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Interview mit Sonal Desai „Zum US-Dollar gibt es im Moment keine Alternative“

Zuletzt hat sich der US-Dollar von seinem 21-Monatshoch entfernt

Zuletzt hat sich der US-Dollar von seinem 21-Monatshoch entfernt: Wie lange kann der Greenback seinen Status als Weltwährung noch verteidigen? Foto: Imago Images / Panthermedia

Sonal Desai, Franklin Templeton

Frau Desai, inmitten des Ukraine-Konflikts führt Saudi-Arabien offenbar Gespräche mit Peking, um einen Teil seiner Ölverkäufe nach China in Renminbi abzuwickeln. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass der US-Dollar seine Rolle als primäre globale Reservewährung zusehends verliert. Wie denken Sie darüber?

Sonal Desai: Das Einfrieren der Devisenreserven Russlands hat das Land um schätzungsweise 60 Prozent seines Devisenpolsters gebracht. Der unerwartete Schritt hat in manchen Ländern die Frage aufgeworfen, ob diese Maßnahme in Zukunft auch bei geringeren Verstößen gegen sie angewendet werden könnte. Einigen Branchenexperten zufolge könnte das entschiedene Vorgehen der Anti-Putin-Allianz dazu führen, dass sich Länder von ihren auf US-Dollar lautenden Reserven abwenden und der US-Dollar seinen Status als wichtigste globale Reservewährung verliert. Chinas Währung wird als Hauptnutznießer und potenzieller Nachfolger des Greenbacks gesehen.

Die Wahrheit ist jedoch: Es gibt derzeit keine Alternative. Die Vorrangstellung des US-Dollars gründet auf drei Bausteinen, vor allem auf der wichtigen Rolle der USA in der Weltwirtschaft, ihrer soliden Makropolitik und ihren starken Institutionen. Dazu kommt der riesige, liquide und transparente Markt für auf US-Dollar lautende sichere Vermögenswerte.

Dennoch hangeln sich die USA in ihren jährlichen Haushaltsverhandlungen von einem abgewendeten Shutdown zum nächsten. Kann das China nicht besser?

Desai: Chinas Wirtschaft hat beträchtlich an Größe und Stärke gewonnen, aber seine Währung ist nicht frei konvertierbar und der Wechselkurs wird von den chinesischen Währungsbehörden streng kontrolliert. Zudem beschränkt China Investitionen in auf Renminbi lautende Vermögenswerte mit einer Reihe von Auflagen. Der zunehmende Anteil der in Renminbi notierenden und abgewickelten internationalen Handelstransaktionen spiegelt eher bilaterale Vereinbarungen als eine allgemeine Akzeptanz der Währung als Tauschmittel wider.

Was müsste denn Ihrer Meinung nach geschehen, damit Chinas Währung den US-Dollar einhegen könnte?

Desai: Um die Vereinigten Staaten als Emittent der Weltwährung abzulösen, müsste China den Renminbi vollständig konvertierbar machen, was allerdings eine umfassende Liberalisierung seines Finanzsystems und seiner Wirtschaft erfordern würde. Doch das Gegenteil passiert: In den vergangenen Jahren haben Chinas politische Entscheidungsträger ihre Kontrolle über die Wirtschaft wieder verschärft. Natürlich dürfte es einigen Ländern unangenehm sein, einen erheblichen Teil ihrer Devisenreserven in US-Dollar zu halten. Im Moment gibt es aber wie gesagt keine Alternative.

Zukünftig könnte aber mehr Bewegung in die sich abzeichnenden tektonischen Verschiebungen in der Weltwirtschaft kommen. Zweifellos gewinnt Asien aufgrund ökonomischer und demografischer Faktoren weltweit immer mehr an Einfluss, oder?

Desai: Zunächst dürften wir wahrscheinlich einen weiteren Rückzug aus der Globalisierung erleben, diesmal allerdings auf der finanziellen Seite. Die Globalisierung des Handels wurde bereits durch protektionistische Schranken, bilaterale Abkommen und den wachsenden Wunsch nach Autarkie bei wichtigen Produktionskapazitäten zurückgedrängt. In dem Maße, in dem einige Länder nun versuchen könnten, unabhängiger vom US-Dollar oder vom SWIFT-Zahlungssystem zu werden und sich möglicherweise dem konkurrierenden grenzüberschreitenden Interbankenzahlungssystem (Cross-Border Interbank Payment System, CIPS; Anm. d. Red.) Chinas zuwenden, werden wir eine weitere Fragmentierung des globalen Finanzsystems erleben.

Welche Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Energiepolitik sind zu erwarten?

Desai: Die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich haben ein Einfuhrverbot für russisches Öl angekündigt, das allerdings nur etwa 8 Prozent ihrer gesamten Ölimporte ausmacht. Die Europäische Union, die 40 Prozent ihres gesamten Gasverbrauchs mit russischem Gas bestreitet, strebt eine Reduzierung um zwei Drittel im Laufe des Jahres 2022 an. Deutschland steht dabei vor besonderen Herausforderungen: Das Land bezieht zwei Drittel seines Gasbedarfs aus Russland.

Mehr erneuerbare Energien würden helfen – und der europäische Plan sieht einen beschleunigten Ausbau von Wind- und Sonnenenergie vor. Aber das wird nicht ausreichen, zumindest nicht, solange es keine größeren technologischen Fortschritte gibt, gerade im Hinblick auf die alles entscheidenden Energiespeicherkapazitäten. Vor diesem Hintergrund dürften einige westliche Länder nun auch ihre Haltung gegenüber der Kernkraft und fossilen Brennstoffen überdenken.

Die Europäische Kommission winkt Atom- und Gaskraft bereits als „grün“ durch…

Desai: Im Vereinigten Königreich setzten sich einige Minister dafür ein, Fracking wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Auch in Kontinentaleuropa, das über bedeutende Schiefergasvorkommen verfügt, könnte der Widerstand gegen Fracking schwächer werden, sofern die Energiekosten sehr hoch bleiben. Die US-Regierung ist nach wie vor gegen eine Ausweitung der heimischen Öl- und Gasförderung. Sie ermutigt stattdessen andere Erdöl exportierende Länder, ihre Produktion zu steigern. Auch wenn sich die westlichen Regierungen weiterhin für erneuerbare Energien einsetzen, stehen sie nun vor schwierigen Entscheidungen in Bezug auf ihre Strategien zur Energiewende.

Letzte Frage: Mitte März hat die US-Notenbank angesichts einer hohen Inflation mit ihrer angekündigten restriktiveren Geldpolitik ernst gemacht und erstmals seit 2018 die Zinsen erhöht. Was bedeutet dieser Politikwechsel mittel- bis langfristig für die US-Währung?

Desai: Der Überfall Russlands auf die Ukraine ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Rückzug aus der Globalisierung und verschärft den harten wirtschaftlichen Realitätscheck, mit dem sich die politischen Entscheidungsträger rund um die Welt konfrontiert sehen. Die Probleme in den Versorgungsketten halten an, die Inflation steigt weiter und die Energiewende ist mit schwierigen Kompromissen verbunden. Nach mehr als einem Jahrzehnt außerordentlich lockerer Geldpolitik lassen sich Schockereignisse nicht mehr mit weiteren fiskalischen und geldpolitischen Expansionsmaßnahmen bewältigen. Das dürfte den US-Dollar letztlich eher stärken: Eine weitere Abkehr von einer soliden US-Makropolitik wäre das Einzige, was die globale Dominanz des US-Dollars gefährden könnte.

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