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Goldanleger aufgepasst USA: Was im Wahljahr zu erwarten ist

Wirtschaftswissenschaftlerin Judy Shelton

Wirtschaftswissenschaftlerin Judy Shelton: Sollte Trump wiedergewählt werden, könnte die Goldstandard-Verfechterin Shelton den Fed-Vorsitz von Jerome Powell übernehmen, da dessen Amtszeit im Januar 2026 ausläuft. Foto: Imago Images / MediaPunch

Nicolas Forest

Am 5. November 2024 findet die US-Präsidentschaftswahl statt. Das Ereignis wird zum Jahresende zweifellos im Fokus der Finanzmärkte stehen. Ein erneutes Duell zwischen Biden und Trump scheint derzeit am wahrscheinlichsten. Die Ziellinie ist allerdings noch in weiter Ferne, und andere Szenarien sind ebenfalls möglich. Vor allem, selbst wenn das Biden-Trump-Duell wiederholt werden sollte, könnten die Auswirkungen auf die Finanzmärkte dieses Mal recht unterschiedlich sein.

Was können wir aus historischen Beobachtungen des Marktverhaltens in einem Wahljahr lernen? Welche Folgen könnte diese Wahl für die US-Wirtschaft haben? Wird die Volatilität an der Börse steigen? Nehmen die Zweifel hinsichtlich der Tragfähigkeit der US-Staatsverschuldung zu?

„It's the economy, stupid“ – wirklich?

Knapp ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen bleibt das Wachstum dynamisch, bis zum 15. Dezember liegt der S&P 500 auf einem Rekordhoch, die Desinflationsbewegung kommt gut voran, die Arbeitslosenzahlen nähern sich einem Rekordtief, die Kluft zwischen den höchsten und den niedrigsten Gehältern hat sich verringert und die Reindustrialisierung ist in vollem Gange! Die wirtschaftliche Bilanz der Regierung Biden kann sich also durchaus sehen lassen – besonders im Vergleich zu den Erwartungen der meisten Beobachter. Diese waren nämlich Ende 2022 in der Tat größtenteils noch davon überzeugt, dass die US-Wirtschaft unweigerlich in die Rezession rutschen würde, falls die Federal Reserve die Zinsschraube anziehen sollte – denn das war doch der einzige Weg zur Abschwächung der Inflation, oder etwa nicht?

Die Annahme, dass Biden angesichts dieser Bilanz den Sieg bei der Wiederwahl bereits in der Tasche hätte, wäre zu weit gegriffen. Die Stimmung in vielen US-Haushalten ist vermutlich nicht so positiv, wie es die Indikatoren vermuten lassen, da die Preise trotz der gesunkenen Inflationsrate weiterhin deutlich höher sind als vor der Pandemie (+25 Prozent bei Lebensmitteln, +20 Prozent bei Neuwagen und sogar +35 Prozent bei Gebrauchtwagen). Auch die steigenden Zinsen – sowohl für Verbraucherkredite als auch für Hypotheken – könnten sich negativ auf diese Wahrnehmung auswirken, da sie die Haushaltbudgets und die Erschwinglichkeit von Wohnraum belasten. Und nicht zuletzt ist es in einem extrem polarisierten politischen Umfeld keineswegs sicher, dass diese Wahl allein durch die Entwicklung der Wirtschaft und der Börse entschieden wird!

Wie verhalten sich die Märkte in einem Wahljahr?

Auch wenn es schwierig ist, Lehren aus früheren Erfahrungen zu ziehen, bietet das bisherige Verhalten des Aktienmarktes in Wahljahren dennoch einige Anhaltspunkte. So ist die Volatilität in der Regel höher als gewöhnlich und die Aktienmarktperformance etwas schwächer als „normal“. Die Grenzen dieser Studien liegen natürlich in ihrer geringen Stichprobengröße sowie in der Tatsache, dass schwere Rezessionen in manchen Wahljahren die Renditen empfindlich schmälern können.

Dennoch lassen sich aus diesen Studien mehrere Lektionen ziehen: Seit 1984 war die durchschnittliche Aktienperformance in Wahljahren zwar positiv, aber dennoch schwächer als in anderen Jahren (Analyse von Candriam, Daten von Bloomberg). Gestützt wird diese Performance durch Gewinnsteigerungen der Unternehmen, die im Allgemeinen von den günstigen wirtschaftlichen Bedingungen im Vorfeld von Wahlen profitieren, während die Risikoprämie in der Regel ebenfalls steigt. Diese Performancesteigerung lässt sich ebenso wie der Volatilitätsanstieg auf die zunehmende wirtschaftspolitische Unsicherheit in Wahljahren zurückführen. In diesen Jahren steigt der „wirtschaftspolitische Unsicherheitsindex“ tendenziell ab dem Sommer an und normalisiert sich dann erst wieder nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse.

 

Eine eingeschränkte Fiskalpolitik

Die Märkte werden aufmerksam die fiskalpolitischen Entscheidungen der Kandidaten verfolgen. Obwohl die entsprechenden Programme noch nicht festgeschrieben sind, hat Donald Trump bereits versprochen, „seine“ Steuersenkungen – beschlossen im Jahr 2017, gültig bis 2025 – weiter zu verlängern. Nach Berechnungen der gemeinnützigen Einrichtung Committee for a Responsible Federal Budget (CRFB), würde dies den Haushalt über einen Zeitraum von zehn Jahren mit rund 3,3 Billionen US-Dollar belasten (beziehungsweise 3,8 Billionen US-Dollar unter Berücksichtigung des gestiegenen Zinsaufwands). Dadurch würde – unter gleichbleibenden Bedingungen – das Staatsdefizit um mehr als einen vollen Prozentpunkt des BIP steigen und die Staatsverschuldung bis 2033 auf 125 Prozent des BIP anheben, gegenüber 115 Prozent bei unveränderter Politik (d. h. bei Auslaufen der Steuersenkungen).

Die Finanzierung dieser von Ex-Präsident Trump angekündigten Steuersenkungen durch eine zehnprozentige Erhöhung der Zölle auf alle US-Importe könnte theoretisch über zehn Jahre hinweg 2,5 Billionen US-Dollar in den Haushalt einbringen. Diese Summe würde allerdings voraussichtlich durch Einbußen bei Einfuhren sowie durch einen Einbruch des Wachstums geschmälert. Vor allem jedoch würde eine derartige Erhöhung die Weltwirtschaft in einen Handelskrieg ungeahnter Ausmaße schicken. Eine Sanierung des Haushalts durch die Kürzung der nicht-militärischen Ausgaben, wie sie ebenfalls von Trump vorgeschlagen wird, ist illusorisch: Diese Ausgaben belaufen sich derzeit auf nicht einmal 3 Prozent des BIP, und eine Reduzierung um mehr als 30 Prozent ist unrealistisch.

Die Ratingagentur Moody's unterstrich kürzlich erneut die Risiken im Zusammenhang mit der Haushaltslage des Landes und setzte ihr AAA-Rating auf „negative watch“. Es stellt sich die Frage, wie die Anleihenmärkte auf den anhaltenden Anstieg der Schuldenlast und eine eventuelle Herabstufung des US-Ratings reagieren werden. Das Vertrauen der Anleger in die Fähigkeit der Regierung, ihren Schuldenberg in den Griff zu bekommen, ist im Laufe der Jahre immer weiter gesunken: So ist die CDS-Prämie für die USA bereits von 10 Basispunkten im Jahr 2021 auf über 50 Basispunkte Ende November abgerutscht (im Frühjahr 2023 lag sie anlässlich der Pattsituation bei der Schuldenobergrenze bei über 70 Basispunkten, Quelle: Bloomberg, Stand: 2. Mai und 30. November). Investoren werden wieder gute Gründe haben, nervös zu werden.

Herausforderungen mehr sektorspezifisch als makroökonomisch

Angesichts des nun begrenzten fiskalpolitischen Spielraums wird sich die Wahl auf den Aktienmärkten voraussichtlich eher auf sektoraler als auf makroökonomischer Ebene niederschlagen. Und doch weisen die Positionen der Kandidaten für die Märkte in radikal entgegengesetzte Richtungen. So hat Joe Biden bis 2025 die Entkarbonisierung des Energiesektors und bis 2050 die Klimaneutralität versprochen. Die Vorgängerregierung unter Trump trat aus dem Pariser Abkommen aus und hat mehrere Umweltschutzgesetze und -verordnungen aufgehoben. Sollte Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt werden, ist anzunehmen, dass er diesen Kurs auch weiter beibehalten wird.

Auch die Zukunft des ACA (Affordable Care Act) steht im Fall von Trumps Wiederwahl in den Sternen. Nicht zuletzt könnten die Pläne der Kandidaten zur Regulierung der künstlichen Intelligenz ebenfalls die Märkte beeinflussen. Jedoch wird auch die Art der Mehrheit im Präsidentenamt genauso wichtig sein wie der gewählte Kandidat. Keiner der beiden Männer wird nach dem Amtsantritt seine Versprechen einhalten können, wenn seine Partei nicht die Mehrheit im Kongress gewinnt.

Geldpolitik könnte unter Druck geraten

Die Frage nach der Unabhängigkeit der US-Notenbank könnte ebenfalls für Unruhe auf den Finanzmärkten sorgen. Trump hat die Zentralbank schon oft unter Beschuss genommen und sich dabei manchmal kaum zurückgehalten. So bezeichnete er etwa ihren Vorsitzenden, Jerome Powell, im Jahr 2019 als „Bonehead“ (Dummkopf) – und versuchte, Judy Shelton, eine scharfe Kritikerin der Institution und eine eifrige Verfechterin für die Rückkehr zum klassischen Goldstandard, zu ernennen. Sollte Trump wiedergewählt werden, so stünden Judy Shelton vermutlich die Türen zur Fed offen (natürlich unter der Voraussetzung, dass der Senat sich nicht erneut gegen sie stellt) beziehungsweise könnte sie eventuell gar deren Leitung von Powell übernehmen, da dessen Amtszeit als Vorsitzender im Januar 2026 ausläuft. Sich über die Unabhängigkeit der Zentralbank hinwegzusetzen oder dies auch nur anzudeuten, noch bevor die Erinnerung an die jüngste Inflationsphase verblasst ist, wäre gefährlich.

Steigende Eigenkapitalrisikoprämien und Volatilität am Horizont

Die Programme von Donald Trump und Joe Biden werden die amerikanische Wirtschaft folglich auf sehr unterschiedliche Kurse bringen. Die entsprechende Unsicherheit wird unweigerlich die Aktienmärkte belasten und die Volatilität erhöhen, solange sich kein Kandidat durchsetzt. Auch wenn sich nicht unbedingt aus der Vergangenheit auf die Zukunft schließen lässt, muss man sich diesbezüglich in Erinnerung rufen, dass Biden bei den Wahlen im Jahr 2020 zwar 7 Millionen Stimmen mehr als sein Gegner erhalten hat, die Wahl jedoch aufgrund der Besonderheiten des US-Wahlsystems dennoch am seidenen Faden hing und letztlich mit weniger als 100.000 Stimmen in einer Handvoll Bundesstaaten entschieden wurde! Das Schlimmste für die Märkte wäre natürlich, wenn die Ungewissheit am 5. November 2024 gar nicht ausgeräumt wäre. 

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