Bonds aus den Emerging Markets Schwellenländer und was ihr geldpolitischer Vorsprung bedeutet

Der Strand in Rio de Janeiro

Der Strand in Rio de Janeiro: Staatsanleihen in Schwellenländern wie Brasilien haben aktuell rosige Aussichten. Foto: Imago Images / Fotoarena

Vor etwas über drei Jahren galten Schwellenländer als Zinswüste. Der Niedrigzins erreichte immer mehr Schwellenländer. Und das führte dazu, dass die traditionell ergiebigeren, weil risikoreicheren Zinsquellen in den aufstrebenden Volkswirtschaften nach und nach austrockneten. Damals errechnete sich für brasilianische Staatsanleihen in Lokalwährung mit einer effektiven Duration von 3,0 eine Rendite von gerade einmal  4,2 Prozent  – eine veritable Zinswüste.

Ziemlich genau drei Jahre später, im Sommer 2023, hat sich die Situation komplett verändert: Bei einer Duration von 2,4 Prozent liegt die Rendite bei brasilianischen Staatsanleihen mittlerweile bei 10,3 Prozent. Zwischen 10,3 und 4,2 Prozent brasilianischer Rendite liegen zwar gerade einmal 36 Monate, gleichwohl aber eine Menge bedeutender Einschnitte für die Schwellenländer und ihre Anleihenmärkte.

Inflation zog früher an als in Industrieländern 

Denn da, wo sich vor drei Jahren noch die Zinswüste breit machte, fluteten die Notenbanken die Volkswirtschaft schnell wieder mit höheren Zinssätzen: In Brasilien etwa holte die Zentralbank im März 2021 den Leitzins aus seinem Allzeittief – und erhöhte ihn damit nach sechs Jahren das erste Mal wieder auf 2,75 Prozent. „Da die Inflation früher anzog als in den Industrieländern, begannen die meisten aufstrebenden Volkswirtschaften bereits 2021 mit einer sehr aggressiven geldpolitischen Straffung“, bestätigt auch Gabriele Foà, Portfoliomanager bei Algebris Investments. Damit waren sie den Kolleginnen und Kollegen von der Fed ein gutes Jahr voraus – und die Zinswüste war schon wieder Geschichte.

Die dann später einsetzende Zinswende in den Vereinigten Staaten setzte vielen Schwellenländern auf der Kursseite zu: Plötzlich waren die US-Schuldtitel wieder eine Alternative – und die eigenen in US-Dollar emittierten Anleihen ob der Stärke der Währung plötzlich teurer. „Zudem gab es makroökonomischen Gegenwind durch die pandemiebedingte Wachstumsabschwächung in China und den Ukraine-Krieg“, erinnert Emanuele Del Monte, Senior Portfolio Manager bei Eurizon. Eine für die Schwellenländer wenig überzeugende Gemengelage, die sich aber zumindest jüngst etwas auflockerte.

„Das Tempo der Teuerung in den aufstrebenden Märkten beginnt sich allmählich zu verlangsamen“, kommentiert Del Monte – im schon angeführten Brasilien sank die Inflationsrate gar auf ein Drei-Jahres-Tief. Auch im Vergleich zu den Industrieländern sind die Schwellenländer-Inflationsraten schon wieder kräftig gesunken, erstmals seit 20 Jahren ist etwa die durchschnittliche Teuerungsrate niedriger als die Teuerungsrate im Vereinigten Königreich – allerdings dank freundlicher Mithilfe Chinas, wo die Inflationsrate jüngst um den Nullpunkt herumdümpelte. 

Zinsstraffung half bei Inflationsbekämpfung 

So oder so half bei der Inflationsbekämpfung in den aufstrebenden Volkswirtschaften zum einen der schon länger laufende Zinsstraffungszyklus, zum anderen hielten sich die örtlichen Zentralbanken auch beim Anleihenkauf eher zurück. Ganz anders als die Fed oder die Europäische Zentralbank, die an den Anleihenmärkten ordentlich zugelangt hatten. Der geldpolitische Vorsprung trug auch dazu bei, dass gerade das zweite Quartal 2023 für Investoren von Schwellenländer-Anleihen durchaus zufriedenstellend verlief.

 „Die positive Entwicklung der Emerging-Markets-Anleihen war unserer Ansicht nach vor dem Hintergrund steigender US-Staatsanleihenrenditen und schwacher Investitionsströme noch beeindruckender“, erklärt Marco Ruijer, Portfoliomanager im Schwellenländer-Debt-Team von William Blair. 

Geldpolitischer Vorsprung

Ruijer erwartet nun sinkende Spreads bei Hochzins- und Investment-Grade-Anleihen und ergänzt: „Obwohl wir weiterhin Spielraum für eine fundamentale Differenzierung sehen und Länder mit einem leichteren Zugang zu multilateralen und bilateralen Finanzierungen bevorzugen.“ Auch die geldpolitische Situation wird in den Schwellenländern nun weiter Thema bleiben.

Denn: Die Notenbanken in den aufstrebenden Volkswirtschaften dämmen die Zinsfluten schon wieder ein. Sie haben meist – im Gegensatz zu den Kollegen aus den USA und Europa – etwas Spielraum bei der Zinssteuerung, um einer möglicherweise schwächeren Konjunktur entgegenzuwirken. In Brasilien etwa stand die umgekehrte Zinswende schon länger fest auf der Agenda der Notenbanker.

Seit August 2022 hielt die Banco Central do Brasil den Leitzins bei der Marke von 13,75 Prozent, ein Jahr später startete die Kehrtwende – der Leitzins sank erstmals wieder. Entsprechende Zinsschritte kämen den Anleihen in Lokalwährungen zugute, argumentiert Foà von Algebris, der weitere Kurssteigerungen für möglich hält: „Zu dieser Einschätzung trägt auch die Währungskomponente bei, die aus unserer Sicht förderlich für die Wertentwicklung sein könnte.“

Der Dollar spielte aus Sicht der Schwellenländer-Investoren mit: Seit Herbst 2022 hat sich sein Wert wieder deutlich abgeschwächt. Der Melange aus aktuell hohen Zinsen und der Aussicht auf weitere Kursgewinne steht aber in absehbarer Zeit dann wieder das entgegen, was Schwellenländer nun mal auch auszeichnet: wackelige Volkswirtschaften und weiche Währungen. 

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