Nachhaltigkeit Ist nachhaltiges Investieren in China überhaupt möglich?

Bernhard Matthes, Bereichsleiter Asset Management der Bank für Kirche und Caritas - BKC

Bernhard Matthes von der Bank für Kirche und Caritas: „Gesetzgebung, Rechtsprechung und Exekutive des chinesischen Staates entsprechen in praktisch keiner Hinsicht den Anforderungen an ethisch-nachhaltige Investments.“ Foto: Bank für Kirche und Caritas

Seit einiger Zeit wird in zahlreichen Marktkommentaren die „Rückkehr Chinas“ angepriesen, meist jedoch, ohne dass dabei Fragen der Nachhaltigkeit zentral betrachtet werden. Angesichts vieler Belege für eklatante Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörungen durch Staat und Unternehmen oder auch der drakonischen Repressalien während der Coronapandemie, stellt sich die Frage „Kann man in China überhaupt nachhaltig investieren?“ Die Antwort hierauf erfordert etwas mehr Differenzierung als möglicherweise vermutet werden könnte.

Am Anfang der Entscheidungsfindung, ob Investitionen in chinesischen Assets in Frage kommen, ist eine differenzierte Betrachtungsweise des Anlageuniversums geboten: Welche Kriterien sind für nachhaltig orientierte Anleger in Bezug auf vom chinesischen Staat emittierte Papiere wie Staatsanleihen relevant? Und was ist bei Aktien oder Anleihen von in China ansässigen Unternehmen zu beachten?

Staatsanleihen und Aktien staatlicher Unternehmen

Gesetzgebung, Rechtsprechung und Exekutive des chinesischen Staates entsprechen in praktisch keiner Hinsicht den Anforderungen an ethisch-nachhaltige Investments. Die Missachtung selbst grundlegender Menschen- und Freiheitsrechte, Rechtsunsicherheit durch politisch motivierte, oft unerwartete Gesetzesänderungen und das Fehlen einer unabhängigen Justiz sind hinreichend bekannt. Für Anleger, deren Ziele sich auch aus einer christlichen Wertorientierung speisen, greifen darüber hinaus Ausschluss-Kriterien wie etwa fehlende Religionsfreiheit und die Durchführung der Todesstrafe. 

Zu ethischen Bedenken bei Investitionen in Wertpapiere des chinesischen Staats gesellen sich Aspekte der ökonomischen Risikobewertung hinzu. Grundsätzlich gilt: Wo Eigentumsrechte generell keinen hohen Stellenwert genießen und den institutionellen Rahmen Mindestanforderungen an rechtsstaatliche Prinzipien fehlen, sind auch die Interessen von (gerade ausländischen) Investoren meist nicht gut geschützt.

Risikoprämie angemessen?

Der schwelende Taiwankonflikt birgt überdies ein hohes Sanktionsrisiko nach Vorbild der Einschränkungen, denen etwa russische Wertpapiere unterliegen. Ob chinesische Vermögenswerte aktuell eine dafür adäquate Risikoprämie bieten, scheint fraglich. 

Der während des Volkskongresses 2022 personell und programmatisch zementierte Kurs der Hardliner baut Risiken auf, die für viele Unternehmen und Anleger eine Neubewertung der China-Exponierung als notwendig erscheinen lassen. Zuletzt wurde ein sukzessiver Rückbau einzelner marktwirtschaftlicher Freiheiten, die vor der Amtszeit von Xi Jinping etabliert worden waren, deutlich. Diese Entwicklung baut Gefahren für die Handelsbeziehungen zwischen China und dem Westen auf.  

Intelligente Substitute finden

Investoren, die trotz dieser Aspekte und nach sorgfältiger Risikoabwägung dennoch nicht auf China-Positionen verzichten wollen oder beispielsweise aus Benchmark-Erwägungen heraus auf entsprechendes Exposure nicht verzichten können, haben die Möglichkeit, Kompromisse einzugehen. Sie können ethisch-nachhaltige Ansprüche reduzieren und Substitute wählen, die ein ähnliches Rendite- und Risikoverhalten ermöglichen, aber keine direkten Investitionen in staatliche chinesische Emittenten erfordern.

In CNY emittierte Anleihen sind beispielsweise auch über den Umweg supranationaler Emittenten, wie etwa der Asian Development Bank zugänglich. Auch westliche Entwicklungsbanken wie die EIB oder KfW emittieren regelmäßig liquide CNY-Anleihen. 

Generalverdacht gegen chinesische Unternehmen nicht gerechtfertigt

Das Herkunftsland eines Unternehmens ist zunächst einmal kein Argument gegen ein nachhaltiges Investment. Ein Unternehmen für den bloßen Firmensitz zu bestrafen, würde den relevanten Verantwortlichkeiten nicht gerecht. Chinesische Unternehmen unterliegen den gleichen Prüfkriterien der ethisch-nachhaltigen Geldanlage wie Firmen aus anderen Herkunftsländern auch. Die jeweiligen Geschäftsaktivitäten sind der korrekte Bezug in der Beurteilung der Investitionseignung.

Gerade in totalitären Staaten wird die Unternehmensanalyse dabei einen besonders kritischen Blick auf etwaige Bezüge zu kontroversen Aktivitäten richten. Im Fall Chinas ist die industrielle Produktion (etwa bei Bauteilen der Solarindustrie) im Kontext von Zwangsarbeit, beziehungsweise generell im Zusammenhang mit Menschenrechtsstandards im Uiguren Gebiet, ein klassisches Beispiel für vertiefte Prüfnotwendigkeiten.

Erhöhte Risiken für ausländische Investoren  

Die institutionelle Kapitalanlage ist Ihre Leidenschaft?

Unsere auch. Abonnieren Sie unseren Newsletter „pbm institutionell“. Wir versorgen Sie jeden Mittwoch mit aktuellen Nachrichten, Personalien und Analysen.

Abschließend muss jeder Anleger selbst bewerten, inwieweit er die erhöhten Risiken, die sich in Ländern mit problematischen Nachhaltigkeits- und Governance-Strukturen ergeben, als hinreichend vergütet einschätzt. Grundsätzlich ist die nachrangige Position, in der sich (speziell ausländische) Minderheitsaktionäre bei staatsdominierten Konzernen befinden, selten attraktiv.

Auch die Informationsdefizite, die sich etwa aus mangelnder Pressefreiheit ergeben, sind ein nicht zu unterschätzender Aspekt, der einen Bewertungsabschlag für ein Unternehmen aus einer entsprechend schwachen Jurisdiktion häufig rechtfertigen wird. 

Blinder Fleck: Technologie-Anbieter

Nicht alle Unternehmen, die Kriterien wie Arbeitsbedingungen und Umweltschutz formal erfüllen und deren Produkte und Dienstleistungen nicht auf den klassischen Ausschlusslisten stehen, sind unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten damit automatisch unproblematisch. Dabei können auch Unternehmen in den Fokus rücken, die gar nicht einmal in China selbst domiziliert sind. 

China nutzt etwa eine Reihe von durch westliche Technologieunternehmen bereitgestellte Lösungen und Dienstleistungen zur Überwachung und Kontrolle seiner Bürger und zum weiteren Ausbau des Überwachungsstaates. Dabei werden Menschen- und Freiheitsrechte systematisch verletzt.

 

 

Einige solcher Technologieanbieter finden sich auch in Produkten und Portfolios, die als nachhaltig gelten. Der Beitrag der betreffenden Unternehmen zur Aufrechterhaltung des chinesischen Systems ist ein Aspekt, den konsequent auf ethisch-nachhaltige Geldanlage verpflichtete Anleger und Vermögensverwalter ganzheitlicher in den Blick nehmen werden, als es mit bloßen nach Länderherkunft klassifizierenden „Listen“ möglich ist. 

Fazit: Glaubwürdigkeit durch konsequentes Handeln

Die konsequente Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien beschränkt das chinesische Anlageuniversum und schließt möglicherweise im Einzelfall auch ökonomisch attraktive Möglichkeiten aus. Den breiten Katalog an schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen von Grundrechten und Freiheiten, wie sie in China zu verzeichnen sind, kann eine ethisch motivierte Anlage bei Länderinvestitionen aber selbstverständlich nicht ignorieren.

Im Eigeninteressen berücksichtigen Investoren darüber hinaus auch bei chinesischen Unternehmen erhöhte Risiken aus Transparenz- und Governance-Defiziten sowie standortspezifischen Nachteilen in der Wahrung von Eigentumsrechten.  

Über den Autor:
Bernhard Matthes leitet seit 2007 das Asset Management der Bank für Kirche und Caritas (BKC) in Paderborn und ist unter anderem verantwortlich für den Stiftungsfonds BKC Treuhand Portfolio. Darüber hinaus betreut er Stiftungen und kirchliche Institutionen im Rahmen von Spezialfonds- und individuellen Vermögensverwaltungsmandaten.
 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen