Homeoffice meist unmöglich Chancen bei Healthcare- und Life-Science-Immobilien

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Homeoffice meist unmöglich
Chancen bei Healthcare- und Life-Science-Immobilien
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Berthold Becker

Berthold Becker: „Hochbetagte Menschen ab 85 Jahren bilden hierzulande inzwischen infolge weiter zunehmender Lebenserwartung prozentual die am stärksten wachsende Altersgruppe.“ Foto: TSC Real Estate Germany

Gleich mehrere Faktoren sorgen bei Investoren für zunehmendes Interesse an Healthcare- und Life-Science-Immobilien. Neben der alternden Bevölkerung sind sich stetig verändernde Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, einhergehend mit einer Konzentration an bestimmten Krankheitsbildern und gleichzeitig einem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein, stabile Nachfragetreiber. Nicht zuletzt infolge der Corona-Pandemie sehen wir anhaltend starke Mittelzuflüsse in diese beiden Immobiliensegmente, die der Gewährleistung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung im weiteren Sinne dienen. Hinzu kommt die zunehmende Bedeutung von Maßnahmen zur Pflege, Vorsorge und Prävention, welche ebenso einen stetig steigenden Flächenbedarf nach sich ziehen.

Klar ist: Im Gefolge der Corona-Pandemie ist der Immobilienbereich aus der Nische herausgewachsen. Das gilt insbesondere für einige Märkte in Westeuropa, allen voran Deutschland, die Niederlande, Belgien, Dänemark sowie auch Italien und Spanien. Diese Märkte verzeichnen im Bereich Life-Science-Immobilien im Vergleich zu den USA sowie Großbritannien und Frankreich, einen deutlichen Aufholprozess.

Die fundamentalen Impulsgeber für die Entwicklung der Branche sind intakt und haben im Nachgang der Pandemie noch an Bedeutung gewonnen. Dazu zählen neben dem Megatreiber demografischer Wandel und dem damit einhergehenden Bedarf an funktioneller Gesundheits- und Pflegeinfrastruktur, Themen wie Prävention und Pandemiemanagement. Relevanter Treiber ist zudem der Klimawandel und daraus resultierend der Verlust der Biodiversität und die Knappheit natürlicher Ressourcen sowie nicht zuletzt die Frage, wie im Jahr 2050 rund zehn Milliarden Menschen klima- und ressourcenschonend ernährt werden können. All das erfordert nicht nur Flächen zur Anwendung, sondern bringt auch einen stark steigenden Bedarf an Flächen für Forschung und Entwicklung in den entsprechenden Bereichen mit sich.

Der demografische Wandel und die damit verbundene Alterung der Bevölkerung sind bereits seit Jahren als gesellschaftliche Herausforderung anerkannt. Hinzu kommt ein weiterer Teilaspekt dieses umfassenden und langfristigen Wandels: Hochbetagte Menschen ab 85 Jahren bilden hierzulande inzwischen infolge weiter zunehmender Lebenserwartung prozentual die am stärksten wachsende Altersgruppe, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen. In den zwei Jahrzehnten bis 2021 hat sich ihre Zahl von knapp 1,2 Millionen auf 2,6 Millionen mehr als verdoppelt. Im selben Zeitraum stieg der Anteil der ab 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung von 15 auf 22 Prozent.

 

 

 

Hinzu kommt, dass im fortgeschrittenen Lebensalter die jährlichen Gesundheitsausgaben je Einwohner nach oben schnellen, von rund 6.000 Euro in der Gruppe der 65- bis 84-Jährigen auf das Doppelte in der Gruppe der Hochbetagten, die 85 Jahre alt oder älter sind, laut Angaben der „Gesundheitsberichterstattung des Bundes“. Der langfristig intakte demografische Trend zeichnet sich zudem nachfrageseitig durch eine geringe Korrelation mit wirtschaftlichen Zyklen aus, was risikoadjustierte Renditen ermöglicht.

Lebenserwartung und Wertewandel

Die zunehmende Lebenserwartung im Zusammenspiel mit dem Wertewandel in Richtung mehr Nachhaltigkeit führt auch zu veränderten Ernährungsgewohnheiten und einem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein vieler Verbraucher. Das schlägt sich sowohl in den Wachstumsraten der Märkte für Health-Nutrition als auch für qualitativ hochwertige und ressourcenschonend produzierte Lebensmittel nieder.

 

 

Bis zum Ende des Jahrzehnts soll der weltweite Markt für Health-Nutrition ein Volumen von rund 70 Milliarden US-Dollar erreichen, was nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Data M Intelligence einer jährlichen Wachstumsrate von 6,4 Prozent entspricht. Der Absatz nachhaltig und ressourcenschonend hergestellter Lebensmittel – häufig bilden innovative und forschungsintensive Herstellungsverfahren die Grundlage – hat sich im vergangenen Jahrzehnt mehr als verdoppelt und erreicht mittlerweile rund 15,3 Milliarden Euro.

Größtes EU-Gesundheitsprogramm angelaufen

Entsprechend wird der Healthcare- und Life-Science-Sektor von Kapitalzuflüssen in Forschung und Entwicklung gefördert, sowohl von forschenden und produzierenden Unternehmen als auch von der öffentlichen Hand, welche die strategische Bedeutung der Biotech- und Pharmaindustrie spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie erkannt hat. Auch aus geopolitischer Sicht wächst zudem die Erkenntnis, dass Schlüsselbranchen nicht vollständig ins Ausland verlagert werden sollten, was diese Entwicklung zusätzlich befeuert. So hat beispielsweise das von der EU-Kommission für die Jahre 2021 bis 2027 beschlossene Programm EU 4 Health ein Budget von 9,4 Milliarden Euro und ist damit größer als alle anderen EU-Gesundheitsprogramme zuvor. Die Kommission verfolgt damit das Ziel, die Gesundheitssysteme nach der Covid-19-Pandemie krisenfester zu machen.

Hinzu kommen massive Kapitalzuflüsse als Venture Capital und Private Equity, die der Entwicklung eine starke zusätzliche Dynamik und Wirtschaftskraft verleihen. Weltweit stieg das Investitionsvolumen privaten Kapitals im Bereich Life-Science im Jahr 2021 verglichen mit dem Vorjahreswert um circa 43 Prozent auf rund 803 Milliarden Euro. Davon entfielen rund 35,1 Milliarden Euro auf Deutschland und etwa 91 Milliarden Euro auf Kernländer der EU.

Mittlerweile ist jeder achte Erwerbstätige im Gesundheitssektor beschäftigt

Was aus immobilienwirtschaftlicher Sicht dabei von Bedeutung ist, sind die Produktionsbedingungen. Anders als in vielen anderen Branchen, deren Beschäftigte infolge der Corona-Pandemie ihre Tätigkeit teilweise oder sogar zur Gänze ins Homeoffice verlagert haben, ist diese Option im Healthcare- und Life-Science-Sektor nur in einem viel geringeren Ausmaß möglich. Die Arbeit in Laboren, Untersuchungen in Gesundheits- und medizinischen Versorgungszentren, Operationen – sei es ambulant oder stationär – sowie therapeutische Anwendungen in Reha- und Therapiekliniken setzen Vor-Ort Präsenz und eine entsprechende Gebäudeinfrastruktur voraus.

 

 

 

Hinzu kommt: Die Gesundheitswirtschaft ist personalintensiv und ein Beschäftigungsmotor. Die Beschäftigtenzahlen im Gesundheitswesen in Deutschland sind im Jahrzehnt bis 2021 in der eng gefassten Definition der medizinischen Versorgung um 800.000 gestiegen. Damit ist heute jeder achte Erwerbstätige hierzulande diesem Sektor zuzurechnen. Noch dynamischer sind die Wachstumsraten in Deutschlands Biotechbranche: Mehr als 770 Unternehmen beschäftigten 2022 rund 44.500 Mitarbeiter, ein Anstieg um 16 Prozent verglichen mit 2019. Die Umsätze der Branche kletterten auf das Rekordvolumen von 26,3 Milliarden Euro – ein Plus von 279 Prozent verglichen mit 2019.

Dem Marktbeobachter Savills zufolge entwickelt sich aus jeder Milliarde US-Dollar investiertem privatem Kapital in den Sektor ein zusätzlicher Flächenbedarf von gut 46.000 Quadratmetern. Savills geht davon aus, dass sich der strukturell nachhaltige Bedarf an Räumlichkeiten im Bereich Life-Science – also in Forschung, Entwicklung und Produktion in Wirtschaftsbereichen wie Biotech, Pharma, Genetik, Biochemie, Molekularbiologie, Labordiagnostik, nachhaltigen Ernährungslösungen, Digital Health oder auch Medizintechnik im weiteren Sinne – in Europa auf mehr als 400.000 Quadratmeter Fläche in den nächsten drei Jahren beläuft. 

Dieser starken Flächennachfrage, einhergehend mit durchaus individuellen und spezifischen Anforderungen daran, steht bislang ein geringes Angebot an adäquaten Immobilien gegenüber. Hieraus ergeben sich Chancen für Investoren, und zwar nicht nur auf Ebene der Einzelimmobilie, sondern auch, damit an der Entwicklung und Institutionalisierung einer Wachstumsbranche und einer Immobiliennutzungsart zu profitieren. 

Über den Autor: Berthold Becker ist seit 2018 Geschäftsführer von TSC Real Estate. Vor dieser Zeit hatte er leitende Funktionen inne bei Jones Lang Lasalle und der Internos

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