Lackschuh statt Birkenstock Warum die Investmentbranche jetzt Nachhaltigkeit entdeckt

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Auch für die Finanzbranche geht es zunächst eher ums Geschäft. Denn sie muss sich mit Druck auseinandersetzen, den Anleger aufbauen. So meint der Investmentchef der Union Bancaire Privée in einem Interview: „Wenn Sie kein ESG-Angebot haben, werden Sie zum Pitchen nicht mal mehr eingeladen.“ Im Marktbericht der Kölner Vermögensverwaltung Flossbach von Storch heißt es knackig: „Sätze wie ‚wir machen jetzt auch in Nachhaltigkeit – verkauft sich besser‘ oder ‚unser Investmentkomitee will ein ESG-konformes Portfolio‘ zeugen nicht gerade von tiefer innerer Überzeugung, sondern sind eher Ausdruck reinen Marketings (Ein Super Geschäft) oder eines Politimperativs (Ein Sauberes Gewissen).“

                                        Quelle: UBS Wealth Management, Illustrationen: DMCA, Vecteezy.com, BSG Studio

Fragt sich nur, wie die Nachhaltigkeitsverfechter der ersten Stunde mit der aktuellen Situation klarkommen. Zum Beispiel Unternehmen wie Degroof Petercam und Sycomore Asset Management, die seit Jahren ESG-Kriterien in ihren Portfolios berücksichtigen, das aber gar nicht explizit auf die Fonds draufschreiben. Oder der Vorreiter der nachhaltigen Geldanlage, Ökoworld aus Hilden. Deren Vorstandschef Alfred Platow antwortet auf eine entsprechende Frage zunächst diplomatisch: „Es ist gut, dass mehr Bewusstsein entstanden ist und sich etwas bewegt.“ Er schiebt aber nach: „Nicht alle, die sich nun auf den Marketingzug der Nachhaltigkeit aufgeschwungen haben, sind ernsthaft dabei. Das stört mich natürlich schon, weil Anleger hier für dumm verkauft werden.“ Detlef Glow sieht in Spezialisten wie Platow sogar Gewinner des neuen Trends. Denn die Kenntnisse der Investoren werden zunehmen und mit ihnen der Wunsch nach präziseren, stärker spezialisierten Produkten, so der Lipper-Mann.

Es ist zu erwarten, dass Angebot, Nachfrage und messbare Nicht-Leistungen die Mogelpackungen irgendwann aus dem Markt fegen. Die gute Sache dürfte dann trotzdem etwas vorangekommen sein. Auch R.E.M. hat mit den nach 1991 folgenden Alben wieder einige neu gewonnene Fans verloren. Aber ein großer Teil ist geblieben. Das lässt auch für wirklich nachhaltige Anlagen hoffen.

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