Statt Pseudo-Quantifizierung von ESG-Meinungen Wie sich mit der Blockchain Greenwashing verhindern lässt

Katharina Gehra ist Chefin und Co-Gründerin von Immutable Insight

Katharina Gehra ist Chefin und Co-Gründerin von Immutable Insight: Die Blockchain-Expertin plädiert für den Einsatz der Technologie zur Greenwashing-Prävention.

Die Blockchain hat ein wesentliches Merkmal: Sie ermöglicht Vertrauen durch Transparenz ohne Intermediäre. ESG dagegen ist im Kern schwer greifbar. Was ist wirklich green? Ist es besser, etablierten Firmen durch Kapital zu helfen, CO2-ärmer zu werden? Oder muss eine Firma erst CO2-neutral sein, bevor sie nachhaltig sein kann? Da man ESG im Einzelfall so differenziert diskutieren kann, ist eine neue Industrie am Entstehen: Audits, Scores, Gutachten – die im Einzelfall bewerten sollen, was als nachhaltig zu gelten hat. Auch die Regulatorik lässt viel Raum zwischen Anforderung und Realität. Die Auswahl von Investments soll sich auch an ESG-Kriterien orientieren. Empfindliche Einschränkungen sind zu erwarten, wenn dies nicht berücksichtigt wird.

Das passt mir nicht. Ich fühle mich mit Audits und Scores unwohl. Das ist eine Pseudo-Quantifizierung von Meinungen. Für mich braucht es diese Zwischenebene nicht. Für mich ist das Risiko des Greenwashings oder reines Cover my Back. Jeder Investor wird eine eigenständige Antwort für sich finden müssen. Aber bitte nicht durch das Auswählen des Reports, der es einem am bequemsten macht.

Für mich ist daher die essenzielle Frage, auf welchen Daten man aufsetzt. Diese sollten möglichst Primärdaten sein, die beispielsweise den tatsächlichen CO2-Ausstoß kontinuierlich misst oder den Strom dokumentiert, von seiner Produktion, seiner Speicherung und seiner Nutzung. Auf dieser Detailtiefe und mit so granularen Daten lassen sich beispielsweise Fragen rund um das „E“ in ESG schlicht messen. Werte von heute lassen sich gegen Werte von morgen abgleichen. Die Veränderung kann gemessen und damit auch bewiesen werden.

Oft höre ich: Das ist nicht möglich. Viel zu aufwändig. Es gäbe diese Daten überhaupt nicht. Und an genau der Stelle sage ich: Diese Annahme ist falsch. Hier fängt das Umparken im Kopf an.

Die Blockchain ist in ihrer einfachsten Form eine Datenkette. Sie reiht Daten im Zeitablauf aneinander und ist durch Dritte nicht rückwirkend veränderbar. Mehrere unabhängige Parteien verifizieren die Blockchain. Und da die Datenintegrität in der Rückschau nicht genug wäre, wenn es eine Möglichkeit gäbe die Rohdaten einer Messung zu verhindern, kommt jetzt eine Ergänzung zur Blockchain-Technologie hinzu.

Firmen wie etwa die österreichische Riddle & Code haben skalierbare Produkte bereits am Markt, die Daten beispielsweise direkt von Photovoltaikpanelen oder Stromspeichern messen und ohne menschliche Interventionsmöglichkeit auf eine Blockchain speichern. Damit ist die Datenintegrität bereits von der Quelle an gesichert und durchgängig nachvollziehbar. Das lässt alle anderen Arten des Nachweises und der Beurteilung sprichwörtlich alt aussehen.

Die Vorgehensweise hat noch eine Reihe von weiteren Vorteilen, die ich gerne erläutere. Insbesondere für diejenigen, die immer noch eher den alten Mythen des „Blockchain ist Energieverbrauch“ und „Bitcoin ist im Wesentlichen Geldwäsche“ oder sogar „es gibt immer noch keinen Use Case der Blockchain“ folgen.

Zunächst einmal ist wichtig, dass wir die Technologie der Blockchain unabhängig von den Kryptowährungen betrachten. Und es ist wichtig zu verstehen, dass es rund 800 unterschiedliche sogenannte Distributed-Ledger-Technologien gibt. Das heißt: Der Bitcoin-Energieverbrauch ist eine Kerneigenschaft der Bitcoin-Blockchain. Schon die zweitgrößte und deutlich jüngere Blockchain Ethereum verwendet einen anderen Konsensmechanismus, der deutlich weniger Energie verbraucht. Und es ist auch wichtig zu betonen, dass gerade Bankenvertreter hier gerne Äpfel mit Birnen vergleichen.

Denn: „Die Bitcoin-Blockchain“ umfasst alle Server, Konten, Transaktionen und das Produzieren der Coins selbst. Ja, das ist messbar und ist in Summe in etwa so viel wie Dänemark. Wie sieht es denn aber aus im traditionellen Bankgeschäft? Wie viel Energie verbraucht den das Äquivalent einer Euro-Überweisung nach Amerika? Da durchläuft diese Transaktion bei jeder der vier Banken (Sender – Korrespondenzbank Sender – Korrespondenzbank Empfänger – Empfänger) und deren jeweils mehrfach redundanten Serversysteme. Zudem benutzt sie noch die Infrastruktur der Zahlungssysteme und meist wird noch irgendein Nachweis auf Papier ausgestellt. Der Energieverbrauch und CO2-Ausstoß ist hier in Summe um einen kaum greifbaren Faktor höher.