Dax-Pensionswerke Ausfinanzierung erreicht Rekord, fünf Konzerne stechen heraus

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Dax-Pensionswerke
Ausfinanzierung erreicht Rekord, fünf Konzerne stechen heraus
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Johannes Heiniz  von Willis Towers Watson

Johannes Heiniz von Willis Towers Watson: „Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften und sind bereit, dafür einiges in die Waagschale zu werfen. Es ist davon auszugehen, dass sie ihren Mitarbeitenden noch stärker als bislang den Wert ihrer Betriebspensionen nahebringen, um die Bindung an das Unternehmen zu stärken.“ Foto: WTW

Die Zinspolitik der Notenbanken hat die Pensionswerke der Dax-Unternehmen im Geschäftsjahr 2022 wesentlich beeinflusst. Aufgrund mehrerer Zinsanhebungen stieg der internationale 
Rechnungszins auf aktuell 3,74 Prozent – das höchste Niveau seit beinahe zehn Jahren. Der Umfang der Pensionsverpflichtungen konnte daher in den Geschäftsberichten mit 308 Milliarden Euro um 25,4 Prozent niedriger angesetzt werden als im Vorjahr. Gleichzeitig sorgten Turbulenzen an den Aktien- und Anleihenmärkten dafür, dass die Pensionsvermögen spürbar sanken – um 17,8 Prozent auf 245 Milliarden Euro.

Der Wertverlust war jedoch geringer war als der Rückgang der Pensionsverpflichtungen, weshalb der Ausfinanzierungsgrad – das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtungen – auf einen bislang unerreichten Höchststand von 80 Prozent steigt. Der bisherige Rekord wurde 2021 aufgestellt – mit 72 Prozent. So ein Ergebnis der Studie „DAX-Pensionswerke 2022“ der Unternehmensberatung Willis Towers Watson (WTW).

Fünf Unternehmen stehen dabei per Ende 2022 für rund 43 Prozent der Pensionszusagen (Defined Benefit Obligation, DBO) aller Unternehmen im Dax 40.

  1. Volkswagen (42,2 Milliarden Euro)
  2. Siemens (27,9)
  3. BASF (21,7)
  4. Allianz (21,3)
  5. Mercedes-Benz (20,8).

„Das Jahr 2022 war durch außergewöhnliche ökonomische Rahmenbedingungen geprägt: der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, Rezessionsängste, der rasante Anstieg der Inflation, schnelle, starke Zinsanhebungen der Notenbanken, und eine große Volatilität an den Kapitalmärkten. Erfreulich ist, dass die Unternehmen ihre Pensionswerke dennoch so robust managen konnten, dass heute sogar vier Fünftel der Pensionsverpflichtungen mit spezifisch reserviertem Vermögen bedeckt sind. So hoch war der Ausfinanzierungsgrad noch nie“, sagt Hanne Borst, Leiterin Retirement Deutschland bei WTW.

 

 

 

„Die Unternehmen werden das herausfordernde wirtschaftliche Umfeld und dessen Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung weiterhin engmaschig überwachen“, ergänzt ihr Kollege Johannes Heiniz, Leiter General Consulting bei WTW. „Es bleibt abzuwarten, wie die Notenbanken und die Kapitalmärkte künftig auf die immer noch erhöhte Inflation, die Rezessionsängste und die aktuellen Herausforderungen im Finanzsektor reagieren. Der Rechnungszins und die Kapitalmärkte werden wohl auch im Jahr 2023 volatil bleiben“, sagt Heiniz. Er fügt hinzu: „Die Pensionswerke sind jedoch auch für volatile Kapitalmärkte robust
aufgestellt.“

Rentenzahlungen steigen aufgrund der Inflation

Die aufgelaufene Inflation im Jahr 2022 bedeutet für die Dax-Unternehmen jährliche 
Mehrbelastungen in den Rentenzahlungen von gut 110 Millionen Euro. Grund ist, dass 
Betriebsrentenzahlungen regelmäßig anzupassen sind und für die Bemessung der Anpassungen meist der Anstieg der Verbraucherpreise einbezogen wird. Angesichts weiterhin hoher Inflationsraten kommen für das Jahr 2023 geschätzt weitere 400 bis 500 
Millionen Euro an Rentenanpassungen hinzu.

„Abgesehen von den Rentensteigerungen wirkt sich die aktuell hohe Inflation auf die Pensionsverpflichtungen insgesamt eher moderat aus, weil die Trendannahmen für die Entwicklungen von Renten und Gehältern langfristig gewählt sind“ berichtet Aktuarin 
Borst. Typischerweise wird hier ein Zeithorizont von 15 Jahren zugrunde gelegt. Mittelfristig geht man von einem deutlichen Rückgang der Inflation aus. Daher wurden die Erwartungen für die künftigen Rentensteigerungen im Mittel lediglich um 40 Basispunkte auf 2,15 Prozent angehoben.

Zinsanstieg entlastet Pensionswerke

„Deutlich stärker als die Inflation beeinflusst allerdings der Rechnungszins die Pensionsverpflichtungen“, erläutert Borst. Grundsätzlich gilt: Steigt der Rechnungszins
um 100 Basispunkte, sinken die Pensionsverpflichtungen um rund 12,2 Prozent, was derzeit 36,1
Milliarden Euro entspricht. Da der Rechnungszins im Verlaufe des Jahres 2022 durch signifikante 
Leitzinserhöhungen der Notenbanken auf 3,74 Prozent (Vorjahr: 1,20 Prozent) stieg, wurden die Pensionswerke buchhalterisch wesentlich entlastet.

Bedeutung der betrieblichen Altersversorgung wächst weiter

Angesichts enger Arbeitsmärkte setzen viele Unternehmen noch stärker auf die 
betriebliche Altersversorgung (bAV) als bislang. „Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften und sind bereit, dafür einiges in die Waagschale zu werfen. Es ist davon auszugehen, dass sie ihren Mitarbeitenden noch stärker als bislang den Wert ihrer Betriebspensionen nahebringen, um die Bindung an das Unternehmen zu stärken“, so Heiniz.

 

 

 

Wie in den vergangenen Jahren haben auch 2022 viele Dax-Unternehmen die Finanzierungsbasis ihrer Pensionswerke – trotz der aktuellen wirtschaftlichen Turbulenzen – weiter ausgebaut. Insgesamt wurden den Pensionsvermögen 6,7 Milliarden Euro zugeführt (Vorjahr: 9,0 Milliarden Euro). „Das ist ein deutliches Zeichen für die Bedeutung, welche die Unternehmen der betrieblichen Altersversorgung beimessen“, schlussfolgert Borst.

Langfristige und nachhaltige Kapitalanlage

Seit einigen Jahren ist zudem zu beobachten, dass in den Pensionsanlagen sowohl ESG-Kriterien als auch alternative Investments stärker berücksichtigt werden. „Pensionsanlagen werden für einen Zeithorizont von vielen Jahrzehnten aufgestellt. Mit diesem langfristigen Anlagehorizont kommen Pensionsanleger an einer klimaneutralen und nachhaltigen Kapitalanlage nicht vorbei“, betont Heiniz. Breit diversifizierte Portfolien schnitten 2022 deutlich besser ab, da insbesondere alternative Anlageklassen weniger Wertverluste als Aktien oder Anleihen verzeichneten.

Hintergrundinformationen zur Studie

Die Studie „Dax-Pensionswerke 2022“ basiert auf den Geschäftsberichten der 
40 Dax-Unternehmen, einschließlich der Anhangangaben zu den Pensionsverpflichtungen sowie weiterer öffentlich zugänglicher Daten. Per 21. März 2023 hatten 32 Indexmitglieder ihre Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 vorgelegt. Bei acht Unternehmen, deren aktuelle Daten noch nicht veröffentlicht sind, hat WTW die Vorjahreswerte berücksichtigt und damit Hochrechnungen durchgeführt. Die aktuellen Zahlen zum Dax 40 beziehen sich auf den Stand des Index zum 31.12.2022. Die dargestellten Vorjahreszahlen stellen die tatsächlichen Ist-Werte des Dax 40 zum 
31.12.2021 dar. Die der Auswertung zugrunde liegende WTW-Datenbank ermöglicht Vergleiche bis ins Jahr 1999.

Über Willis Towers Watson (WTW)


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für nachhaltigen Erfolg auf und bieten Perspektiven, die Sie weiterbringen. 

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