Barmittel als Problem Cash-Positionen könnten institutionellen Anlegern 10 bis 30 Prozent kosten

Chris Bowie von Twentyfour Asset Management

Chris Bowie von Twentyfour Asset Management: „Die Opportunitätskosten für das Festhalten an Barmitteln sind aktuell tatsächlich wohl sehr hoch.“ Foto: TwentyFour Asset Management

Die letzten zwei Jahre waren für Anleger in festverzinslichen Wertpapieren relativ brutal. Aggressive kurzfristige Zinserhöhungen haben die Gesamtrenditen in allen festverzinslichen Sektoren des Anleihenmarktes zunichtegemacht. Staats- und Unternehmensanleihen erlitten so erhebliche Verluste wie seit langem nicht mehr.

Daher ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass sich viele professionelle Anleger Barmitteln und barmittelähnlichen Werten, insbesondere staatliche Schuldverschreibungen, zugewandt haben, um das Kapital ihrer Kunden zu schützen. Aus Kundengesprächen wissen wir, dass bis zu 40 Prozent in Kundenportfolios aus barmittelähnlichen Anlagen mit drei- bis sechsmonatigen Laufzeiten aufgebaut haben.

Zum Kapitalschutz war diese Maßnahme absolut sinnvoll. Aber ist sie es jetzt immer noch, wenn wir den Endzinssatz erreichen? Die Opportunitätskosten, die sich daraus ergeben, dass praktisch keine Duration und damit keine Chance auf künftige Kursgewinne besteht, während gleichzeitig auf zusätzliche Rendite (Carry) verzichtet wird, haben sich inzwischen weit in eine ungünstige Richtung verschoben. Ein Festhalten an Barmitteln könnten den Kunden in den nächsten drei Jahren deshalb einen Bärendienst erweisen.

 

Da ist zum einen die Zinsentwicklung: In den USA und Großbritannien haben wir scheinbar den Endzinssatz erreicht. Die vom Markt implizierten kurzfristigen Zinssätze für die nächsten drei Jahre zeigen, dass die Zinssätze für Barmittel im nächsten Jahr und in noch höherem Maße im Jahr 2025 sinken werden. Das bedeutet, dass die Erträge für Treasury Bills (T-Bills) weniger gut sein werden als sie es derzeit sind. Denn: Da sie quasi keine Laufzeit haben, generieren T-Bills im Gegensatz zu festverzinslichen Krediten keine Kursgewinne, wenn die Zinssätze fallen.

Festverzinsliche Anleihen – ob kurz-, mittel- oder langfristig – bieten dagegen nicht nur deutlich höhere Erträge als T-Bills, sondern auch das Potenzial für Kursgewinne, da diese Renditerückgänge mit der Laufzeit multipliziert werden, um die Gesamtrendite zu erhöhen.

Beimischung von Kreditrisiko erhöht Gesamtrendite

Die nachstehende Tabelle zeigt auf Grundlage der implizierten Zinssätze von Bloomberg, dass die erwartete Gesamtrendite von T-Bills über den gesamten Zeitraum, für den die implizierten Zinssätze verfügbar sind (insgesamt vier Jahre), bei 19,35 Prozent beziehungsweise 4,52 Prozent auf Jahresbasis liegt. Das ist eine nette Rendite für ein ziemlich geringes Risiko.

Dagegen würde die Umstellung auf ein geringes Kreditrisiko mit einem kurzlaufenden Investment-Grade-Portfolio (IG) mit geringer und konstant bleibender Duration die Gesamtrendite um mehr als acht Prozentpunkte steigern. Dadurch würde die Gesamtrendite auf 27,9 Prozent, beziehungsweise auf knapp unter 6,5 Prozent auf Jahresbasis steigen und läge damit jährlich circa einen Prozentpunkt höher als die Rendite von T-Bills.

Wenn ein etwas höheres Kreditrisiko verkraftet werden kann, dann könnte ein Portfolio mit allen Laufzeiten, das sowohl IG- als auch Hochzinsanleihen (HY) – wiederum mit einer statischen Duration – umfasst, die Investment-Grade-Anleihen mit kurzer Laufzeit um weitere 20 Prozentpunkte übertreffen und die Gesamtrendite in den nächsten vier Jahren auf unglaubliche 46,61 Prozent steigern. Auf Jahresbasis sind das 9,47 Prozent und damit vier Prozentpunkte mehr pro Jahr als bei T-Bills. Wenn auch, wie bereits angedeutet, mit höherem Kreditrisiko.

Tabelle 1: Marktimplizierter Leitzins und geschätzte Gesamterträge aus zwei verschiedenen Kreditindizes mit unterschiedlichen Anfangsrenditen und Laufzeiten (Performance-Modellierung)

Implizite T-Bill-Renditen unter Verwendung von marktimpliziten Raten von Bloomberg

Bildunterschrift © TwentyFour, ICE Indices, Bloomberg

Der beträchtliche Renditeunterschied zwischen diesen drei Optionen nimmt im Laufe der Zeit weiter zu, da die Renditen von T-Bills in diesem Zeitraum zwar sinken, aber nur geringe oder gar keine Kursgewinne erzielen, während festverzinsliche Kredite von einer höheren Anfangsrendite profitieren, die sich dann vervielfacht, wenn die sinkenden Renditen beginnen, zusätzlich Kursgewinne zu generieren. Dies wird in Abbildung 1 verdeutlicht, aus der hervorgeht, dass sich der Abstand zwischen den einzelnen Optionen im Laufe der Zeit vergrößert, wenn wir uns letztlich in Richtung einer Zinssenkung bewegen.

Grafik 1: Kumulierte Renditen aus den drei Beispielen (Performance-Modellierung)

TwentyFour, ICE Indices, Bloomberg
Modellierte Wertentwicklung ist kein zuverlässiger Indikator für die aktuelle oder zukünftige Wertentwicklung. Nur zu Illustrationszwecken. Modellierte Wertentwicklung hat inhärente Einschränkungen und man sollte die Einschränkungen des angewandten Modells berücksichtigen., für weitere Details siehe den Abschnitt Wichtige Informationen. Methodik: basiert auf der Erstellung einer Anleihe, die die gleichen Merkmale wie der jeweilige ICE-Index in Bezug auf Rendite, Laufzeit und Zeit bis zur Fälligkeit aufweist, und der Analyse dieser Proxy-Anleihe über das 'Total Return Analysis'-Werkzeug von Bloomberg. Es ist nicht möglich, direkt in einen Index zu investieren und sie werden nicht aktiv gemanagt. Hinweis: Kein Kunde des Beraters hat die hierin bereitgestellte Wertentwicklung erreicht, noch sollte daraus geschlossen werden, dass ein Portfolio sich so verhalten wird, wie dargestellt

Die möglichen Opportunitätskosten für das Festhalten an Barmitteln oder T-Bills sind offenkundig hoch. Wie hoch aber ist das Risiko, dass wir die Spitzenwerte bei den Zinssätzen noch nicht erreicht haben und es noch schmerzhafter wird?

Hohe Anfangsrendite als Puffer

Abgesehen davon, dass die vom Markt implizierten Zinssätze darauf hindeuten, dass wir am Höhepunkt des Zinserhöhungszyklus angelangt sind, und die Äußerungen der Zentralbanken dies ebenfalls bestätigen, weisen interessante statistische Daten auch darauf hin, dass die negativen Auswirkungen eines Kaufs von Wertpapieren mit einer gewissen Duration zum jetzigen Zeitpunkt in der Tat deutlich geringer sind. Dies ist der zweite Grund, warum es meiner Ansicht nach an der Zeit ist, sich von Barmitteln zu lösen.

Grafik 2: Anfangsrendite versus 3-Jahres-Gesamtrendite, ein- bis dreijähriger marktbreiter Index in US-Dollar. 

Indexeinführungsjahr 1996. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Nur zur Veranschaulichung. Direkte Investitionen in einen Index sind nicht möglich und Indizes werden nicht aktiv verwaltet. © TwentyFour, ICE/BAML

Wie zu sehen ist, sagt die heutige Anfangsrendite für diesen ein- bis dreijährigen marktbreiten Index starke Renditen für die nächsten drei Jahre voraus (mit einem R2 von 0,8781). Andererseits wird deutlich, wie ungewöhnlich hoch der gelbe Punkt, der für den heutigen Anfangsrenditen steht, im Vergleich zum gesamten Indexverlauf liegt – er liegt sehr nahe am rechten Rand der Grafik. In Perzentilen ausgedrückt liegt die aktuelle Rendite im 87. Perzentil. Das bedeutet, dass seit Bestehen des Index die Renditen in nur 13 Prozent der Zeit höher lagen. 

Und das Risiko? Betrachtet man die Ansammlung von Punkten in der Nähe des gelben Punktes, so zeigt sich, dass annualisierte Renditen von unter 5 Prozent bei derart hohen Anfangsrenditen noch nie beobachtet wurden. Bei einer so hohen Anfangsrendite und den unserer Meinung nach nun realistischen Aussichten auf beträchtliche Kursgewinne in den nächsten Jahren sind die Opportunitätskosten eines Festhaltens an Barmitteln hoch.

 

Selbst unter Berücksichtigung des Ausfallzyklus und der Duration, kann mit kurzlaufenden Investment-Grade-Anlagen potenziell mehr herausgeholt werden, da der Carry höher ist als bei T-Bills und die geringe Duration von kurzlaufenden Investment-Grade-Anlagen diese Renditen in den folgenden drei Jahren weiter steigern kann.

Mit ein wenig mehr Kreditrisiko und etwas mehr Duration, kann mit einem Fonds, der sowohl in Investment-Grade- als auch in High-Yield-Anlagen mit einer Duration im Bereich von 4,5 Jahren investiert, eine Zusatzrendite von 24 Prozentpunkten (Fünf Prozentpunkte mehr Rendite pro Jahr) gegenüber T-Bills erzielt werden. Folglich können wir zum ersten Mal in zwei Jahren mit Überzeugung sagen: Die Opportunitätskosten für das Festhalten an Barmitteln sind aktuell tatsächlich wohl sehr hoch.


Über den Interviewten:

Chris Bowie ist Partner bei Twentyfour Asset Management. Die Boutique gehört zu Vontobel. Bowie ist im Portfoliomanagement von Twentyfour Asset Management tätig.

 

 

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