge in den Portfolios zu treffen. Neben klassischen Ansätzen wie der Investition in Edelmetalle oder Aktien mit hoher Preissetzungsmacht kann eine Möglichkeit hierfür auch die Diversifizierung von Zinsrisiken in andere Währungsräume sein. Dort bestehen andere Inflations- und Zinsdynamiken, welche die Abhängigkeit des Anlegers vom Wohl und Wehe des landeseigenen Realzinses mindern.

 

 

 

Bereits im US-Dollar lassen sich höhere Realzinsen vereinnahmen, als dies im Euro der Fall ist. Die längerfristigen Inflationserwartungen in den USA liegen aktuell auf ähnlichen Niveaus wie in der Eurozone, gleichzeitig werfen amerikanische Staatsanleihen je nach Laufzeit weit über 100 Basispunkte mehr nominale Rendite ab. Durch inflationsgeschützte Staatsanleihen lassen sich aktuell in den USA positive Realzinsen von rund 1,5 Prozent für zehnjährige Laufzeiten herleiten. Ein so hohes Niveau gab es zuletzt im Jahr 2010.

In den letzten Jahrzehnten hatte der US-Dollar Raum üblicherweise höhere Inflationserwartungen als die Eurozone. Dass sich die Erwartungen nun angeglichen haben, verdeutlicht die strukturellen Veränderungen, in denen sich die Volkswirtschaften befinden.

 

Realrenditen auf Basis zehnjähriger deutscher und US-amerikanischer inflationsgeschützter Staatsanleihen (Quelle: Bloomberg)

 

Noch höher als im US-Dollar sind die Realzinsen derzeit in Lateinamerika. Zum Beispiel steht in Brasilien ein Leitzins von 13,65 Prozent einer Verbraucherpreisinflation von 3,16 Prozent gegenüber. Hier lässt sich daher nicht nur auf längere Laufzeiten, sondern auch im Geldmarkt ein positiver Realzins in lokaler Währung erzielen.

Für den Euroinvestor muss bei der Gesamtevaluation der Attraktivität von Zinsanlagen in Fremdwährungen natürlich stets auch das Währungsrisiko berücksichtigt werden. Ein hoher Realzins wirkt sich häufig positiv auf die Währungsentwicklung aus, ist aber nur einer von vielen Faktoren, die am Ende die Währungsbewegung bestimmen.

Abgleich der eigenen Erwartungen mit dem Marktkonsens liefert Grundlage für Portfolioausrichtung

Konsenserwartungen zeigen auf, was eingepreist ist. Für Anleger, die die Risiken künftiger Inflation eher auf der Oberseite sehen, empfiehlt sich innerhalb des Rentenportfolios eine konstruktive Quote inflationsgeschützter Anleihen sowie eine insgesamt niedrige Zinsbindungsdauer.

Wie sich die künftige Inflation tatsächlich entwickelt und wie hoch damit die erzielbaren Realzinsen sind, wird sich präzise nur ex Post bestimmen lassen. Festzuhalten bleibt: Gegenüber den eingepreisten Inflationserwartungen sind derzeit erwerbbare Realzinsen inzwischen wieder auf interessanten Niveaus, gerade im Vergleich zu den letzten zehn Jahren.

Über den Autor:

Marian Heller ist Senior Portfoliomanager im Asset Management der Bank für Kirche und Caritas (BKC) und verantwortet seit 2015 Rentenstrategien im BKC Asset Management. Seit dessen Auflage im Jahr 2016 managt er den BKC Emerging Markets Rentenfonds. Darüber hinaus betreut er Stiftungen und kirchliche Institutionen im Rahmen von Spezialfonds- und individuellen Vermögensverwaltungsmandaten.

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