Analyse Wie weit deutsche Privatbanken bei der digitalen Transformation sind

Unsere Gastautoren Carsten Pohl, Stefanie Hehn und Gösta Jamin (von links nach rechts) analysieren, wie weit die digitale Transformation von zehn deutschen Privatbanken fortgeschritten ist.

Unsere Gastautoren Carsten Pohl, Stefanie Hehn und Gösta Jamin (von links nach rechts) analysieren, wie weit die digitale Transformation von zehn deutschen Privatbanken fortgeschritten ist. Foto: privat

Die Digitalisierung als Megatrend im Banking hat auch die Privatbanken erfasst. Während einzelne Institute wie Quirin oder Hauck Aufhäuser Lampe die Möglichkeiten der Expansion ihrer Geschäftsmodelle durch neue digitale Angebote ambitioniert nutzen, verfolgen andere Privatbanken einen behutsameren Ansatz. 

Digitalisierung ist – neben ESG – seit einigen Jahren der Megatrend im Bankgeschäft. War die Bankenbranche im 20. Jahrhundert Vorreiter bei der Nutzung von IT-Systemen und der digitalen Abwicklung von Buchungen und Transaktionen, so hat sie im 21. Jahrhundert gefühlt etwas den Anschluss verloren – zumindest im Hinblick auf Look-and-Feel der Kundeninteraktion. Dies hat neuen Wettbewerbern wie Direktbanken oder Fintechs Raum gegeben, in eine Lücke vorzustoßen und mit nutzerfreundlichen Angeboten Kunden zu gewinnen. 

Längst haben die Banken diese Herausforderung angenommen und halten ihrerseits mit neuen digitalen Angeboten dagegen, beteiligen sich an jungen Finanztechnologieunternehmen oder schaffen neue organisatorische Strukturen wie die Position eines Chief Digital Officer (CDO) zur digitalen Transformation ihrer Unternehmen. Keine Bilanzpressekonferenz und kein Geschäftsbericht einer Bank kommt mehr ohne ausführliche Ausführungen zur verfolgten Digitalisierungsstrategie aus.

Zehn Privatbanken untersucht: Wie weit ist die Digitalisierung?

In diesem Beitrag wollen wir – jenseits der Investorenkommunikation – der Frage mithilfe von öffentlich verfügbaren Informationen über insgesamt zehn Institute wie Jahresabschlüsse, Webseiten und der medialen Berichterstattung nachgehen, wie weit die digitale Transformation im Teilsegment deutscher Privatbanken tatsächlich fortgeschritten ist und wo Digitalisierung mehr Kommunikation als reales Handeln ist.  

 

Es gibt drei Stoßrichtungen, die mit Digitalisierung verfolgt werden können: Zum ersten die Verbesserung der Effizienz interner Prozesse und damit die Steigerung der Produktivität eines Instituts, zum zweiten die Digitalisierung der Kundeninteraktion und damit die Steigerung der Attraktivität des Angebots für (potenzielle) Kunden und zum dritten der Aufbau neuer digitaler Ökosysteme, mit denen Erlösquellen beyond (traditional) Banking erschlossen werden können.

Annäherung über die Cost-Income-Ratio

Von außen ist es schwierig, direkt zu beurteilen, welche Fortschritte Banken bei der Verbesserung der Effizienz interner Prozesse durch Digitalisierung machen. Indirekt kann man sich der Frage durch die Betrachtung der Cost-Income-Ratio nähern, die wiedergibt, wie viele Cent an Kosten aufgewendet werden müssen, um einen Euro an Erlösen zu generieren. Je geringer dieses Verhältnis, desto effizienter arbeitet das Institut. Gute Werte von unter 80 Prozent haben unter den betrachteten Banken haben im Geschäftsjahr 2021 Fürst Fugger, Berenberg, Quirin und Hauck Aufhäuser Lampe erreicht (vgl. Abbildung 1). 

Abbildung 1: Cost-Income-Ratio und Anteil Personal- am Gesamtaufwand 2021 (Quelle: EvalueRate-Datenbank von Creditreform)
Abbildung 1: Cost-Income-Ratio und Anteil Personal- am Gesamtaufwand 2021 (Quelle: EvalueRate-Datenbank von Creditreform)

Als weiteren Indikator haben wir in Abbildung 1 für das Geschäftsjahr 2021 ausgewertet, welchen Anteil die Personalaufwendungen am Gesamtaufwand eines Instituts ausmachen. Zunächst fallen relativ große Unterschiede auf, die von Bethmann (43 Prozent) bis Berenberg (65 Prozent) reichen. Zudem erkennt man einen tendenziell negativen Zusammenhang mit der Cost-Income-Ratio – Unternehmen mit einer geringen Cost-Income-Ratio wenden einen höheren Teil ihres Gesamtaufwands für Personalkosten auf als solche mit einem hohen Aufwand-Ertrag-Verhältnis.

Persönliche Beratung lässt sich kaum automatisieren

Dieser Zusammenhang ist zunächst überraschend, denkt man bei Digitalisierung und Effizienzsteigerung doch eher an einen Abbau von Personal und damit geringere Personalkosten. Im Geschäftsmodell der Privatbanken spielt Relationship-Banking unverändert eine große Rolle, das heißt hochwertige persönliche Beziehungen zwischen Berater und Kunde, was einen weitgehenden Ersatz des Menschen durch eine digitale Maschine (zumindest bisher) ausschließt. 

Banken wie Fürst Fugger, Berenberg, Quirin und Hauck Aufhäuser Lampe mit einer niedrigen Cost-Income-Ratio gelingt es offenbar, ihre Mitarbeiter mit hocheffizienter Prozessunterstützung auszustatten, so dass neben den Personalkosten nur vergleichsweise geringe Sachkosten für IT oder Räume anfallen. Am anderen Ende des Spektrums müssen Institute wie Donner & Reuschel, Bethmann oder Warburg sowohl insgesamt mehr Kosten aufwenden, um ihre Erlöse zu erwirtschaften als auch einen höheren Teil ihres Aufwands für Sachkosten ausgeben. 

In Abbildung 2 sind zusätzlich das durchschnittliche Wachstum der Personalkosten und das durchschnittliche Erlöswachstum in den Jahren 2017 bis 2021 dargestellt. Es ist ein starker, gleichgerichteter (linearer) Zusammenhang zwischen den beiden Größen erkennbar. Aufgrund der vorliegenden Daten ist nicht entscheidbar, ob die höheren Personalkosten aus einer Erhöhung der Mitarbeiterzahl oder der durchschnittlichen Gehälter resultiert. 

Abbildung 2: Erlöswachstum versus Personalkostenwachstum in den Jahren 2017 bis 2021 (Quelle: EValueRate-Datenbank von Creditreform)
Abbildung 2: Erlöswachstum versus Personalkostenwachstum in den Jahren 2017 bis 2021 (Quelle: EvalueRate-Datenbank von Creditreform) 

Im Hinblick auf die Digitalisierung der Kundeninteraktion ist festzuhalten, dass alle Institute ihren Private-Banking-Bestandskunden branchenübliche Interaktionswege wie einen Online-Banking-Zugang anbieten. Für Neukunden jedoch beschränkt sich der angebotene Zugangsweg meist auf allgemeine Service- und Produktinformationen und ein Kontaktformular, über das eine Verbindung zu einem Kundenbetreuer hergestellt werden kann. Die direkte Möglichkeit der digitalen Eröffnung einer Neukundenverbindung wird meist nicht angeboten, was vermutlich an den hohen Anforderungen der Institute an ihre Kunden im Hinblick auf das zu investierende Vermögen liegt. 

Erweiterung des Geschäftsmodells über Robo Advisor

Als Differenzierung von den übrigen Instituten bieten Quirin mit quirion, Hauck Aufhäuser Lampe mit Zeedin und Warburg mit dem Warburg Navigator eigene digitale Robo Advisor an, die bereits mit überschaubaren Anlagebeträgen genutzt werden können. Ein solcher hybrider Ansatz ermöglicht mehrere strategische Stoßrichtungen: Einerseits lassen sich Anlagegelder von Kunden aus dem Mass-Affluent-Segment generieren, die sich ansonsten nicht für eine Betreuung durch einen persönlichen Berater im Private Banking qualifizieren, was eine Skalierung des eigenen Portfoliomanagements ermöglicht.

Weiterhin können Kunden mit einem niederschwelligen Einstiegsangebot akquiriert und im Laufe ihres Lebenszyklus hin zu einer komplexeren Betreuung durch einen persönlichen Betreuer weiterentwickelt werden. Nicht zuletzt ermöglicht dieser Ansatz auch eine Expansion in geographische Regionen, die bisher mit dem begrenzten Netz eigener physischer Standorte einer Privatbank nicht erreicht werden konnten. Schließlich bietet ein solcher Ansatz auch die Möglichkeit auf unterschiedliche Preissensitivitäten von Kunden zu reagieren, indem ein etwas kostengünstigeres digitales Betreuungsmodell neben das klassische Modell gestellt wird. 

 

Im Hinblick auf den Aufbau neuer digitaler Ökosysteme ist bei den meisten Instituten bisher nur wenig Aktivität festzustellen. Bei diesem Thema sticht Hauck Aufhäuser Lampe hervor, die einen komplett neuen Geschäftsbereich Digitale Assets aufgebaut haben mit Kapitalverwaltung und –verwahrung, Krypto-Wertpapier-Registerführung und dem Fonds HAIC Crypto Native, wobei ein wesentlicher Meilenstein die Übernahme der Kapilendo Custodian war.

Weitere Aktivitäten dieser Art oder Beteiligungen von Privatbanken an neuen Fintech-Geschäftsmodellen sind nicht festzustellen. Warburg hat seine Beteiligung an der W&Z FinTech, die unter dem Markennamen Ownly eine unabhängige Assetübersicht über sämtliche Vermögenswerte eines Nutzers einschließlich Konten, Immobilien und illiquider Assets anbietet im Zuge der Konsolidierung seiner Aktivitäten als Folge der Cum-Ex-Affäre an den CEO des Unternehmens Nicholas Ziegert verkauft. Metzler berichtet immerhin über den Aufbau einer Abteilung Digital Assets im Bereich Kapitalmarkt und eine interne Digitalmanufaktur als Inkubator für neue Ideen.

Kein Zwang zu Skaleneffekten und Großbanken

Wie Geschäftsmodelle wie die von Quirin oder Hauck Aufhäuser Lampe zeigen, bietet die Digitalisierung auch kleineren Instituten Möglichkeiten zu expandieren. Kostendegression in der IT, Cloud Computing und API-Schnittstellen-basierte unternehmensübergreifende Kooperationen bieten die Möglichkeit ohne riesengroßen Investitionsbedarf Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln. Insofern ist es keineswegs so dass kleinere Privatbanken ins Hintertreffen gegenüber Großbanken oder den beiden Finanzverbünden der Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit ihren auf den ersten Blick größeren Skaleneffekten geraten und es einen digitalisierungsgetriebenen zwangsläufigen Trend hin zu Konsolidierung und immer größeren Einheiten gibt. Dies wird auch durch die insgesamt erfolgreiche Entwicklung der Privatbanken in den vergangenen Jahren untermauert. 

Allerdings zeigt sich auch, dass die meisten Privatbanken – von den erwähnten Frontrunnern abgesehen – die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der eigenen Geschäftsmodelle durch Digitalisierung (beispielsweise bei der Bancassurance) bisher recht behutsam angegangen sind. Grund hierfür könnte die positive Geschäftsentwicklung auf Grund der insgesamt positiven Kapitalmarktentwicklung der vergangenen Jahre sein, die Erfolge ohne das Eingehen von größeren Investitionsrisiken in neue Projekte oder Geschäftsfelder ermöglicht hat. Für die Zukunft würde man sich noch mehr Innovationsgeist in der Branche wünschen, um die Potenziale auszuschöpfen. 


Über die Autoren:

Stefanie Hehn ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für
Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und ist auf Corporate Finance und Kapitalmarkttheorie spezialisiert. Bis 2018 war sie für die Deutsche Bank tätig.

Gösta Jamin lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Zudem begleitet er als Berater Banken und Finanz-
dienstleister bei der digitalen Transformation.

Carsten Pohl ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen
und lehrt und forscht zu quantitativen Daten und SAP-S/4HANA-Anwendungen im Finanzwesen. Zuvor war er bei SAP, Schering und Bayer beschäftigt. 

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