Untergangspropheten auf dem Vormarsch Die irreführende Suche nach der nächsten Krise

Karl-Heinz Thielmann ist Vorstand von Long-Term Investing Research – Institut für die langfristige Kapitalanlage.

Karl-Heinz Thielmann ist Vorstand von Long-Term Investing Research – Institut für die langfristige Kapitalanlage.

Zehn Jahre nach der Finanzkrise gibt es besonders viele Warnungen vor dem nächsten Finanzmarktkollaps. Bei näherer Betrachtung sind diese jedoch zumeist entweder völlig unbegründet oder maßlos übertrieben. Und selbst wenn eine Krise kommt, sollte man hiervor keine Angst haben, da die Weltwirtschaft widerstandsfähiger geworden und ihre grundlegende Wachstumsdynamik intakt ist.

Im Oktober war es wieder mal soweit, die Kurse fielen steil nach unten. Kein Wunder, dass die Stimmung so schlecht ist: Seit Monaten unterliegen wir einem medialen Dauerbeschuss von Expertenwarnungen, die jedes tatsächliche oder auch nur eingebildete Problem zur Schicksalsfrage hochstilisieren: Der Handelskrieg Donald Trumps bedroht die Globalisierung, den Wachstumsmotor der Weltwirtschaft, und damit unser aller Wohlstand. Zinssteigerungen in den USA werden eine gigantische internationale Verschuldungsblase zum Platzen bringen und die nächste Finanzkrise auslösen. Und dies alles geschieht vor dem Hintergrund der menschgemachten Klimaerwärmung, einer Überalterung der westlichen Gesellschaften sowie zunehmender geopolitischer Spannungen überall auf der Welt.

Nicht selten wird gleichzeitig sowohl vor einem Zuviel wie auch vor einem Zuwenig gewarnt, zum Beispiel beim Digitalisierungstempo in Deutschland. Wirtschaftsvertreter und Technologie-Spezialisten beklagen zumeist einen kaum noch aufholbaren Rückstand und sehen uns auf dem Weg zum virtuellen Entwicklungsland. Viele Intellektuelle – wie etwa der Essayist Hans Magnus Enzensberger oder der TV-Philosoph Richard David Precht – beschwören hingegen wortgewaltig die möglichen destruktiven Folgen einer allgegenwärtigen Interkonnektivität. Egal, welcher Meinung man sich anschließt, die Katastrophe scheint vorprogrammiert.

Hinter all diesen Warnungen ist ein Muster erkennbar: Bestimmte Fehlentwicklungen werden als Indikation für einen allgemeinen Niedergang genommen. Positive Entwicklungen oder ein differenzierteres Gesamtbild hingegen ignoriert. Dies ist allerdings kein neues Phänomen, es gibt eine lang etablierte Tradition des Schwarzsehens in Wissenschaft und Publizistik.

„You scare the shit out of them first“ – das Geschäftsmodell Alarmismus

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„Es können keine fünf Jahre vergehen, ohne dass irgendein Buch oder Pamphlet publiziert wird, welches so geschrieben ist, um in der Öffentlichkeit glaubwürdig zu erscheinen, und welches vorgibt zu zeigen, dass der Wohlstand der Nation abnimmt, das Land entvölkert, die Landwirschaft vernachlässigt, die Industrie zerfällt oder der Handel benachteiligt wird.“ So empörte sich bereits Adam Smith 1776 in seinem Ökonomie-Klassiker „Der Wohlstand der Nationen“ über die Neigung, öffentliche Aufmerksamkeit durch die Verbreitung von übertriebenen Katastrophenwarnungen zu erreichen.

Seitdem sind nicht nur die Weltbevölkerung und ihr Wohlstand dramatisch angewachsen, sondern auch die Anzahl der Untergangspropheten. Im Gegensatz zu den Zeiten von Adam Smith haben wir heute eine weit schnellere Publikationsfrequenz, der Abstand zwischen neuen Katastrophengeschichten ist eher fünf Tage als fünf Jahre. Weiterhin wurden die möglichen Apokalypse-Szenarien um die Umweltthematik erweitert, was das Spektrum der potenziellen Schrecken stark ausgeweitet hat.