Untergangspropheten auf dem Vormarsch Die irreführende Suche nach der nächsten Krise

Seite 5 / 5

Die nächste Krise kommt bestimmt! Na und?

Warnungen von Wissenschaftlern oder Journalisten vor möglichen Fehlentwicklungen können ihre Berechtigung haben, wenn sie verdrängte oder unterschätzte Missstände aufdecken. Dies ist jedoch nur äußerst selten der Fall, stattdessen werden zumeist bekannte Probleme überdramatisiert. Seit den Kommentaren von Andre Kostolany in 1982 zu den damals populären Schwarzmalern haben wir einige Katastrophen, Krisen und mehrfach Börsen-Kräche gesehen. Trotzdem hat sich etwa der Dax im Wert mehr als verzwanzigfacht.

Es werden auch weitere Katastrophen, Krisen und Börsen-Kräche folgen, der Dax, S&P 500 und die anderen Börsenindizes werden nichtsdestotrotz weiter zulegen. Solange die grundlegende Dynamik des Kapitalismus der letzten 250 Jahre anhält, die von Innovation, steigendem Lebensstandard und sich wandelnden Konsumentenbedürfnissen getragen ist, wird sich hieran nichts ändern. Dies gilt insbesondere, weil Asien mit seinen rund 4,5 Milliarden Einwohnern – von denen viele immer noch in sehr einfachen Verhältnissen leben – nach wie vor erst am Anfang dieser Entfaltung positiver Wechselwirkungen steht.

Der unabhängige US-Ökonom Ed Yardeni hat in seiner kürzlich erschienen Autobiografie darauf hingewiesen, dass die Berufspessimisten für jede Phase eines Konjunkturzyklus typische Krisenwarnungen von sich geben, die ich hier (relativ frei übersetzt) wiedergeben möchte:

  1. „Man muss vorsichtig sein, weil die guten Zeiten nicht anhalten werden. Die Inflation wird wieder anziehen, und in der Folge alles durch hohe Zinsen abgewürgt.“ (Expansions-Phase)
  2. „Man muss vorsichtig sein, weil es viel zu viel unbegründeten Optimismus gibt. Das kann nur schlecht enden.“ (Boom-Phase)
  3. „Haben wir es doch gesagt. Nur eine schmerzhafte Anpassungsphase und die Abstrafung aller Schuldigen kann die Grundlage für einen neuen Aufschwung legen.“ (Abschwung-Phase).
  4. „Man muss vorsichtig sein, weil die Erholung sehr fragil sein könnte. Es kann immer noch zu einem erneuten Abschwung kommen.“ (Erholungs-Phase).

Diese Warnungen sind entweder unbegründet oder dramatisieren zyklische Übertreibungen innerhalb der langfristigen Aufwärtsbewegung der Wirtschaft. Die zwischenzeitlichen Abschwünge sind schmerzhaft – speziell für diejenigen, die in der positiven Stimmung einer Boom-Phase überoptimistisch werden. Insofern ist es zwar angebracht, gerade in gut scheinenden Zeiten wachsam zu bleiben, grundsätzliche Skepsis ist fehl am Platz.

Zwar werden die Favoriten wechseln und es immer wieder mehr oder weniger starke Korrekturen geben, die positive Grundtendenz sollte jedoch anhalten. „Buy on Dips“ – also Kaufen bei Rückschlägen – ist und bleibt deswegen eine der am meisten erfolgsversprechenden Anlagestrategien für langfristig denkende Anleger. Vielleicht ändert sich dies irgendwann einmal, wenn in Zukunft alle Bedürfnisse befriedigt und alle Innovationen ausgereizt sein werden, aber so weit sind wir noch sehr lange nicht.

Gewinner werden diejenigen sein, die sich an veränderte Bedingungen anpassen können – und insbesondere diejenigen, die bei Rückschlägen schnell die richtigen Konsequenzen ziehen. Auf diese sollten Anleger setzten und speziell bei Börseneinbrüchen in sie investieren. Zudem sollten sie Krisenwarnungen lieber als Variation der Horrorliteratur ansehen, anstelle sie zu ernst zu nehmen.



Über den Autor:
Karl-Heinz Thielmann ist der Vorstand von Long-Term Investing Research – Institut für die langfristige Kapitalanlage.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen