Für Umwelt und Rendite „ESG muss endlich auf allen Chefetagen ankommen“

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In Anbetracht dieser unangenehmen Zahlenlehre von Energieangebot und Nachfrage beteiligen sich vielleicht mehr Investoren an den grünsten Unternehmen innerhalb der Industrie für braune fossile Brennstoffe – um deren Richtung positiv zu beeinflussen. RWE beispielsweise, ein deutscher Energiekonzern, ist der zweitgrößte Offshore-Windentwickler der Welt. Dennoch sehen viele Investoren den Konzern aufgrund des alten Kohlegeschäfts immer noch als schmutzig an – und das, obwohl das Unternehmen mit der Regierung eine Vereinbarung getroffen hat, komplett aus der Kohle auszusteigen.

Tatsächlich ermöglichen es die Verbesserungen bei den Kohlenstoff- und Klimadaten auf Unternehmensebene den Anlegern, gewinnbringende Unternehmen im traditionellen Energiesektor zu identifizieren, die sich stark auf umweltfreundlichere Technologien stützen, während sie sich von Dinosauriern fossiler Brennstoffe mit hohem Überalterungsrisiko fernhalten. Diese nuanciertere Perspektive erlaubt es Investoren, über die Einteilung in "grüne Helden“ der erneuerbaren Energien und "braune Schurken“ der fossilen Brennstoffe hinauszugehen.

Drittens: Grüne Investitionen können dem Risiko- und Early-Stage-Kapital neues Leben einhauchen – einem Investitionsbereich, der seit 2000 fast kein Alpha mehr generiert hat und in dem die Chancen angesichts der defensiven Gräben, die die Technologiegiganten um ihre Unternehmen herum aufgebaut haben, immer geringer werden. Eine Reihe von Chancen besteht in potenziell transformativen Early-Stage-Technologien wie wasserstoffbetriebenen Zellen oder Kohlenstoffbindung und -speicherung.

Eine weitere liegt im Bereich Agrartechnologie, da diese in der Präzisionslandwirtschaft für die Echtzeitüberwachung von Farmen, fortschrittliche Wettervorhersagen und vertikale Landwirtschaft eingesetzt werden. Parallel dazu schafft die Ökologisierung der Kapitalmärkte neue Investitionsmöglichkeiten in Finanzinstrumente wie grüne Anleihen, Kohlenstoffemissionszertifikate, Resilienzanleihen und Solar Asset Backed Securities.

Institutionelle Investoren mit ernsthaften ESG-Zielen, können diese neuen Märkte mitgestalten. Eine Neuausrichtung der Klima-Agenda könnte eine Vielzahl ungenutzter Möglichkeiten für Investoren freisetzen, die den Klimawandel bekämpfen wollen. Für die Mehrheit der institutionellen Investoren, die das Thema Klima zwar als langfristige Überlegung anerkennen, es aber noch nicht in ihr Portfolio aufgenommen haben, ist die Zeit des Nachdenkens vorbei. Jetzt ist es an der Zeit, das Klima nicht mehr nur als Risikofaktor zu betrachten, sondern die sich bietenden Chancen zu nutzen, um den Übergang zu einem grüneren Planeten zu beschleunigen.


Über den Gastautor:

Taimur Hyat ist Geschäftsführer bei PGIM, dem 1,5 Billionen Dollar schweren Vermögensverwaltungsgeschäft der Lebensversicherungsgesellschaft Prudential Financial. Vor dieser Zeit war er in ähnlichen Positionen, unter anderem, bei der Bank Credit Suisse und dem Unternehmensberater McKinsey tätig.

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