Beschluss des Econ Pol EU-Parlamentsausschuss spricht sich gegen Provisionsverbot aus

EU-Parlament in Straßburg

EU-Parlament in Straßburg: Der Wirtschafts- und Währungsausschuss hat sich gegen ein EU-weites Provisionsverbot ausgesprochen. Foto: Imago Images / Ulrich Roth

Der Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments hat seine Position zu der von der EU-Kommission angestoßenen Kleinanlegerstrategie (RIS = Retail Investment Strategy) festgezurrt. Dazu haben die EU-Parlamentarier am Mittwoch über diverse Änderungsanträge abgestimmt.

Lange herbeigesehnt hatte die Finanzvertriebsbranche vor allem die Stellungnahme der Parlamentsvertreter zum Provisionsverbot. Mit der jetzt getroffenen Positionierung dürfte vielen Branchenangehörigen sehr zufrieden sein: Der Wirtschafts- und Währungsausschuss – auch Econ Pol genannt – will mehrere Vergütungsmodelle nebeneinander existieren lassen. Damit bestätigten die Parlamentarier die Position, die bereits im Oktober die zuständige Parlamentsberichterstatterin Stéphanie Yon-Courtin bezogen hatte. 

Yon-Courtin hatte in einer ersten Stellungnahme zur RIS das von der Kommission anvisierte teilweise Provisionsverbot für den Finanzvertrieb abgelehnt. Es würde den Weg für ein späteres vollständiges Provisionsverbot ebnen. Die Berichterstatterin hatte dagegen für mehr Transparenz bei der Beratervergütung geworben. Auch das würde etwaige Interessenkonflikte lösen. Die Änderungsvorschläge Yon-Courtins waren allerdings nur die Grundlage, auf der der Econ Pol daraufhin weiter diskutierte. Eine endgültige Stellungnahme stand bis jetzt noch aus. 

Provisionsverbot abgelehnt – auch ein partielles

Mit ihren jüngsten Entscheidungen ziehen die Parlamentarier nun einen vorläufigen Schlussstrich unter alle Debatten und Mutmaßungen, die in den vergangenen Monaten zu dem Thema kursierten. Denn Beobachter hatten durchaus damit gerechnet, dass der Parlamentsausschuss auch ein vollständiges Provisionsverbot fordern könnte: Immerhin gibt es auf europäischer Ebene, auch im EU-Parlament, dafür zahlreiche Befürworter – vor allem in den Fraktionen der Sozialdemokraten und der Grünen.

Davon haben die Ausschussmitglieder jetzt jedoch Abstand genommen. In der gemeinsamen Stellungnahme, die im April noch vom EU-Parlaments-Plenum abgestimmt werden muss, wird ein Provisionsverbot abgelehnt – auch ein partielles, das nur die Execution-only-Geschäfte betreffen würde.

 

Ausschuss-Mitglied Markus Ferber, der für die CSU im Europaparlament sitzt, zeigt sich über die Entscheidung erleichtert: „Ein Provisionsverbot hätte Kleinanlegern mehr geschadet als genützt“, kommentiert Ferber die Beschlüsse des Econ Pol. Ein Provisionsverbot wäre „ein Beitrag zur finanziellen Exklusion“, für Menschen, die nur kleine Summen anlegen könnten. Sie wären mit einem Provisionsverbot faktisch von Finanzberatung ausgeschlossen.

Auch bei dem Versichererverband GDV stoßen die Beschlüsse des Wirtschafts- und Währungsausschusses im Großen und Ganzen auf Zustimmung. Die Entscheidungen „zeigen in die richtige Richtung“, sagt Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „Wir unterstützen insbesondere den Vorschlag des Ausschusses, dass es im Vertrieb von Finanzanlageprodukten weiterhin unterschiedliche Vergütungssysteme geben soll.“

Zu Wort meldeten sich auch Vermittlerverbände. Neben dem Bundesverband Finanzdienstleistung zeigte sich ebenfalls der Versicherungsvermittlerverband BVK erfreut: „Damit haben weiterhin die Kunden in Deutschland die Möglichkeit, hochwertige Beratungsleistungen der Vermittler in Anspruch zu nehmen, ohne zwingend Honorare bezahlen zu müssen.“

Auch der deutsche Fondsverband BVI, der die Interessen der in Deutschland tätigen Fondsgesellschaften vertritt, ließ umgehend von sich hören: „Die Kommission würde mit einem Provisionsverbot ihre Ziele nicht erreichen und den Kleinanlegern schaden. Dieser Beschluss ermöglicht es Anlegern, zwischen verschiedenen Beratungsmodellen frei zu wählen.“  

Skeptisch beim Benchmarking 

Erfreut zeigt man sich beim BVI auch, dass der Econ-Pol-Ausschuss sich gegen das Kosten-Benchmarking ausspricht, so wie es die EU-Kommission anvisiert hat. Im RIS-Entwurf hatte die Kommission skizziert, dass die Behörden Esma und Eiopa Richtwerte (Benchmarks) für die Kosten von Finanz- und Versicherungsanlageprodukten festlegen sollten. Fondsgesellschaften und Versicherer müssten sich daran zwar nicht halten. Überstiegen ihre Produktkosten jedoch die Benchmark, müssten sie die Mehrkosten begründen. Gegen diesen Plan hatte der BVI bereits in der Vergangenheit protestiert.

Dementsprechend erfreut ist man jetzt bei dem Verband über die jüngsten Beschlüsse: „Zudem ist es gut, dass der Econ beim geplanten Benchmarking für den Vertrieb die einseitige Fixierung auf die Kosten ablehnt. Denn diese ginge zu Lasten von Produktqualität und Innovation“, kommentiert der BVI. Und weiter: „Für Sparer sind die erwartete Rendite und die Qualität eines Produktes genauso wichtig wie die Gebühren.“

Der Vermittlerverband AfW zeigt sich noch in einer anderen Hinsicht mit der Positionierung des Econ Pol zufrieden: Auf Betreiben der beiden deutschen Parlaments-Abgeordneten Markus Ferber (CSU) und Ralf Seekatz (CDU) habe der Ausschuss einen aus Vermittlersicht wichtigen Absatz in den Entwurf aufgenommen: „Die Bestimmungen dieses Absatzes hindern Versicherungsvermittler, deren Rechtsstellung sie als unabhängig qualifiziert, nicht daran, sich als nicht vertraglich an ein bestimmtes Versicherungsunternehmen gebunden darzustellen, wenn sie angeben, Anreize zu erhalten.“

 

Dieser Absatz, den der Parlamentsausschuss noch zuletzt in seinen Gegenvorschlag aufgenommen hat, soll eine Formulierung aus dem RIS-Entwurf der EU-Kommission klarstellen. Er bezog sich speziell auf die Vermittler von Versicherungen. Die Kommission schrieb in ihrem RIS-Entwurf, dass Versicherungsvermittler, die sich ihren Kunden gegenüber als „unabhängig“ arbeitend darstellten, keine Provisionen von Versicherern vereinnahmen dürfen. In der Folge war unter Vermittlerverbänden ein Streit entbrannt, inwiefern diese Formulierung Versicherungsmakler dazu verpflichtete, sich proaktiv bei ihren Kunden als abhängig von bestimmten Unternehmen vorzustellen. Geht es nun nach dem Econ Pol, so sollen Makler dazu nicht verpflichtet sein.

Die Beschlüsse des Econ Pol sind allerdings, wie beschreiben, nur die vorläufige Position des EU-Parlaments. Im April muss noch das Plenum endgültig darüber abstimmen. 

Viel mehr wird das aktuelle EU-Parlament in Sachen RIS nicht auf den Weg bringen können: Im Juni 2024 wird ein neues Parlament gewählt. Dieses wird dann zwar auf die Position seines Vorgängerparlaments zurückgreifen können. Die anstehenden Trilogverhandlungen mit der Kommission und EU-Ländervertretern muss allerdings das kommende EU-Parlament führen. Somit wird die fertig abgestimmte Kleinanlegerstrategie voraussichtlich nicht vor 2026 in Kraft treten. 

Das ist die Retail Investment Strategy

Die EU-Kleinanlegerstrategie wurde von der EU-Kommission mit dem Ziel auf den Weg gebracht, die Finanzanlage in Europa verbraucherfreundlicher und transparenter zu machen. Ende Mai 2023 hat die Kommission dazu einen Entwurf vorgelegt, der Änderungen an verschiedenen Richtlinien und Verordnungen vorsieht. Darin sprachen siech die EU-Vertreter für partielle Provisionsverbote im Finanzvertrieb aus: Für rein ausführende Finanzgeschäfte („Execution only“) sollten Finanzberater keine Provision von produktgebenden Gesellschaften vereinnehmen dürfen. Vor allem dieser Plan hatte Unmut innerhalb des deutschen Finanzvertriebs erregt - die Provisionsvergütung ist hierzulande ein verbreitetes Geschäftsmodell. 

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