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Unterschätzter Preisauftrieb „Wir erwarten höhere Inflation über einen längeren Zeitraum“

David Riley

David Riley: Trotz hoher Bewertungen sieht der Bluebay-Experte bei Unternehmensanleihen keine Übertreibungen. Foto: BlueBay Asset Management

Mr. Riley, die gestiegene Inflation ist weiter ein großes Thema unter den Marktteilnehmern. Viele gehen aber von einem temporären Phänomen aus. Wie schätzen Sie die Lage ein?

David Riley: Die Inflationsraten waren zuletzt in der Tat höher als von vielen Beobachtern erwartet. Das hat der Diskussion darüber neuen Auftrieb verliehen, wie hoch sie steigen und wie lange sie auf erhöhtem Niveau verbleiben werden. Zur Erinnerung: In der Eurozone und dem Vereinigten Königreich liegt die Inflationsrate aktuell bei über 4 Prozent. In den USA signalisieren die jüngsten Zahlen sogar eine Teuerung von 6,2 Prozent – das ist so viel wie seit 1990 nicht mehr. Der Hauptgrund: Wegen der umfangreichen staatlichen Transferleistungen während der Corona-Pandemie ist das Ungleichgewicht zwischen hoher Nachfrage und beschränktem Angebot in den Vereinigten Staaten größer. Außerdem sorgen in einigen Branchen Lohnsteigerungen für steigende Preise, zum Beispiel im Gastgewerbe.

Wie Sie sagten, gehen viele Marktteilnehmer und auch die US-Notenbank davon aus, dass die Angebotsengpässe kleiner werden und die Inflation im kommenden Jahr deutlich fallen wird. Im Konsens rechnen die Marktteilnehmer für Ende 2022 mit gerade einmal 2,6 Prozent. Das läge nur knapp über dem langfristigen Inflationsziel der Fed von 2 Prozent.

Sie klingen, als würden Sie diese Inflationsprognose nicht teilen?

Riley: Aus meiner Sicht dürften die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage sowie die Knappheit am Arbeitsmarkt länger anhalten, als viele erwarten. Zumal auch noch die steigenden Energie- und Hauspreise die Teuerung anheizen. Mein Team und ich gehen daher davon aus, dass die Inflation über einen längeren Zeitraum erhöht bleiben wird.

Was man dabei auch nicht vergessen darf: Steigende Inflationsraten können ein sich selbst verstärkender Prozess werden. Eine Inflation von rund 2 Prozent bemerken Haushalte und Unternehmen kaum, 4 oder sogar 6 Prozent aber sehr wohl. Wenn sie dann ihre Erwartungen und ihr Verhalten ändern, kann das wiederum die Teuerung anheizen.

Eine Herausforderung für die Währungshüter…

Riley: Durchaus. Die Fed könnte irgendwann gezwungen sein, geldpolitisch stärker auf die Bremse zu treten als erwartet. Ohnehin scheint es möglich, dass der Zinsanstieg der Fed früher kommen wird als von den Marktteilnehmern prognostiziert. Das ist nicht unser Basisszenario, aber auch nicht ausgeschlossen.

Wie wirkt sich das aktuelle Umfeld auf die Anleiherenditen aus?

Riley: Hier sehen wir aktuell eine interessante Entwicklung: Zwar ist die Inflation gestiegen, die nominalen Renditen haben sich aber kaum verändert. In Summe sind die Realrenditen also gefallen. Dafür gibt es fundamentale Gründe. Im Markt ist viel Liquidität und die Haushalte verfügen über hohe Ersparnisse. Auf die eine oder andere Weise finden diese Gelder ihren Weg in den Kapitalmarkt, auch in als sicher geltende Anlagen wie Anleihen. Das drückt die Renditen am langen Ende.

Ist hier eine Trendwende in Sicht?

Riley: Ich gehe davon aus, dass die Ersparnisse im kommenden Jahr geringer werden. Außerdem dürften die Unternehmen ihre hohen Cashbestände für Investitionen nutzen. Ich rechne daher damit, dass die Zinsen sowohl nominal als auch real steigen werden. Das könnte Gegenwind für Risikoanlagen bedeuten. Negative Realzinsen stützen vor allem Wachstumsaktien, verstärken aber auch die Jagd nach Rendite im Anleihebereich. Deshalb sind unter anderem die Zinsaufschläge für Unternehmensanleihen gesunken.

Sie sehen also bei Unternehmensanleihen keine Übertreibungen?

Riley: Nein. Die außerordentlich niedrigen Renditen bei Staatsanleihen drücken auch in anderen Anleihesegmenten die Renditen und treiben damit die Bewertungen. Das gilt ebenso für Unternehmensanleihen. Aber auch die Fundamentaldaten der Unternehmen haben sich verbessert und sind sogar überraschend gut. Die Verschuldung ist wieder auf dem Stand von vor Corona und die Gewinne haben sich erholt. Der Trend bei den Ratings ist positiv, es gibt mehr Hoch- als Herabstufungen und das Ausfallrisiko ist gering. Im historischen Vergleich sind Unternehmensanleihen wie die meisten anderen Assets hoch bewertet; aber angesichts der Rahmenbedingungen nicht unangemessen hoch. Insgesamt können Unternehmensanleihen eine interessante Ertragsquelle sein.

In Europa sind bonitätsstarke Unternehmensanleihen in den vergangenen Wochen sogar etwas günstiger geworden. Die Zinsaufschläge im Investment-Grade-Bereich liegen bei rund 100 Basispunkten und damit so hoch wie noch nie in diesem Jahr. Im Hochzinssegment sind sie seit vergangenem Dezember um etwa 50 auf 350 Basispunkte gestiegen. Damit sind sie höher als in den USA, trotz einer besseren Kreditqualität. Ich denke nicht, dass die Spread-Ausweitung auf einer Neubewertung der Markt- oder Kreditrisiken basiert. Vielmehr dürften technische Faktoren ausschlaggebend gewesen sein. Zum Beispiel das Angebot, dass nach dem Sommer wieder deutlich gestiegen ist.

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