Berater Manfred Mönch im Gespräch „Versorgungswerke wachsen sehr dynamisch“

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Haben die Vertreter der einzelnen Investorenlager vergleichbare Anlagestrukturen oder gibt es auch hier deutliche Unterschiede?

Mönch: Zum einen unterscheiden sich – auch regulierungsbedingt – die Investorengruppen insgesamt sehr deutlich. So haben Lebensversicherer zum Beispiel durchschnittlich eine Aktien- und Immobilienquote von unter 6 Prozent. Versorgungswerke hingegen haben in den letzten Jahren ihre Immobilienquote auf bald 20 Prozent ausgeweitet und sind zu rund einem Sechstel in Aktien investiert. Auch Betriebs-Pensionskassen fahren zweistellige Quoten für Aktien und Immobilien.

Zum anderen ist die Asset Allocation auch innerhalb einer Investorengruppe sehr individuell ausgestaltet. So gibt es auch Lebensversicherer mit zweistelligen Aktien- oder Immobilienquoten. Bei Pensionskassen reicht die Aktienquote je nach Kasse beispielsweise von null bis über 30 Prozent oder bei Versorgungswerken finden sich Immobilienquoten von deutlich unter 10 bis über 30 Prozent.

Großanleger wie Pensionskassen und Lebensversicherungen suchen händeringend nach sogenannten auskömmlichen Erträgen. Welche längerfristigen Trends sind nach der globalen Finanzkrise des vergangenen Jahrzehnts in der institutionellen Kapitalanlage besonders markant?

Mönch: Für praktisch alle Investorengruppen gilt seit einigen Jahren ein anhaltender Trend weg von der Rentendirektanlage hin zu indirekten Anlagen, wobei das nicht an einer aktiven Umschichtung liegt, sondern vielmehr am kontinuierlichen Auslaufen höher verzinslicher Anleihen, die zum aktuellen Zinsniveau nicht entsprechend reinvestiert werden. Während festverzinsliche Direktanlagen vor 15 Jahren bei vielen Kapitalsammelstellen eine beherrschende Stellung eingenommen haben, ist die Quote bei den meisten Investoren in unterschiedlicher Dynamik deutlich gesunken: Bei Versorgungswerken von über 60 auf unter 30 Prozent, bei Betriebs-Pensionskassen von 65 auf etwas mehr als 40 Prozent und bei Lebensversicherern um 10 Prozentpunkte auf gut 50 Prozent. Indirekte Fondsanlagen haben so an Bedeutung gewonnen und sind seit der Finanzkrise um über eine halbe Billion Euro gewachsen.

Welche Anlageklassen übernehmen nun die Rolle des Ertragsgaranten, die noch vor zehn Jahren häufig die Rentendirektanlage innehatte?

Mönch: Das Geld ist zunächst häufig in verschiedene Renten-Sub-Asset-Klassen geflossen. Auch Aktien wurden ausgebaut, wegen der insbesondere in der Finanzkrise erfahrenen Volatilität allerdings zunächst verhalten und sehr individuell. Zahlreiche Investoren haben ihr Vorkrisenniveau nicht wieder erreicht.

Profitieren konnten in den letzten Jahren vor allem Immobilien und Alternatives. Die Immobilienquote hat sich zum Beispiel bei Versorgungswerken in den letzten Jahren auf bald 20 Prozent verdoppelt, inklusive Alternatives ist bei ihnen inzwischen rund ein Drittel in illiquiden Asset-Klassen veranlagt. Auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken investieren zunehmend in den Immobiliensektor, meist über Fonds. Daneben profitierten in den letzten Jahren vor allem auch Alternatives wie Private Equity, Infrastruktur, Erneuerbare Energien oder Debt-Strukturen. Von illiquiden Sachwerten erwarten sich Investoren vor allem kontinuierliche Erträge bei geringer Volatilität.

Zudem besteht ein inzwischen beherzter Trend zur nachhaltigen Veranlagung, oft auch auf Druck der hinter den Investoren stehenden Begünstigten. Während lange Zeit eine qualitative Beschreibung der Bemühungen ausreichte, materialisiert sich das Thema zunehmend in den Portfolien.

Auch wenn die Kurse an den Aktienbörsen in den vergangenen Monaten bereits wieder kräftig gestiegen sind, dürfte der Corona-Crash vom März vielen Anlegern noch in den Knochen stecken. Welche Folgen hat die aktuelle Krise auf die langfristigen Trends in der institutionellen Kapitalanlage?

Mönch: Die schnelle Kurserholung an den Aktienmärkten wurde bereits als „grausamste Rallye der Geschichte“ bezeichnet, da Investoren teilweise ihr Aktien-Exposure auch unter regulatorischen Gesichtspunkten abgesenkt haben, aber aufgrund der schnellen Erholung nicht wieder rechtzeitig in den Markt zurückgekommen sind.

Insgesamt denke ich nicht, dass es nun ein neues „Covid-19-Portfolio“ gibt. Die Krise wirkt sich mit Volatilität an den Aktienmärkten aus. Und sie hat Auswirkungen auf Spreads und Liquidität – letztendlich wie andere Konjunktureinbrüche auch. Ich sehe die größte Folge der Krise in der Manifestierung des Niedrigzinsumfeldes: Covid-19 wird gehen, aber der Niedrigzins für viele Jahre bestehen bleiben. Insbesondere mit Rücksicht auf Länder wie Italien ist angesichts der massiven Neuverschuldung für die nächsten zehn bis 15 Jahre eine markante Zinserhöhung kaum vorstellbar.

Daher sehe ich nicht unbedingt neue Trends, sondern eine Verstärkung bestehender Entwicklungen: Die Rentendirektanlage wird wohl weiter an Bedeutung verlieren. Mit Aktieninvestments werden sich einige Investoren angesichts der wiederum erfahrenen Volatilität schwertun. So wird sich der Trend hin zu Immobilien und Alternatives verstetigen.


Über den Interviewten:
Manfred Mönch ist Gründer und Geschäftsführer der GAC Gesellschaft für Analyse und Consulting mbH in Wolfratshausen bei München. Die detaillierten Reports der GAC als Buch sowie das Online-Tool „InstiPortal“ geben Einblick in Struktur und Entwicklung unterschiedlicher Investorengruppen mit einem Kapitalanlagevolumen von über 3 Billionen Euro und bieten einen systematischen Zugriff auf die individuelle Struktur, Asset Allocation und Performance von über 400 Kapitalsammelstellen. Zuvor arbeitete Mönch bei Privatbanken und Asset Managern. Er hat an der Ludwig-Maximilian-Universität in München Betriebswirtschaftslehre studiert und ist Mitglied der CFA Society Germany.

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