Die Praxis hat die Theorie eingeholt Cash-Management – Die neue Realität der Unternehmer

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Unternehmen besonders betroffen

Durchschnittlich belaufen sich die Liquiditätsbestände der deutschen Dax-Unternehmen auf rund 5 Milliarden Euro – ausgenommen Deutsche Bank, Allianz und Munich Re. Im M-Dax weist jedes Unternehmen im Schnitt rund 900 Millionen Euro Liquidität in der Bilanz aus1. Hierbei lässt sich ein gewisser positiver Zusammenhang zwischen der Zyklizität des Geschäftsmodells und der Höhe von kurzfristig verfügbarem Kapital feststellen. Dies macht intuitiv Sinn, da mit steigender Konjunktursensitivität auch die Risikovorsorge wachsen sollte.

Dieser Trend hat sich seit dem Jahr 2015, also dem Jahr, in dem die Interbankenzinsen negativ wurden, deutlich beschleunigt (siehe nachfolgende Grafik). Da die Zinsen für eine klassische Tagesgeldanlage mittlerweile jenseits von minus 0,5 Prozent p.a. liegen, sind die Konsequenzen erheblich. Es entstehen Kosten in Millionenhöhe.

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Natürlich besteht die Möglichkeit, das vorherrschende Marktumfeld als gegeben hinzunehmen und erhebliche Summen für die Kosten zu budgetieren, die sich bei der Vorhaltung von Liquidität bei seinen Hausbanken bilden. Dies dürfte jedoch für viele Unternehmer keine praktikable Lösung sein. Unternehmerisches Denken ist insbesondere dadurch geprägt, dass das Eingehen von Risiken adäquat entlohnt wird.

Leiht ein Unternehmen einer Bank in Form einer Termingeldanlage Kapital, gehen damit Kredit- und Zinsänderungsrisiken einher. Außerdem entstehen Opportunitätskosten, da das Kapital für die Dauer der Anlage nicht arbeiten kann. Im aktuellen Marktumfeld lässt sich jedoch stattdessen der Schuldner vom Gläubiger dafür entlohnen Kapital anzunehmen. Verkehrte Welt.

Die naheliegende Alternative wäre wahrscheinlich, die Liquidität in das Unternehmen selbst zu investieren oder in Form von Dividenden an die Anteilseigner auszuschütten. Aufgrund der Erfahrungen seit der globalen Finanzkrise 2008, der Euro-Krise 2011 und nicht zuletzt der Corona-Krise 2020 sind jedoch viele Unternehmen dazu übergegangen, aus Risikomanagementgründen einen substanziellen, wachsenden Bodensatz an frei verfügbaren Mitteln vorzuhalten. Teilweise bedingen auch die jeweiligen Geschäftsmodelle strukturelle Liquiditätsbestände. Was also tun?


Sind eine Erhöhung des Anlagehorizonts und eine Investition in risikoreichere Anlagen unumgänglich? Diese Möglichkeit stellt in der Regel ebenfalls keine Alternative für Unternehmen dar. Die Liquidität muss für den Fall unvorhersehbarer Kosten oder Investitionen idealerweise täglich verfügbar sein. Zudem birgt die naturgemäß höhere Volatilität chancenreicherer Anlageklassen das Risiko, dass der Wert zum Zeitpunkt des Liquiditätsbedarfs deutlich unter dem Einstand liegt. Erhebliche Verluste müssten gegebenenfalls realisiert werden.

Aus unserer Erfahrung in der Beratungspraxis heraus kennen wir die komplexen Herausforderungen institutioneller Investoren, die meist nicht mit standardisierten Produktlösungen zu begegnen sind. Negative Zinsen im Unternehmenskontext zu umgehen, dabei den Anlagehorizont und die Risikotragfähigkeit im Blick zu behalten, erfordert Anlagelösungen, die individuell auf den jeweiligen Anleger zugeschnitten sind. Diese Strategien können eine echte Alternative zur klassischen Tages- und Termingeldanlage, jedoch ohne die damit verbundene, garantierte Negativverzinsung sein.


Über den Autor:
Michael Kreibich ist als Leiter Consultants für die ganzheitliche Beratung institutioneller Investoren bei der Berenberg Bank verantwortlich. Sein Team entwickelt maßgeschneiderte Anlagelösungen für Versicherungen, Versorgungswerken, Unternehmen, Family Offices, sowie Stiftungen und kirchlichen Anlegern.

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