Bernd Meyer, Berenberg Bank Nachhaltigkeit bedeutet für mich …

Bernd Meyer von der Berenberg Bank

Bernd Meyer von der Berenberg Bank: Der Chefstratege im Wealth und Asset Management plädiert dafür, ESG tief im eigenen Denken zu verankern. Foto: Berenberg Bank

... sich wirklich ernsthaft mit ESG-Aspekten auseinanderzusetzen, diese umzusetzen und ESG tief im eigenen Denken zu verankern. Und nicht nur marketingwirksam drei Buchstaben auf ein Produkt zu schreiben. Die steigende Nachfrage zeigt, dass Anleger nachhaltiger investieren wollen, um zum einen von den Chancen zu profitieren und zum anderem mit ihrem Geld zu einer besseren Welt beizutragen. Echte Nachhaltigkeitsstrategien schaffen Mehrwert, für die Gesellschaft und für den Anleger. Denn Untersuchungen zeigen, dass nachhaltig agierende Firmen langfristig eine höhere Rendite abwerfen.

In meinen Augen hat die Finanzindustrie die große Chance, Veränderungen zum Besseren anzustoßen. Mit den Geldern, die wir verwalten, können und sollten wir positiven Einfluss ausüben, auf und durch unsere Investments, sei es durch Engagement, Impact Investing oder andere fordernde Ansätze. Reine Ausschlusskriterien, wie sie viele ESG-Fonds definieren, sind nur ein Anfang und dürften mittelfristig zum Standard für alle Anlagen werden.

Zu kurz gedacht

Mit Blick auf das Erreichen allgemeiner und globaler Nachhaltigkeitsziele hat dies jedoch nur eine geringe Wirkung, weil der fördernde und fordernde Charakter fehlt.

Auch Best-in-Class-Ansätze, die je Sektor in die vermeintlich nachhaltigsten Unter- nehmen investieren, sind oft zu kurz gedacht. Die Vorstellung, dass man einfach das graue Schaf unter den schwarzen auswählt, ist phantasielos. Ein Waffenhersteller ist noch kein nachhaltiges Investment, nur weil er keine Streubomben herstellt. Solche Ansätze sind mittelfristig wenig sinnvoll, denn sie betrachten häufig nur den Status Quo in Sachen Nachhaltigkeit – das fördernde Element fehlt.

Eine wirklich überzeugende ESG-Strategie bedeutet für mich eine eigene tiefgehende und kritische Analyse von Nachhaltigkeitschancen und -risiken. Wir glauben fest daran: Nachhaltiges Investieren ist erfolgreiches Investieren. Wir managen seit Jahrzehnten entsprechende Strategien für Kirchen und Stiftungen, haben ein eigenes ESG Office, das unsere Grundsätze und Strategien für nachhaltiges Investieren festlegt und die Integration in den Investmentprozess vorantreibt.

Wir haben uns so ein transparentes Regelwerk geschaffen. So ist eine eigenständige ESG-Analyse auch die Aufgabe eines jeden Fondsmanagers, unabhängig davon, ob er einen dezidierten ESG-Fonds managt oder nicht. Diese Arbeit müssen wir als Investoren leisten, transparent und nach klaren Richtlinien und im Dialog mit den Firmen.

Das bedeutet auch, sich nicht einfach nur auf Ratings externer Agenturen zu verlassen. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass viele kleinere, äußerst innovative Unternehmen aus verschiedenen Gründen häufig ein schlechteres Rating erhalten und ihre Nachhaltigkeit von kleineren Unternehmen deutlich unterschätzt wird. Deshalb ist ESG auch ein Thema des aktiven Fondsmanagers und nicht des passiven Investments über ETFs.

Der aktive, ESG-fokussierte Manager kann sich intensiv engagieren, vorausschauend ESG-Chancen suchen und bei kritischen ESG-Vorfällen schneller reagieren. Zudem kann er von Benchmarks abweichen und seinen eigenen ESG-Stil prägen. Gerade die zukünftige Entwicklung und auch die langfristige Strategie zum Thema Nachhaltigkeit sind wesentliche Faktoren in der Bewertung von Unternehmen.

Nachhaltig zu investieren ist also mehr als das simple Anwenden eines Kriterienkatalogs. Es geht um ein ganzheitliches Verständnis für die Wirkung von Investments und deren Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen. ESG-Investieren ist vielschichtig und komplex – auch wenn sich manche Investoren eine Einfachheit der Materie und simple Umsetzbarkeit wünschen. Doch einfache Lösungen sind häufig auch einfach Greenwashing.



Über den Autor:
Bernd Meyer ist Chefstratege im Wealth und Asset Management der Berenberg Bank und für diskretionäre Multi-Asset-Strategien zuständig, zu denen auch die Vermögensverwaltungsmandate gehören. Zuvor war er Leiter für europäische Aktienstrategie bei der Deutschen Bank und baute seit 2010 das globale Cross-Asset-Strategie-Research bei der Commerzbank auf.

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