Family-Office-Lehrgang „Mäzenatentum und Philanthropie erleben eine Phase großer Expansion“

Elisa Bortoluzzi Dubach hat den Lehrgang „Family Office und Strategische Philanthropie“ an der Universität Luzern mitinitiiert.

Elisa Bortoluzzi Dubach hat den Lehrgang „Family Office und Strategische Philanthropie“ an der Universität Luzern mitinitiiert. Foto: privat

private banking magazin: Frau Bortoluzzi Dubach, Sie haben einen neuen Lehrgang an der Universität Luzern mitinitiiert. Der Titel „Family Office und Strategische Philanthropie“. Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Strategische Philanthropie“ für Sie?

Elisa Bortoluzzi Dubach: Strategisch bezeichnet die Absicht, verantwortlich und proaktiv zu handeln, mit dem Ziel, einen Mehrwert für die Gesellschaft hervorzubringen. Der strategisch denkende Philanthrop setzt für seine Vision nicht nur Geld ein, sondern versucht, eine strategische Idee und damit seine Förderprojekte in ein effektives, nachhaltiges, wiederholbares und wirkungsvolles Engagement umzusetzen. Dazu gehört der Einsatz von Management Know-how, Beziehungen und technisches Wissen, um zum Beispiel über Partnerschaften und Kooperationen die Skalierbarkeit von Projekten und damit ihre Nachhaltigkeit zu steigern. Dazu gehört auch die Fähigkeit, die Welt mit einem w-achen Blick für die Gegenwart und zukünftige Entwicklungen zu erkennen und effizient zu beeinflussen.

Wird es für Family Offices immer wichtiger, im Bereich Philanthropie selbst Kompetenzen zu entwickeln und Netzwerke aufzubauen?

Bortoluzzi Dubach: Laut Wealth X, einer der weltweit führenden Datenbanken für individuelle Philanthropie, stammen heute 36 Prozent der Spenden auf individueller Ebene von Philanthropen und Philanthropie hat bei HNWIs eine wachsende Bedeutung. Es liegt auf der Hand, dass es für Family Offices wichtig ist, über eigene Kompetenzen in diesen Bereichen zu verfügen, um damit ihre Familien effizient zu beraten. Dabei spielen die Beurteilung von Trends, Chancen und interessanten Projekten eine zunehmend wichtige Rolle.

 

Es gibt Stimmen, die sagen, dass das Modell, erst Geld zu verdienen – mit möglicherweise heute gesellschaftlich nicht mehr geachteten Methoden –, und dann philanthropisch aktiv zu sein, Widersprüche birgt. Wird das klassische Mäzenatentum zunehmend durch Impact Investing oder Venture Philanthropy abgelöst?

Bortoluzzi Dubach: Um möglichen Widersprüchen zwischen spekulativen Investitionen und philanthropischer Einstellung entgegenzuwirken, hat auch die Finanzwelt eine Reihe nachhaltiger und gesellschaftlich verantwortungsvoller Strategien und Instrumente aufgebaut – zum Beispiel Impact Investing und Ethical Finance. Ich glaube allerdings nicht, dass das klassische Mäzenatentum durch alternative Formen wie die Venture Philanthropy abgelöst wird – ganz einfach, weil Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung Begriffe sind, die sich entwickeln und keine absoluten Werte darstellen. Eine stete Verbesserung in Richtung besserer sozialer, technologischer und ökologischer Verantwortung scheint mir sinnvoll und wird von Kunden und Konsumenten langfristig erzwungen werden. Eine kurzfristige Ablösung durch Impact Investing und Venture Philanthropie kann ich in diesem Sinne aber nicht erkennen. 

 

In ihrem Kurs sollen aktuelle Themen wie die Bedeutung von Megatrends in der Entwicklung und Ausgestaltung von Family-Office-Strukturen behandelt werden. Welche Megatrends sind damit gemeint, und wie beeinflussen sie Family Offices?

Bortoluzzi Dubach: In Bezug auf Family Office und Philanthropie: Das Mäzenatentum und die Philanthropie erleben eine Phase großer Expansion, sowohl was die Anzahl der Akteure als auch die Höhe der investierten Gelder betrifft. Vor allem junge Philanthropen engagieren sich verstärkt auf internationaler Ebene, was für die traditionellen Hochburgen der Philanthropie, die sehr lokal ausgerichtet sind, zu einer echten Herausforderung wird. Sie führen neue Modelle ein, sind empfänglich für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen und beziehen auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihre philanthropischen Aktivitäten mit ein. Mäzeninnen und Mäzene arbeiten daran, die Wirkung ihrer Engagements zu optimieren. Die traditionellen Formen der Förderung werden durch neue Formen eines aktiveren Engagements und dem gezielten Einsatz von philanthropischem Kapital ergänzt, wie Impact Investing oder missionsbezogene Investitionen.

Weitere Trends sind:

  • „Next Gen – Themen“ – die eigentlich Menschheitsthemen sind. Also: Nachhaltigkeit, Abkehr von tradierter Wertschöpfung und Hinwendung zu bewusstem allgemeinverantwortlichem Handeln, Internationalisierung und Transformation
  • „Gegenfinanzierung der Zeitenwende“– Sorge vor den negativen Folgen demographischer und geopolitischen Entwicklungen – oder auch das verstärkte Bedürfnis, der Gesellschaft etwas zurückzugeben als privilegierte Familie durch gemeinnütziges und öffentliches Engagement
  • „Plan B“-Szenarien (Notfall-Szenarien) vor dem Eindruck der Ukraine-Krise, der multiplen Energie- und Umweltentwicklungen, verbunden mit der Sorge, in Kerneuropa nicht mehr nachhaltig und planbar sicher zu sein in Bezug auf Vermögen, Identität und Status

Lassen Sie mich noch einen weiteren Inhaltspunkt aus dem Lehrgang ansprechen: „Prägt die Familie das Family Office oder das Family Office die Familie?“ Das ist ja eine beinahe philosophische Frage…

Bortoluzzi Dubach: Diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden, da sie von vielen Faktoren abhängt. Ich denke dabei an die Beziehungen in der Familie, den Grad der Delegation und die spezifischen Kompetenzen eines Family Officers im Bereich der Philanthropie. Wie in einem privaten Unternehmen, trägt der Eigentümer, also die Familie oder deren Vertreter, die Verantwortung für die Strategie des Family Offices. Die Umsetzung wird an das angestellte Management delegiert. Die Eigentümer pflegen bei der Erarbeitung der Family-Office-Strategie einen regen Austausch mit dem Management. Sie spielen sehr oft eine zentrale Rolle bei der Festlegung der Wertecharta der Familie, der Suche nach einzelnen vielversprechenden Projekten und der Beziehung zu den Antragstellern. In diesem Sinne gibt es eine große Bandbreite an Umsetzungsformen und Beziehungsmustern.


Über die Interviewte:

Elisa Bortoluzzi Dubach ist Autorin, Dozentin, Stiftungs- und Sponsoring-Beraterin. Und sie hat den Lehrgang „Family Office und Strategische Philanthropie“ an der Universität Luzern mitinitiiert. Der Kompaktkurs findet mehrheitlich online vom 8. September bis 17. November 2023 statt. Der Lehrgang richtet sich unter anderem an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Single- und Multi-Family Offices, unabhängigen Vermögensverwaltern sowie Beraterinnen und Berater aus dem Private Wealth Management. Mehr Informationen zum Lehrgang finden Sie hier.

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