private banking magazin: Herr Mayer-Heinisch, Sie haben mehrere Jahre als Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Lingohr & Partner institutionelle Kunden betreut. Jetzt wollen Sie als Co-Gründer des Wiener Start-ups Froots „Private Banking für alle“ anbieten. Ein hehrer Anspruch. Wie kam es dazu?
David Mayer-Heinisch: Private Banking ist eine Dienstleistung, die bisher nur sehr vermögende Menschen erhalten. Wir reden hier von einem Investment von ein paar hunderttausend Euro aufwärts. Der Vorteil ist, dass Sie dort ein persönliches Portfolio bekommen, das perfekt auf ihre Ziele zugeschnitten ist und von Zeit zu Zeit auch angepasst wird.
Als Portfolio Manager bei Lingohr & Partner habe ich Vermögen für große Staatsfonds in Saudi-Arabien, Versorgungswerke in Deutschland und Pensionskassen in England gemanagt. Und was wir dort für institutionelle Kunden gemacht haben, war wesentlich besser, als das, was jeder Privatkunde heute als Dienstleistung bekommt. Dabei ist es dank Technologie inzwischen völlig unnötig, dass der Unterschied in der Betreuung zwischen einem großen und kleinen Kunden so riesig ist. Das war ein Grund, warum wir 2022 Froots gegründet haben.
Bei Froots bieten wir eine auf jeden maßgeschneiderte Investment-Strategie: angepasst auf den gewünschten Zeithorizont und das Risikoprofil werden monatliche Beträge ab 150 Euro oder einer Ersteinlage ab 1.500 Euro individualisiert in ETFs, Aktien, Anleihen und Gold angelegt. Und das ohne Mindestlaufzeit, wie das bei anderen Anbietern üblich ist. Unser eigens entwickelter Algorithmus wird dabei von einem Portfoliomanagement-Team überwacht. Bei Froots investieren wir diversifiziert, langfristig, datenbasiert und kostengünstig. Wir konzentrieren uns auf die wesentlichen Dinge, nämlich Vermögensaufbau, und state-of-the-art-Technologie und können dadurch Froots zu einem Bruchteil der Kosten des Private Bankings anbieten und haben eine maximale Jahresgebühr von 1 Prozent.
Was unterscheidet Froots von klassischen Robo Advisors?
Mayer-Heinisch: Wir bedienen uns aus drei verschiedenen Segmenten der Finanzindustrie. Das eine sind die Robo Advisor. Die haben alle Legacy Costs zur Seite geschoben und haben auf der grünen Wiese einen Prozess entworfen, bei dem alles systematisch läuft – die Depoteröffnung, das Rebalancing und das Reporting. Das Problem ist: Die sind alle keine Investoren. Da sind Risikomodelle oder standardisierte Portfolios im Hintergrund. Die zweite Welt, aus der wir uns bedient haben, sind daher die Fondsmanager: ein gutes Investmentteam, das genau weiß, wie sie ihre Benchmark schlagen wollen – und am Ende setzen Sie einen Fonds auf, der über zahlreiche Banken und Online-Plattformen verkauft wird. Das bedeutet aber auch, dass es eine völlige Trennung zwischen dem Fondsmanagement und den Kunden gibt. Dadurch, dass der Fondsmanager nicht weiß, wer der Kunde ist, muss er für den Durchschnitt vom Durchschnitt managen. In der Konsequenz wird in jedem Verkaufsprojekt eine Haltedauer von drei bis fünf Jahren empfohlen, denn für den einen Kunden weicht der Fondsmanager zu weit ab und für den anderen viel zu wenig, um die Chancen am Kapitalmarkt wirklich zu ergreifen.
Das klassische Private Banking hat nahezu alle Innovationen der vergangenen 20 Jahre verschlafen.
Die dritte Blase, auf die wir geschaut haben, sind die Privatbanken. Wenn du ein großes Vermögen aufgebaut hast, erhältst du ein auf dich angepasstes individuelles Portfolio. Doch die klassischen Private-Banking-Anbieter haben hohe Eintrittsbarrieren – mit einer halben Million Euro liquidem Vermögen kannst du hingehen, ab fünf Millionen bekommt man was Gutes –, es gibt Interessenskonflikte, weil im Hintergrund oftmals eigene Produkte verkauft werden, und Privatbanken sind ineffizient und ergo nicht kostengünstig.
Alles das, wo der Mensch keinen Mehrwert hat, muss systematisch-automatisch passieren, und alles das, bei dem der Mensch einen Mehrwert hat, muss menschlich sein. Das ist einerseits bei uns das Research, wo der Computer Anlageentscheidungen überprüft, und auf der anderen Seite in Kundengesprächen. Wir setzen den Kundenfokus wie eine Privatbank, setzen es effizient wie ein Robo Advisor um, gehen aber wie echte Portfoliomanager an die Vermögensverwaltung heran.
Will sich Froots damit in Konkurrenz zu etablierten Privatbanken begeben?
Mayer-Heinisch: Das klassische Private Banking hat nahezu alle Innovationen der vergangenen 20 Jahre verschlafen. Und die Branche hat auch die Demokratisierung, die in allen anderen Feldern in der Finanzindustrie passiert ist, verpasst. Das ist zum Teil bewusst passiert, weil der Schuh lange nicht gedrückt hat. Wir sehen aber, dass die neue Generation vermögender Kunden, die wir adressieren, andere Ansprüche haben. Wir bilden aber nicht nur ein Gegengewicht zu etablierten Private-Banking-Instituten, sondern auch zu Robo Advisors. Denn neben deren Do-it-yourself-Ansatz sollte auch ein aktiv geführtes Portfoliomanagement jedem Anleger zugänglich sein.
Ihr versucht, gezielt junge HNWI-Kunden anzusprechen – also genau das, was auch traditionelle Private-Banking-Anbieter versuchen, deren Kunden immer älter werden. Mit welchen Strategien adressiert Froots diese Kundengruppe?
Mayer-Heinisch: Die jüngere Generation ist preisbewusster. Denen ist wichtig, dass die Gebührenstruktur passt und sie eine komfortable Plattform haben. Unser Durchschnittskunde ist knapp 40 Jahre alt, investiert über 15 Jahre in die Zukunft. Daher sehen wir uns auf einem guten Weg. Wir wissen aber, dass es ein langer Weg ist. Vermögensverwaltung – gerade in der Beziehung zu vermögenden Kunden – ist ein Vertrauensgeschäft. Und es gibt einen Grund, warum eine Privatbank ihr Gründungsjahr in goldenen Lettern über den Eingang schreibt. Wir wollen nach und nach das Vertrauen von mehr Kunden gewinnen.
Dafür ist auch ein überzeugender Investmentansatz notwendig. Wie sieht der bei Froots aus?
Mayer-Heinisch: Wir kennen die Zeithorizonte unserer Kunden und passen die Portfolios dementsprechend an. Je weiter der Kunde vom festgelegten Ziel entfernt ist und je risikotoleranter er ist, desto stärker agieren wir mit antizyklischen Investments im Portfolio. Je näher ein Anleger seinem Ziel ist, desto risikoärmer ist das Portfolio. Wir bauen die Portfolios aus drei großen Assetklassen: Aktien, Anleihen und liquid Alternatives – zum Beispiel Real-Estate-Investment-Trusts, Break-Even-Instrumente, inflationsgesicherte Anleihen. Wir schauen systematisch die Bewertungen der verschiedenen Sektoren, Regionen, Anlagestile und -klassen zur eigenen Historie, relativ zueinander und relativ zur Historie an, um die derzeit attraktivsten Assetklassen und innerhalb der Assetklassen die attraktivsten Investments herauszufiltern.
Zwei Beispiele zu Entscheidungen, die wir in unseren langfristigen getroffen haben. 2020, als die Corona-Pandemie anfing, ist die Bewertung der Aktienmärkte gegenüber den Anleihen ins 82. Perzentil gegangen, sprich nur in 18 Prozent der Fälle in der Vergangenheit war der Bewertungsvorteil von Aktien gegenüber Anleihen so hoch. Deshalb haben wir unser Aktiengewicht hochgefahren. Um August und September 2021 haben wir gesehen, dass die Bewertung von US-Titeln – hauptsächlich getrieben von Tech-Aktien – so teuer geworden ist wie nur in 14 von 100 Fällen in der Vergangenheit. So haben wir das Exposure in den USA stark heruntergefahren und in andere Regionen investiert.
In diesem Jahr haben wir das erste Mal auch in langfristige Portfolios Gold hineingegeben. Als Portfoliomanager müssen wir Portfolios bauen, die unter allen Zukunftsszenarien funktionieren. Das beste Szenario wäre derzeit, dass die Märkte eine weiche Landung hinkriegen, ein anderes Szenario wäre eine Rezession, das Worst-Case-Szenario wäre eine Stagflation. In den letzten hundert Jahren war Gold die einzige Anlageklasse, die gut unter Stagflation funktioniert hat. Wir geben also auch in langfristige Portfolios zwischen fünf und sieben Prozent Gold hinein, um es stabil aufzubauen. Grundsätzlich ist Gold allerdings kein Asset für ein langfristiges Portfolio – allein aus dem Grund, weil es keinen Wert generiert.
Über den Interviewten:
David Mayer-Heinisch ist Gründer und Geschäftsführer des Start-ups Froots – kurz für „financial roots“. Mayer-Heinisch gründete das Fintech 2020 gemeinsam mit Dirk van Wassenaer. Froots will individuelle Vermögensverwaltung auch für Kleinanleger ermöglichen. Zu den Investoren gehören unter anderem Andreas Treichl (ehemaliger Vorstandschef der Erste Group), Gina Goess (ehemalige Geschäftsführerin der Credit Suisse Zweigniederlassung Österreich), Adam Lessing (Leiter für Zentral- und Osteuropa der LGT Bank Österreich). Vor der Grüdung arbeitete Mayer-Heinisch für die Raiffeisenbank International sowie für den deutschen Vermögensverwalter Lingohr & Partner als Portfoliomanager.