Apobank-Private-Bankerin im Interview „In der Finanzbranche fehlen weibliche Vorbilder“

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Es heißt: Männer befördern häufiger Männer. Wie haben Sie das in Ihrer bisherigen Berufslaufbahn erlebt?

Wenninger: Ich bin mehrmals in einem Team gestartet, in dem ich die einzige Frau war. Da muss man sich schon Respekt verschaffen, indem man sich engagiert und Fleiß und Loyalität mitbringt. Ich habe es aber nie erlebt, dass mir Steine in den Weg gelegt wurden. Mein Eindruck ist, dass immer mehr Menschen in gemischten Teams arbeiten und das für gut befinden. Mittlerweile ist es glücklicherweise auch normal, dass Frauen Teams leiten.

Wie ist Ihr Team aufgebaut?

Wenninger: Im Wertpapiergeschäft bin ich tatsächlich eine der wenigen Frauen, da ist noch Luft nach oben. In der Kundenberatung im Private Banking herrscht dagegen fast ein Gleichgewicht und in der Kreditberatung arbeiten am Standort München sogar mehr Frauen.

 

Immer häufiger liest man von Anlagetipps oder gar extra Finanzprodukten speziell für Frauen. Was halten Sie davon?

Wenninger: Frauen brauchen keine speziellen Anlageprodukte. Frauen brauchen aber eine Beratung, die ihre spezifischen Bedürfnisse widerspiegelt, weil sie zum Beispiel per se ein viel höheres Sicherheitsbedürfnis haben. Das zeigen auch Studien, die wir durchgeführt haben. Ein Viertel der Frauen fühlt sich in Punkto Finanzen schlecht aufgestellt, bei den Männern ist es nur einer von zehn. Wir merken, dass Frauen bei dem Thema viel unsicherer sind.

Woran liegt das? Kennen sich Männer wirklich besser aus?

Wenninger: Das würde ich nicht sagen. Frauen zögern oft, mit der Geldanlage zu starten, sind aber dann oftmals die besseren Anlageentscheider. Ich habe den Eindruck, dass Frauen auch entspannter und mit stärkeren Nerven durch Krisenphasen und Korrekturen, wie wir sie jetzt erleben, gehen. Männer neigen dazu, schneller zu kaufen und wieder zu verkaufen.

Es gibt längst so viele Ärztinnen wie Ärzte. Zeigt sich das auch bei Ihren Kunden?

Wenninger: Mittlerweile gehen 60 Prozent unserer Existenzgründungsfinanzierungen im Ärztebereich an Frauen. Wir merken, dass Ärztinnen bei der Investitionssumme im Schnitt etwas zurückhaltender sind und eher Praxen im kleinen und mittleren Kaufpreissegment übernehmen. Männer gehen offensiver vor. Aber insgesamt gibt es im Heilberufssektor immer mehr Frauen.

Haben Sie einen Vorteil, wenn Sie als Frau andere Frauen beraten?

Wenninger: In der Beratung geht es um das Vertrauen zum Kunden. Wir merken schon, dass sich viele Frauen lieber mit einer Frau austauschen und sich mit einer Frau als Beraterin auch besser identifizieren können. Letztendlich ist es aber eine Typfrage. Wir brauchen empathische Beratende, die fachlich gut sind und die sich auf jeden Kunden einstellen können – gleich, ob das Männer oder Frauen sind. Wir begleiten unsere Kunden über einen langen Zeitraum und durch verschiedene Lebensphasen hinweg, oft vom Start in den Beruf bis zur Existenzgründung. Bei der Planung der Geldanlage hilft es, dass wir sehr nah an den Heilberufen dran sind – das gilt für alle Kundinnen und Kunden gleichermaßen.

Über die Interviewte:
Lisa Wenninger war nach einer Banklehre zunächst bei einer Genossenschaftsbank im Privatkundengeschäft tätig. Nach knapp drei Jahren im institutionellen Geschäft von Baader & Heins Capital Management wechselte sie im April 2019 als Vermögensspezialistin Private Banking zur Apobank. Seit Januar 2021 ist die stellvertretende Leiterin Private Banking München sowie Prokuristin.

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