Von der Kür zur Pflicht: Das Thema Nachhaltigkeit gehört für Deutschlands Vermittler spätestens ab August nächsten Jahres zum typischen Beratungsgespräch über Versicherungsanlageprodukte. Nachdem die Anlageziele des Kunden geklärt sind, geht es dann auch um die Kriterien Environment, Social und Governance (ESG), also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Damit die von den neuen Auflagen der EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II betroffenen Vermittler einen „umfassenden Blick auf das Thema Nachhaltigkeit im Zuge der Beratung haben“, erweitert das von Pascal Schiffels geleitete Analysehaus Morgen & Morgen (M&M) sein Angebot um einen neuen ESG-Check für Versicherungsprodukte.
Im Teilbereich Umwelt soll die Analyse beispielsweise aufzeigen, inwiefern sich der Versicherer um einen geringeren CO2-Ausstoß bemüht. Der Fokus liegt hierbei insbesondere auf ökologische und soziale K.-o.-Kriterien bei der internen Kapitalanlage. Im Teilbereich Soziales wollen die M&M-Tester offenlegen, inwieweit der Versicherer Verantwortung gegenüber verschiedenen internen und externen Anspruchsgruppen übernimmt. Konkret geht es dabei zum Beispiel um das Engagement für die eigenen Mitarbeiter, Kunden oder die gesamte Gesellschaft. Im Teilbereich Unternehmensführung zählen die finanzielle Lage und Transparenz des Versicherers oder die Frage, ob es einen Nachhaltigkeitsbeauftragten gibt.
Nachhaltigkeit von Versicherungen untersucht
Das entsprechende Produktsiegel für die als positiv bewerteten Versicherer vergibt M&M im Rahmen einer neuen Zusammenarbeit mit Zielke Research Consult. Dessen Geschäftsführer Carsten Zielke will vor allem Versicherungsmakler und Finanzanlagenvermittler erreichen. Denn sie seien „die wichtigsten Akteure im Bemühen, das Bewusstsein von Privatkunden in Sachen Nachhaltigkeit zu schärfen“. Für sie kündigt Zielke für Ende November ein neues Produkt-Label an: „Dann kann auch erstmals in Deutschland auf den besonderen Wunsch des Kunden nach nachhaltigen Versicherungsprodukten eingegangen werden.“ Außerdem schaffe man so Haftungssicherheit für die Vermittler beim Umsetzen der Vorgaben.
Demnach muss der Berater künftig nicht nur die Präferenz zu Produkten abfragen, er muss auch über die Nachhaltigkeit der Produkte berichten können. „Ein schwieriges Unterfangen“, berichtet Bernward Maasjost aus der Praxis. „Die gesetzliche Aufgabenstellung ist klar formuliert, nicht hingegen die Umsetzungskriterien“, so der Geschäftsführer beim Finanz- und Versicherungsmakler PMA aus Münster weiter. Banken, Vermögensverwalter, Finanzvertriebe und Versicherungsvermittler müssten Verbraucher detailliert aufklären. „Wie sie an belastbare Informationen gelangen sollen, ist jedoch noch völlig unklar.“ Hoffnung setzt der PMA-Chef nun aber in Zielkes neues Policen-Rating.
Haftungssicherheit für Versicherungsvermittler
„Mit diesem Produkt-Label, erhalten unsere Partner Haftungssicherheit. Genau das ist es, was wir aktuell benötigen. Darum sind wir der erste Maklerpool, der eine Zusammenarbeit mit Zielke vereinbart hat“, erklärt Maasjost. „Momentan ist die Branche orientierungslos und ohne Plan. Es ist Zeit, dieses Chaos zu beenden. Die Nachfrage nach nachhaltigen Anlageprodukten seitens der Kunden wächst.“ Für diese Vorsorgesparer laute bei fondsgebundenen Rentenversicherungen die zentrale Frage: Ist der Fonds nachhaltig? Analyst Zielke betont daher: „Wir beurteilen sowohl das Sicherungsvermögen der Unternehmen als auch die Qualität des Fonds im Sinne der Artikel 8 und 9 gemäß Offenlegungs- beziehungsweise Taxonomie-Verordnung.“
Bislang bewertete Zielkes Team nur die Policen-Anbieter anhand ihrer Nachhaltigkeitsberichte. In sogenannten Corporate-Social-Responsibility- (CSR-) Berichten müssen börsennotierte Firmen und alle Finanzinstitute mit mehr als 500 Mitarbeitern darlegen, inwiefern sie gesellschaftliche Verantwortung im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens übernehmen. Sie umfassen dabei soziale, ökologische und ökonomische Aspekte. Das entsprechende CSR-Label für transparentes ESG-Engagement hat M&M bereits in sein Software-Produkt M&M Office aufgenommen, mit dem Versicherungsmakler die Anbieter analysieren und vergleichen können. Auch das ist laut Zielke „wichtig, damit Berater ihrer Pflicht nachkommen können, zu nachhaltigen Policen zu beraten“.
Die Vergabe der aktuellen CSR-Labels basiert auf der Gesamtpunktzahl des jeweiligen Versicherers. Die Versicherer Axa und Basler machten demnach zuletzt besonders große Sprünge nach vorne.