Die Frankfurter Währungshüter drücken aufs Tempo: „Der EZB-Rat hat heute beschlossen, die drei Leitzinssätze der EZB um jeweils 75 Basispunkte anzuheben“, heißt es in einer Erklärung der Ratsvertreter von Donnerstag.
Die Entscheidung wurde allgemein mit Spannung erwartet – auch wenn Beobachter bereits im Vorfeld mit einem größeren Zinsschritt gerechnet hatten. Die Frage lautete in erster Linie: Sollen es 50 oder gleich 75 Basispunkte mehr werden?
Jetzt ist es spruchreif: Die EZB-Vertreter haben in die Vollen gegriffen und die Zinsen gleich um 0,75 Prozentpunkte nach oben gesetzt. Damit liegt der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken über einen längeren Zeitraum Geld von der EZB leihen können, nun bei 1,25 Prozent.
Noch nie seit Einführung des Euros sind die Leitzinsen der Währungsgemeinschaft auf einmal so stark angestiegen. Seit März 2016 hatte der Hauptrefinanzierungssatz („der Leitzins“) bei 0 Prozent gelegen, im Juli 2022 folgte eine erste Zinserhöhung auf 0,5 Prozent. Sie betraf gleichzeitig auch den Spitzenrefinanzierungszins und den Einlagenzins. Diese liegen nach dem jüngsten Zinsentscheid nun bei 1,5 Prozent (Spitzenrefinanzierung) und 0,75 Prozent (Einlagen).
Teuerungsrate „deutlich zu hoch“
„Grund für den Beschluss des EZB-Rats ist, dass die Inflation nach wie vor deutlich zu hoch ist und voraussichtlich für längere Zeit über dem Zielwert bleiben wird“, heißt es in der heutigen Erklärung des EZB-Rats. Im August waren die Verbraucherpreise in der Eurozone um 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen.
Die großen Zentralbanken – neben der Fed und der Bank of England auch die EZB – wollen durch höhere Zinsen die entfliehenden Preise wieder einfangen. Der erwünschte Mechanismus: Wenn Kredite teurer werden, wird weniger Geld geliehen – die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen sinkt. Die geringere Nachfrage zähmt wiederum die Preise. Auf lange Sicht peilt die EZB eine Inflationsrate von 2 Prozent an.
Gleichzeitig mit der Zinsanhebung stellte die EZB am Donnerstag weitere Zinsschritte in Aussicht. Diese hängen allerdings an der zukünftigen Preisentwicklung. Die EZB-Vertreter prognostizierten am Donnerstag ebenfalls, wo sie die Teuerungsraten mittelfristig sehen: 2023 werde die Inflation bei 5,5 Prozent liegen, 2024 noch bei 2,1 Prozent. Die nächsten Zinsentscheidungen sollen im Oktober und Dezember fallen.
So geht es bei APP und PEPP weiter
Gleichzeitig informierte der EZB-Rat auch über seine Pläne bei den Anleihekaufprogrammen. Mit diesen wollen die Währungshüter bereits seit der Finanzkrise die europäischen Märkte stützen. In der Erklärung heißt es nun: Die Tilgungsbeträge der Papiere, die im Rahmen des langfristigen APP-Programms und des pandemiebedingten PEPP-Programms erworben wurden, sollen wiederangelegt werden. Einen konkreten Endzeitpunkt dafür stellt die EZB nicht in Aussicht. Zum APP heißt es etwa: „in jedem Fall so lange wie erforderlich, um reichliche Liquidität zu gewährleisten und einen angemessenen geldpolitischen Kurs aufrechtzuerhalten“.
Um die Zinsen innerhalb der Eurozone einheitlich zu halten, behalten sich die EZB-Vertreter zudem vor, ein Transmission Protection Instrument (TPI) auf den Weg zu bringen. Diese Entscheidung ihrer Juli-Sitzung bekräftigen die Vertreter in ihrer Erklärung von Donnerstag. Das TPI berechtigt die EZB, gezielt Anleihen ausgewählter Länder zu kaufen, um Zinsspekulationen vorzubeugen.