Der Start des sogenannten Generationenkapitals ist bis auf Weiteres vertagt. Das hierfür geplante Darlehen von 10 Milliarden Euro ist nicht in den aktuell vom Bundeskabinett beschlossenen Finanzplänen enthalten. „Mit dem Nachtragshaushalt 2023 ziehen wir die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts“, erklärt hierzu Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Die Karlsruher Richter hatten vor zwei Wochen geurteilt, dass das Gesetz über den zweiten Nachtragshaushalt 2021 verfassungswidrig ist. Hierdurch kamen die von der Ampelkoalition geplanten Staatsausgaben neu auf den Prüfstand.
Das wegfallende Darlehen zum Aufbau einer kapitalgedeckten Säule der gesetzlichen Rentenversicherung sei als „schuldenregelneutrale Minderausgabe“ zwar gar nicht direkt von dem Urteil betroffen. Doch bislang gibt es noch keine gesetzliche Grundlage für das zwischenzeitlich in Generationenkapital umbenannte Projekt. SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen hatten in ihrem Koalitionsvertrag lediglich einen einmaligen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro für eine Aktienrente beschlossen. Dieser Geldtopf sollte laut Plänen von Lindner und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) aber bis zum Jahr 2035 auf bis zu 200 Milliarden Euro wachsen. Dazu müssten ab 2024 pro Jahr jeweils mindestens 12 Milliarden Euro hierein fließen.
Dass dieses Vorhaben jetzt aufgeschoben wird, sieht der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) kritisch. Der etwa 40.000 Vermittler vertretende Berufsverband fordert von der Bundesregierung, nun zügig Reformen bei der privaten und betrieblichen Altersvorsorge anzupacken. „Wir sehen die große Gefahr, dass wichtige Reformen auch in dieser Legislaturperiode nicht umgesetzt werden“, sagt BVK-Präsident Michael Heinz. Ein weiterer Reformstau sende jedoch ein „fatales Signal für die Altersvorsorge“ aus, die Rentenlücke der Bürger wachse weiter und das Risiko zukünftiger Altersarmut steige. „Die derzeitige Haushaltssituation zeigt, dass sich die Bürger nicht allein auf staatliche Vorhaben verlassen sollten, sondern privat vorsorgen müssen.“
Vermittlerverband fordert zügige Reformen bei der Altersvorsorge
„Wir setzen uns weiter für eine reformierte Förderung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge ein“, bekräftigt der BVK-Präsident. Eine entsprechende Blaupause hatte zur Jahresmitte die sogenannte Fokusgruppe private Altersvorsorge vorgelegt. „Die Bundesregierung sollte nun die bereits auf dem Tisch liegenden Reformvorschläge insbesondere zur Riester-Rente umgehend umsetzen, um die private Altersvorsorge zukunftsfest zu machen.“ Hierfür müsse die Politik jetzt endlich die notwendigen Rahmenbedingungen und Impulse schaffen. Für die praktische Umsetzung stünden die Versicherungsvermittler bereit, „um die Bürger als Altersvorsorgeexperten nachhaltig zu beraten“, erklärt Heinz.
Ebenso wie bei der reformierten Riester-Rente setzt die Ampelkoalition auch in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) auf weniger Garantien, um die Renditechancen der Vorsorgeprodukte zu erhöhen: Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, kündigte in der vorigen Woche an, dass die Bundesregierung das auch als Nahles-Rente bekannte Sozialpartnermodell für nicht-tarifgebundene Unternehmen öffnen will. Hierfür soll das Betriebsrentenstärkungsgesetz überarbeitet werden. In einem noch unveröffentlichten Referentenentwurf stünden 24 Punkte, mit denen die Rahmenbedingungen verbessert und die bAV-Verbreitung erhöht werden sollen. Hierzu zählt beispielsweise der Wegfall von Hinzuverdienstgrenzen und der Anspruch auf einen bAV-Bezug auch bei Erhalt nur einer gesetzlichen Teilrente.
Ampelkoalition will Sozialpartnermodell in der bAV stärken
Das nach der ehemaligen Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) auch benannte Modell hatte bereits lange vor der Premiere in der chemisch-pharmazeutischen Industrie vor rund einem Jahr und dem zweiten Angebot beim Gasgroßhändler Uniper große Anlaufschwierigkeiten. Starken Gegenwind für das Sozialpartnermodell gab es Ende Oktober von der IG Metall: Deutschlands größte Gewerkschaft spricht sich in einem aktuellen Beschluss gegen die Betriebsrenten aus, die zugunsten höherer Renditechancen auf Garantien verzichten. In der vorigen Woche jedoch einigte sich der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes mit den Gewerkschaften Verdi und DBV auf einen Tarifvertrag, der eine bAV auf Basis einer reinen Beitragszusage vorsieht.
Gesetzliche Rente deckt nur halben Finanzbedarf im Alter
Wie notwendig die zusätzliche Vorsorge für den Ruhestand ist, zeigt eine aktuelle Analyse der Dateneingaben im Rentenkompass der Allianz Lebensversicherung. Für diesen Online-Service des Stuttgarter Unternehmens haben sich in den vergangenen drei Jahren insgesamt mehr als 800.000 Menschen in Deutschland registriert. Die Nutzer sollen in wenigen Minuten herausfinden können, wie es um ihre Finanzen im Alter steht. Demnach wünschen sich deutsche Arbeitnehmer für ihren Ruhestand ein Einkommen, das deutlich über dem Durchschnitt der gesetzlichen Rente liegt.
Wunschrente mehr als doppelt so hoch wie gesetzliche Rente
Bei ihrer Wunschrente orientieren sich die meisten Verbraucher an der Empfehlung, für den eigenen Ruhestand mit 80 Prozent des aktuellen Nettoeinkommens zu planen. Um dieses finanzielle Ziel erreichen zu können, reicht die gesetzliche Rente alleine aber nur in den wenigsten Fällen aus. Deshalb müsse der Großteil der Verbraucher „meist die Hälfte davon aus betrieblicher und privater Vorsorge sowie über andere Vermögenswerte abdecken“, betont Alf Neumann, Vorstand für das operative Geschäft der Allianz Leben.