Interview mit Patrick Sobotta und Matthieu Mouly von Natixis IM / Ostrum AM „Die Entwicklung der 100-jährigen Anleihe zeigt, dass es am Markt keinen Free Lunch gibt“

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Interview mit Patrick Sobotta und Matthieu Mouly von Natixis IM / Ostrum AM
„Die Entwicklung der 100-jährigen Anleihe zeigt, dass es am Markt keinen Free Lunch gibt“
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Patrick Sobotta von Natixis und Matthieu Mouly von Ostrum Asset Management

Patrick Sobotta von Natixis und Matthieu Mouly von Ostrum Asset Management: Deutsche Anleger neigen dazu, einen „strategischen“ Ansatz bei ihren Investitionen zu verfolgen, während sie in Frankreich eher „taktische“ Positionen einnehmen. Foto: Natixis / Ostrum AM

      private banking magazin: Herr Sobbotta, die Zinsen sind wieder zurück, die Zinsstrukturkurve Invers – das spricht insbesondere für Anlagen im Geldmarktbereich! Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Patrick Sobotta: Wir befinden uns in einer Übergangsphase, in der wir nicht wissen, ob die Zinsen weiter steigen werden oder ob wir den Zinsgipfel erreicht haben. Was wir aber mit Sicherheit sagen können ist, dass sich durch den bereits gesehenen Zinsanstieg nun eine Gelegenheit bietet, Geldmarktinstrumente zu nutzen und ohne Zinsänderungsrisiken einzugehen, Renditen erzielen zu können. Da Anleger durch die angesprochene inverse Zinsstruktur am langen Ende derzeit sogar weniger Rendite aus Staatsanleihen bekommen, ist das umso interessanter. Es spricht demnach einiges dafür, sich die Flexibilität kurzer Laufzeiten zu erhalten und gleichzeitig Renditen zu erzielen, wie es sie lange am Anleihenmarkt nicht mehr gegeben hat.

Mit Ostrum Asset Management hat Natixis einen Fixed Income-Experten unter den „Affiliates“. Welche Rolle spielt das Unternehmen in Ihrem Vertriebskonzept in Deutschland?

Sobotta: Die Stärkung des Geschäfts in Deutschland ist für uns eine der strategischen Prioritäten in Europa. Im kommenden Jahr wollen wir versuchen, unseren Kunden die Vorteile einer klugen Geldmarktstrategie näherzubringen. Denn neben ihrem Potenzial für überdurchschnittliche Renditen tragen Anlagen am Geldmarkt auch dazu bei, Portfolios zu diversifizieren und gleichzeitig eine gewisse Sicherheit in volatilen Marktphasen zu bieten. Ostrum AM fokussiert sich darauf, die makroökonomischen Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und passende Strategien anzubieten. Hier liegt eine besondere Expertise unseres Partners und seinen Konzepten.  

Herr Mouly, Sie sind seit 1999 in der Vermögensverwaltung tätig, seit Juli dieses Jahres in leitender Rolle bei Ostrum AM. Erzählen Sie uns etwas über Ihre Karriere und prägende Meilensteine!

Matthieu Mouly: Ein erster Meilenstein war sicherlich, dass ich die Gelegenheit hatte, als Aktienanalyst auf der Verkaufsseite zu arbeiten und den Mediensektor zu beobachten. Meine Aufgabe bestand darin, Investoren zu beraten, welche Unternehmen im Mediensektor gekauft oder verkauft werden sollten. Das war ebenso interessant wie herausfordernd! Ich musste nicht nur die Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen der Unternehmen analysieren, sondern auch versuchen, die richtige Kauf- oder Verkaufsempfehlung für das richtige Unternehmen zum richtigen Zeitpunkt abzugeben.

Was haben Sie für sich aus dieser Zeit mitgenommen?

Mouly: Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, wie anspruchsvoll die Arbeit eines Portfoliomanagers ist. Wenn ich an diese Erfahrung zurückdenke, fällt mir auch auf, dass wir damals erst am Anfang des großen Durchbruchs der digitalen Medien standen. Das bedeutete, dass alle europäischen Unternehmen, die ich betreute, also Werbeagenturen, Verlage, Rundfunkanstalten und weitere unter Druck standen. Die großen Gewinner waren in den USA, über die ich aber nicht berichtete. Infolgedessen gab ich hauptsächlich Verkaufsempfehlungen für die Unternehmen, die ich betreute. Es war eine stressige Zeit, was die Analyse und die Entscheidungsfindung betraf.

Welches war der zweite Meilenstein?

Mouly: Ein zweiter Meilenstein meiner Karriere war meine Entscheidung, in das ETF-Geschäft der Société Générale, Lyxor ETF, einzutreten, wo ich 15 spannende Jahre verbrachte, in denen ich das Geschäft von 20 auf 100 Milliarden Euro ausbaute und auch das Geschäftsentwicklungsteam von 15 Vertriebsmitarbeitern zu einer voll ausgestatteten Geschäftsentwicklungseinheit mit 50 Kollegen von Vertrieb bis zu Anlagespezialisten entwickelte. Diese Aufgabe war auch eine Herausforderung angesichts des harten Wettbewerbs mit Investmentgiganten wie Blackrock, State Street, Vanguard und Amundi – das Lyxor schließlich für 900 Millionen Euro übernahm.

 

Was ich aus meinen verschiedenen Erfahrungen mitnehme ist, dass man in der Branche nur wachsen kann, wenn man seinen Kunden einen Mehrwert bietet. Und dazu muss man sich fragen: Was machen wir als Unternehmen besser als die anderen? Wo können wir den Unterschied ausmachen? Wenn Sie den Mehrwert identifiziert haben, besteht die Herausforderung darin, den Markt dafür zu sensibilisieren. Letztlich geht es darum, die Investoren bei der Erfüllung ihrer Ziele zu unterstützen.

Die Anleihemärkte haben sich in den vergangenen Jahren mitunter extrem entwickelt. Eine österreichische 100-jährige Anleihe wurde gezeichnet. Was sagt das über die Anleger aus?

Mouly: Im Zeitraum 2020-2021 lagen die EZB-Zinsen bei 0 Prozent oder im negativen Bereich. Die Anleger waren auf der Jagd nach Rendite. Es gab nur wenige Möglichkeiten, eine "anständige" Rendite zu erzielen: ein Kreditrisiko eingehen und sich für Schwellenländeranleihen entscheiden oder ein gewisses Durationsrisiko eingehen. Zu dieser Zeit bot eine neu emittierte Staatsanleihe mit einer Laufzeit von 100 Jahren – was einem Durationsrisiko von 100 Jahren entsprach – eine Rendite von nur 0,85 Prozent. Später ist der Einlagensatz der EZB von minus 0,50 Prozent auf 4 Prozent gestiegen, und der Wert dieser 100-jährigen Anleihe ist um 65 Prozent gefallen.

Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen

Mouly: Die Entwicklung der 100-jährigen Anleihe ist eine gute Erinnerung daran, was Durationsrisiko bedeutet: Selbst wenn Sie eine sehr sichere Anlage kaufen, können Sie Verluste erleiden, wenn die Zinsen steigen. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es auf dem Markt kein „Free Lunch“ gibt. Wenn die EZB-Zinsen bei 0 Prozent liegen, können Sie über die lange Laufzeit zwar 0,85 Prozent erhalten, aber das Durationsrisiko, das mit der Investition einhergeht, kann erheblich sein.

Gleichzeitig haben es die europäischen Regierungen – vor allem die deutsche – versäumt, sich durch lange und niedrige Zinssätze zu finanzieren. Sind Politiker schlechte Investoren?

Mouly: Das ist eine gute Frage, aber schwer zu beantworten. Im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, Defizite und Schulden unter bestimmten Grenzen zu halten. Das öffentliche Defizit eines Mitgliedstaats darf 3 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten, während die Verschuldung 60 Prozent des BIP nicht übersteigen darf. Deutschland hat mehr als jedes andere EU-Land sein Bestes getan, um dieses Ziel einzuhalten und sogar zu übertreffen. Und Deutschland ist heute das einzige der großen europäischen Länder, das diese Grenzen einhält. Die Refinanzierung der deutschen Schulden wird wahrscheinlich viel weniger schmerzhaft sein als für Länder, die viele Schulden gemacht haben, als die Zinsen noch bei 0 Prozent lagen.