Erbschaftsteuerliche Begünstigung BFH-Urteil verschärft Anforderungen an Wohnungsunternehmen

Martin Liebernickel (l.) und Stephan Viskorf von der Kanzlei P+P Pöllath + Partners ordnen die BFH-Entscheidung zu erbschaftsteuerlichen Anforderungen an ein Wohnungsunternehmen ein.

Martin Liebernickel (l.) und Stephan Viskorf von der Kanzlei P+P Pöllath + Partners ordnen die BFH-Entscheidung zu erbschaftsteuerlichen Anforderungen an ein Wohnungsunternehmen ein. Foto: P+P Pöllath + Partners

Mit seiner Entscheidung vom 24. Oktober 2017 (II R 44/15) hat der Bundesfinanzhof (BFH) die erbschaftsteuerlichen Anforderungen an ein Wohnungsunternehmen deutlich erhöht.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die erbschaftsteuerliche Begünstigung von vermieteten Wohnungen erfordert eine originär gewerbliche Tätigkeit. Hierfür müssen bestimmte ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen erbracht werden, etwa Hausmeistertätigkeit, Bewachungsleistungen, Wäscheservice (Bettwäsche), Reinigung der Wohnungen oder die Bereitstellung von Kranken- und Fernsehzimmer.
  • Nicht ausreichend sind übliche Vermieterleistungen, zum Beispiel Reinigung der Gemeinflächen, Pflege der Außenanlagen und allgemeine Verwaltung und Instandhaltung.
  • Auf die Anzahl der vermieteten Wohnungen kommt es nicht an – entgegen Auffassung der Finanzverwaltung. Ebenso ist die Anzahl der im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer nicht relevant.

Ausgangslage

Dritten zur Nutzung überlassene Immobilien zählen grundsätzlich zum Verwaltungsvermögen und unterliegen damit in der Regel der Besteuerung mit Schenkung- und Erbschaftsteuer. Eine Ausnahme besteht jedoch für Immobilien eines Unternehmens, dessen Hauptzweck die Vermietung von Wohnraum ist und dessen Vermietungstätigkeit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erfordert.

Die Finanzverwaltung ist bislang typisierend davon ausgegangen, dass bei einer Vermietung von mehr als 300 Wohnungen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb regelmäßig anzunehmen sei.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH ist der typisierenden Betrachtung der Finanzverwaltung entgegengetreten. Die Anzahl der vermieteten Wohnungen soll unerheblich sein. Die Vermietungstätigkeit müsse nach ertragsteuerlichen Grundsätzen die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschreiten und als originär gewerblich zu qualifizieren sein.

Nicht ausreichend sind dementsprechend die bloße Verwaltung der Wohnungen und deren Bewirtschaftung:

  • Die Verwaltung umfasse die Suche nach dem passenden Mieter durch Anzeigen in Portalen, die Erstellung des Mietvertrags, die Wohnungsübergabe, den Einzug von Mietzahlungen, den Kontakt mit den Mietern während des laufenden Mietverhältnisses, das Abfassen von Betriebskostenabrechnungen, die Sauberhaltung der gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten, die Gestaltung und Pflege der Außenanlagen sowie die Erfüllung der Räum- und Streupflichten. Die Verwaltungstätigkeit beinhalte außerdem die Instandsetzung und Instandhaltung der Wohnungen sowie die Beauftragung der entsprechenden Handwerker, deren Überwachung und Kontrolle sowie deren Bezahlung
  • Zur Bewirtschaftung von Wohnungen gehören weiterhin die Versorgung mit Strom, Heizkraft und Wasser und der Kontakt sowie die Abwicklung der Aufträge mit den entsprechenden Lieferfirmen einschließlich der Kontrolle und Bezahlung von Rechnungen.

Von einer gewerblichen Vermietungstätigkeit sei demgegenüber auszugehen, wenn

  • der Vermieter bestimmte ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen erbringe oder
  • wegen eines besonders schnellen, sich aus der Natur der Vermietung ergebenden Wechsels der Mieter oder Benutzer der Räume eine Unternehmensorganisation erforderlich sei.

Unübliche Sonderleistungen des Vermieters lägen beispielsweise vor, wenn

  • der Vermieter die Reinigung der Wohnungen oder die Bewachung des Gebäudes übernimmt,
  • die Räume in der mit dem Mieter vereinbarten Weise ausgestattet werden,
  • Bettwäsche überlassen und monatlich gewechselt wird,
  • ein Aufenthaltsraum mit Fernsehapparat sowie ein Krankenzimmer bereitgehalten wer-den und
  • ein Hausmeister bestellt wird.

Erste Einschätzung

Die Entscheidung des BFH ist in vieler Hinsicht überraschend. Anscheinend versucht der BFH, eine seines Erachtens nicht zu rechtfertigende Begünstigung von vermieteten Wohnungen verfassungskonform einzuschränken. Er wendet sich dabei allerdings ausdrücklich gegen den Willen des Gesetzgebers, dessen Intention zwar klar gewesen sei, sich aber nicht ausreichend im Wortlaut des Gesetzes niedergeschlagen habe. Durch das Urteil droht die vom Gesetzgeber gewollte Begünstigung von Wohnungsunternehmen leer zu laufen.

Für die Praxis bedeutet das Urteil eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Es ist unklar, ob die Finanzverwaltung die Grundsätze des Urteils übernimmt oder bei ihrer bisherigen typisierenden Betrachtung bleibt. Daneben bleibt unsicher,

  • ob die vom BFH geforderten unüblichen Sonderleistungen von der grundstückhaltenden Gesellschaft selbst erbracht werden müssen und
  • ob die Sonderleistungen tatsächlich gegenüber allen Mietern erbracht oder lediglich angeboten werden müssen.

Praxisempfehlungen

Derzeit ist nicht zu empfehlen, Wohnungsunternehmen oder Anteile daran zu übertragen, ohne eine vorherige verbindliche Auskunft einzuholen. Ob eine solche Auskunft jetzt noch erteilt wird, ist unsicher und muss im Einzelfall mit dem zuständigen Finanzamt besprochen werden.

Bereits veranlagte Übertragungen von Wohnungsunternehmen können auf Grund der Entscheidung des BFH nicht geändert werden (§ 176 Abs. 2 AO).

Soweit die Übertragung des Wohnungsunternehmens bereits erfolgt ist und diese nur noch nicht veranlagt ist, bleibt zu hoffen, dass die Finanzämter die bisherige typisierende Betrachtungsweise weiterhin bis zu einer anderen Verlautbarung der Finanzverwaltung anwenden.

 

Über die Autoren
Martin Liebernickel und Stephan Viskorf sind Partner bei der Kanzlei P+P Pöllath + Partners. Im Bereich Nachfolge und Vermögen berät P+P in erster Linie Unternehmerfamilien, vermögende Privatpersonen und Stiftungen sowie ausländische Trusts innerhalb langjähriger Dauermandate. Der vorliegende Text stammt aus einem Informationsschreiben an Mandanten.

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