Um bis zu 0,75 Prozentpunkte EZB-Ratsmitglieder sprechen sich für großen Zinsschritt aus

Klaas Knot, Chef der niederländischen Zentralbank, auf dem Weg zu einem Termin

Klaas Knot, Chef der niederländischen Zentralbank, auf dem Weg zu einem Termin: Der Notenbanker hält eine EZB-Leitzinserhöhung um weitere 0,75 Prozentpunkte für möglich. Foto: Imago Images / ANP

EZB-Chefin Christine Lagarde war nicht zum Notenbanker-Treffen in US-amerikanische Jackson Hole gereist. In ihrer Abwesenheit brachten mehrere Währungshüter eine Leitzinserhöhung um bis zu 75 Basispunkte für das kommende Ratstreffen am 8. September ins Spiel. Mit Robert Holzmann und Klaas Knot sprechen sich Medienberichten zufolge die Notenbankchefs von Österreich und den Niederlanden für eine deutliche Straffung der Geldpolitik aus. Beide Ökonomen können sich demnach eine Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte vorstellen. „Das Inflationsproblem in Europa ist gegenwärtig so groß, dass ich es für unsere Pflicht halte, die Zinsen alle sechs Wochen zu erhöhen, bis sich die Inflation stabilisiert“, sagte Knot in einem Fernsehinterview.

EZB-Direktorin Schnabel spricht sich für entschlossenes Handeln aus

Finanzprofis halten einen größeren Zinsschritt als im Juli für durchaus realistisch. „Das Risiko, dass sich die von uns prognostizierten Zinserhöhungen der EZB – 50 Basispunkte im September sowie 25 Basispunkte im Oktober und Dezember – als zu niedrig erweisen könnten, ist deutlich gestiegen“, kommentiert etwa Commerzbank-Ökonom Michael Schubert die Notenbank-Konferenz.

Dafür sprechen laut Schubert auch Äußerungen von Isabel Schnabel. Die EZB-Direktorin hatte in ihrer Rede in Jackson Hole gefordert, dass Notenbanken entschlossen gegen die Inflation vorgehen müssten, selbst wenn die Länder dadurch in eine Rezession stürzen könnten. „Je länger die Inflation hoch bleibt, desto größer ist das Risiko, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen in unsere Entschlossenheit und Fähigkeit verliert, Kaufkraft zu bewahren“, wird Schnabel zitiert. Handelten die Zentralbanken zu spät, wären die Folgekosten deutlich höher.

 

Auch der französische Notenbankchef François Villeroy de Galhau und Lettlands Zentralbankchef Martin Kazaks sprachen sich in ihren Reden in Jackson Hole für eine starke Reaktion der EZB aus.  „Wir sollten offen dafür sein, sowohl 50 als auch 75 Basispunkte als mögliche Schritte zu diskutieren“, sagte Kazaks laut Medienberichten einer Nachrichtenagentur.

Flossbach von Storch: Schuldenberge schränken Spielraum der EZB ein

Nicht alle Finanzexperten glauben, dass die EZB tatsächlich Spielraum für starke Zinserhöhungen hat. Christine Lagarde kann nicht, wie sie vielleicht wollen würde, schreibt etwa Journalist Yannick Döller in einem von Flossbach von Storch veröffentlichten Kommentar. Grund seien die kräftig gewachsenen Schuldenberge. „Die Schulden müssen irgendwie bezahlt werden, ohne dass die Schuldner irgendwann unter ihrer Last zusammenbrechen“, so Döller. Das sei nur möglich, wenn die Zinsen vergleichsweise niedrig bleiben.

In der Tat dürften sich die Zentralbankchefs der stark verschuldeten südlichen Euro-Staaten gegen einen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten stellen. Welches Lager sich durchsetzen kann, wird sich am 8. September zeigen.

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