Fünf Gründe Deshalb lässt sich die Finanzkrise 2007 nicht auf das aktuelle Marktumfeld übertragen

Marcus Cieleback von Patrizia

Marcus Cieleback von Patrizia: „Die Immobilie ist keine Alternative zur Staatsanleihe. Sie ist eine eigene Assetklasse, hat andere Liquiditätsthematiken, und sie weist andere Eigenschaften bei den laufenden Erträgen auf.“ Foto: Patrizia

Krisen sind keine Vulkanausbrüche, deren Entstehung und Ablauf sich physikalischen Gesetzen gehorchend wiederholt. Während Geologen und Seismologen die Ursachen und Folgen von Eruptionen weltweit immer genauer erfassen, analysieren und entsprechende Warnungen im Vorfeld die Öffentlichkeit erreichen, lassen sich Marktentwicklungen und ihre krisenhafte Zuspitzung bis heute nicht in einer Weise antizipieren, die eine umfassende Schadensbegrenzung im Vorfeld einer Krise ermöglichen würde. Ähnlich verhält es sich mit dem weiteren Verlauf von Krisen.

Wir sind zwar in der Lage, Lehren aus vergangenen Marktkrisen zu ziehen und Krisen miteinander zu vergleichen. Aber wer versucht, Krisen gleichzusetzen und behauptet, zukünftige Entwicklungen deshalb antizipieren zu können – wie ich es dieser Tage immer wieder in Bezug auf die Finanzkrise 2007 und aktuelle Entwicklungen erlebe – verkennt meines Erachtens das Wesen von (Wirtschafts-)Krisen.

Deshalb lohnt es sich, die aktuellen krisenhaften Entwicklungen auf Ursachen und Folgen hin einzuordnen – und so voreilige Schlüsse zu vermeiden, die aktuelle Krise lasse sich mit jener vor rund 15 Jahren gleichsetzen.

1. Unterschiedliche Ursachen

Auslöser der globalen Finanzkrise vor rund fünfzehn Jahren war, dass im Jahresverlauf 2007 in den USA die Zahl von Kreditausfällen im sogenannten Subprime-Segment nach oben schnellte. Schuldner, in erster Linie finanzschwache Privatpersonen, die Häuser auf Basis laxer Kreditvergabe von Hypothekenanbietern gekauft hatten, waren nicht mehr in der Lage, ihre Darlehen zu bedienen. Hinzu kam, dass viele dieser Hypotheken verbrieft worden waren. Bei diesen „mortgage backed securities“ (kurz: MBS) und darauf aufbauenden Strukturen kam es in der Folge zu Ausfällen.

 

Gerade auch deutsche Banken waren damals in diesen Papieren investiert. Sie stellten fest, dass Bonitätsnoten von "AAA" nicht gleichzusetzen sind mit hoher Liquidität. So kam es zu Übertragungs- und Ansteckungseffekten in Europa. In der Folge führte die Entwicklung zu einer Bankenkrise, die schließlich eine weltweite Rezession nach sich zog.

Dagegen sind aktuell der Preisschub bei den Energiekosten im Sog des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und die daraus folgende Inflation ursächlich für die derzeitige Krise. Mit ihren sukzessiven Leitzinserhöhungen haben die wichtigsten Zentralbanken weltweit dem jahrelangen Niedrigzinsumfeld ein abruptes Ende bereitet und bei Aktien und Anleihen im Jahr 2022 für herbe Verluste gesorgt. Beim Euro-Bund-Future beispielsweise, einem wichtigen Gradmesser für die Wertentwicklung langfristiger Bundesanleihen, sahen wir 2022 ein Minus von 22 Prozent. Darüber hinaus bedingen Zinswende und höhere Inflation höhere Finanzierungs- und Refinanzierungskosten. Hinzu kommen zeitweise Lieferengpässe im Nachgang der Corona-Pandemie.

Zusammengefasst: Die globale Finanzkrise 2007 war in einem Umfeld entstanden, das den Notenbanken Zinssenkungen ermöglichte. In der aktuellen Krise können Notenbanken keine expansive Geldpolitik verfolgen, denn die aktuelle Situation bedingt Zinserhöhungen zur Inflationsbekämpfung.

2. Unterschiedlicher Verlauf

Krisen gehen einher mit Phasen der Illiquidität, die Volatilität nimmt zu. Je nach Assetklasse sind beide Tendenzen unterschiedlich stark ausgeprägt. Auf die Verluste in der Assetklasse Festverzinsliche habe ich bereits hingewiesen. In der Assetklasse Immobilien prägen Wertkorrekturen das Marktgeschehen in der Regel in den ersten beiden Jahren einer Krise. Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern klaffen auseinander, der Transaktionsmarkt kommt über weite Strecken zum Erliegen. Die in der Folge einsetzenden Entwicklungen sind indes weniger absehbar.