ÄVWL-Chef im Gespräch „Wir übertreffen den Rechnungszins“

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2018 standen in Ihrer Einrichtung 43.500 Mitgliedern 16.609 Rentenbezieher gegenüber. Wann werden Sie mehr Renten auszahlen müssen als Ihnen Beiträge anvertraut werden?

Mosel: Wir nehmen derzeit etwas mehr als 560 Millionen Euro über Beiträge ein und zahlen pro Jahr etwa 480 Millionen Euro an Versorgungsleistungen aus. Diese Relation wird sich vermutlich in zwei bis drei Jahren umkehren. Dies stellt aber bei einer langfristigen Kapitalanlageplanung, so wie sie die ÄVWL verfolgt, kein Problem dar und beeinträchtigt per se auch nicht die Ertragslage. 

Verändern Sie mit dieser Entwicklung die Anlagestruktur?

Mosel: Nicht unbedingt. Einen größeren Einfluss und auch eine größere Bedeutung hat das Verhältnis zwischen prognostizierbaren und nicht prognostizierbaren Erträgen auf unsere Kapitalanlagen. 

Was heißt das fürs Risikomanagement?

Mosel: Die Komposition zwischen standardisierten zinstragenden Anlagen und risikotragenden Assets verschiebt sich. Wir setzen uns mit der Abkehr von reinen Zinsanlagen dem Wagnis aus, dass ein Teil der Anlagen auch mal eine schlechte Phase erlebt. Dies setzt eine hohe Ausstattung mit Risikokapital voraus. Die ÄVWL hat hierfür in den vergangenen Jahren entsprechend vorgesorgt. Ich sehe daher vielmehr ein Risiko darin, zu wenig Anlagerisiken zu nehmen. Denn dann kann man den Rechnungszins nicht mehr halten. Man kann das mit einer zügigen Fahrt auf einer breiten Straße vergleichen. Es geht darum, weder links noch rechts in die Leitplanken zu krachen.

Wo finden Sie als besonders großer institutioneller Investor auch heute noch stabile und konjunkturunabhängige Investments, die auf Ihre Anforderungen zugeschnitten sind?

Mosel: Festverzinsliche Anlagen waren in der Vergangenheit Garant für ausreichende und planbare Erträge. Heute entfallen nur noch rund 30 Prozent unseres Portfolios auf Rentenanlagen. Alternative Investments gewinnen bei uns an Bedeutung. Unsere hohe Alternatives-Quote von über 22 Prozent unterscheidet die ÄVWL von anderen Versorgungswerken. Auf der Darlehensseite vergeben wir dagegen kaum noch Kredite an private Häuslebauer aus unserer Region, wie wir das in der Vergangenheit getan haben.

Halten Sie an der gewerblichen Immobilienfinanzierung fest, so wie viele andere institutionelle Investoren das in der jüngeren Vergangenheit getan haben?

Mosel: Ja, aber es ergibt für uns nur Sinn, eine Immobilienfinanzierung von mehr als 50 Millionen Euro anzubieten. Denn nur oberhalb dieser Schwelle lässt sich der erhebliche Aufwand rechtfertigen, der mit der Darlehensvergabe verbunden ist. Insgesamt spezialisieren wir uns stärker, und die Losgröße des einzelnen Investments ist deutlich gestiegen. Mit dem Wachstum unserer Kapitalanlagen muss auch die Größe der Einzelinvestments wachsen.

Was versprechen Sie sich vom Windpark Nordlicht im Norden Norwegens, den Sie gemeinsam mit Siemens Financial Services errichten?

Mosel: Nordlicht ist die erste direkte Eigenkapitalinvestition der ÄVWL in Onshore-Windenergieanlagen. Wir haben bereits mit dem Offshore-Windpark-Projekt Baltic II Erfahrungen im Bereich Windkraft gesammelt. Nordlicht hat aber ein ganz anderes Niveau, ist viel größer und erzeugt wesentlich mehr Strom.

Ist das Windkraftprojekt Nordlicht, obwohl es auf dem Festland steht, damit auch risikoreicher im Vergleich zum Offshore-Windpark-Projekt Baltic II auf hoher See?

Mosel: Wir haben viel Zeit in das Projekt investiert und wir mussten sehr viele Themen bedenken. Uns war es wichtig, die Vorbehalte der lokalen Bevölkerung auszuräumen. Wir haben in Norwegen mit allen Beteiligten Gespräche geführt. Ich finde, als Geldgeber reicht es nicht aus, nur sein Geld zu investieren. Man muss sich aktiv einbringen. Denn nur auf diese Weise lassen sich Risiken für unser Versorgungswerk ausräumen. Und darauf kommt es an. 


Über den Interviewten:
Christian Mosel ist seit 1. April 2017 Hauptgeschäftsführer der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. Bevor der Diplom-Volkswirt den Posten übernahm, arbeitete er unter anderem für das Bankhaus J. Safra Sarasin und die Dresdner Bank. 

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