Marktkonsolidierung Immobilien-Krise: „Einige Investoren müssen Verluste realisieren“

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Immobilien-Krise: „Einige Investoren müssen Verluste realisieren“
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Sanierungsbedarf: Die Immobilienbranche – nicht nur in Deutschland – muss sich derzeit neu erfinden.Immobilienbranche – nicht nur in Deutschland – muss sich derzeit neu erfinden

Sanierungsbedarf: Die Immobilienbranche – nicht nur in Deutschland – muss sich derzeit neu erfinden. Wer diese Marktkonsolidierung überleben will, sollte einiges beachten. Foto: Imago Images / Pond5

Mit Corona fing es an. Stillstand auf den Baustellen, Lieferketten waren gestört, Arbeiten im  Homeoffice machte Büro-Immobilien nachhaltig Konkurrenz, die bereits vorhandenen Probleme bei Einzelhandelsimmobilien – exklusive Grundversorger – wurden verstärkt. Es folgte der russische Angriffskrieg, eine hohe Inflation – und in deren Windschatten die Zinswende. Jedes einzeln für sich ein tiefgreifendes Problem. Vor dem Hintergrund der vom Regulator beschlossenen Energiewende treten sie geballt auf und setzen der Immobilienbranche zu. 

„Insgesamt ist mit einer Marktkonsolidierung zu rechnen, ähnlich wie nach der Lehman-Krise. Sowohl einige Asset- und Fondsmanager als auch Entwickler und Dienstleistungsunternehmen werden betroffen sein“, sagt Markus Reinert, Geschäftsführer der IC-Immobilien-Gruppe. Projektentwickler bräuchten jetzt klar größere Eigenkapitalpuffer. Es sei nicht mehr möglich, von einem Objekt zum nächsten zu springen, indem gebundenes Eigenkapital durch einen schnellen Exit frei gemacht wird. „Zudem kommt es auf das Management an, um die Balance zwischen steigenden Fremdkapitalzinsen, hohen Kosten, Fachkräftemangel und stockender Nachfrage auszutarieren. Schwächer aufgestellte Anbieter werden vermehrt aus dem Markt ausscheiden“, ergänzt Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel. 

Immerhin die Lieferkettenproblematik löse sich laut Fabian von Köppen, Geschäftsführer der Garbe Immobilien-Projekte, langsam auf. Die Rohstoffpreise für Holz, Glas und Stahl seien wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Die vergangenen Jahre zeigen laut von Köppen auf vielfältige Weise, dass es mehr denn je Zeit ist, umzudenken. Und zwar insbesondere für Projektentwickler: „Die Anforderungen an die Stadt sowie an Immobilien haben sich verändert. Zum einen aufgrund des herausfordernden ökonomischen Marktumfeldes, aber auch angetrieben durch veränderte Nutzerbedürfnisse und letztlich auch durch die Rolle, die Immobilien in unserer Umwelt einnehmen.“

 

 

 

Reinert von IC Immobilien rechnet damit, das frühestens Mitte 2025 das von den Notenbanken angestrebte Inflationsziel von 2 Prozent erreicht wird. Bis dahin werde es „schmerzliche Anpassungen“ geben, die gerade erst anlaufen. „Nachdem die erzielbaren Kaufpreise je nach Nutzungsart und Lage bereits teils deutlich gesunken sind, werden die Portfolios neu durchbewertet. Es wird noch zu spürbaren, wenngleich nicht zu erheblichen Abschreibungen kommen“, so Reinert.  Bei diesem Prozess hinke Deutschland hinterher, weiß Martin Lemke, Chef des Family Office AM Alpha und Chairman der European Association for Investors in Non-Listed Real Estate Vehicles. Die Inrev ist eine gemeinnützige Vereinigung, die Interessen von über 460 Mitgliedern, darunter institutionelle Anleger und Fondsmanager für nicht-börsennotierte Immobilienfonds in Europa, wahrnimmt. 

Hierzulande werden Immobilien einmal im Jahr bewertet. Im angelsächsischen „Mark to market“-Modell geschehe das mindestens einmal im Quartal. Bewegt der Markt sich, spiegelt sich das schnell im Gutachten wider. Der Wert der Immobilie ist das, was der Markt dafür bezahlt. „In Deutschland haben wir einen langfristigeren Verkehrswert. Negative und positive Effekte, die nur temporär sind, werden in der Betrachtung ausgeklammert“, so Lemke. Aus diesem Grund gibt es in Deutschland stabilere Marktwerte, weshalb derzeit oft die Rede davon ist, dass Verkäufer und Käufer um die zwei Jahre brauchen werden, um sich hierzulande wieder zu finden.

 

Nervenaufreibende Findungsphase

„Ein Art Schockstarre“, nennt Mumm von Donner & Reuschel den Zustand, in dem der Markt sich derzeit befinde. Nach Jahren deutlicher Preissteigerungen seien Verkäufer in seinen Augen derzeit noch nicht bereit, größere Abschläge im Vergleich mit den einmal erreichten Preisniveaus zu akzeptieren. Potenzielle Käufer hingegen würden abwarten und auf noch günstigere Einstiegsmöglichkeiten hoffen. „Der Markt entwickelt sich von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt“, so Mumm. Allerdings steige der Refinanzierungsdruck mit anhaltend hohen Zinsen. In den kommenden Monaten dürfte daher sukzessive mehr Angebot auf und damit mehr Bewegung in den Markt kommen, schätzt Mumm.