Es wäre eine der größten Bestandsverkäufe in der Geschichte der deutschen Versicherungsbranche: Es geht um 720 000 Lebensversicherungsverträge mit 21 Milliarden Euro Kapitalanlagen der Zurich. Konkret wollte der Konzern die Bestände an eine neu gegründete Gesellschaft übertragen und diese dann an den Abwicklungsspezialisten Viridium aus Neu-Isenburg veräußern. Als Kaufpreis wurden in Branchenkreisen 500 Millionen Euro genannt.
Wie Run-Offs immer populärer wurden
Dieses „Run-Off“ genannte Geschäftsmodell hat in den vergangenen Jahren einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren. Die Generali gab einst ihren Bestand an Viridium ab, vier Millionen Kunden waren betroffen. Der Aufschrei war groß, denn Altersvorsorgesparer haben bei solchen Transaktionen kein Sonderkündigungsrecht und haben plötzlich nicht mehr ihren bekannten Versicherer als Vertragspartner, sondern womöglich einen Investor oder Finanzkonzern aus einem Steuerparadies oder undemokratischen Staat.
Heute sind die Deals fast schon Routine in der Branche. Für die Lebensversicherer ist der Run-off eine gute Gelegenheit, Hunderttausende von Altverträgen loszuwerden und sich damit von Kunden zu trennen. Dass dies so attraktiv geworden ist, hängt vor allem mit veränderten Aufsichtsregeln und der Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre zusammen. Bei den Lebensversicherern sinkt schlicht der Kapitalbedarf, wenn sie Altverträge mit vergleichsweise hohen Zinsgarantien loswerden.
Bafin will keine Genehmigung erteilen
Doch im Fall von Zurich und Viridium droht nun ein solcher Mega-Deal zu scheitern. Hintergrund sind Zweifel der Finanzaufsichtsbehörde Bafin am Mehrheitseigner von Viridium, dem Londoner Investor Cinven. Darüber berichtete zuerst die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ). Demnach soll die Bafin den beteiligten Unternehmen in Vorgesprächen klargemacht haben, dass sie das Geschäft nicht genehmigen werde. Deshalb habe Viridium die nötigen Anträge bislang erst gar nicht gestellt.
Unklar ist, woher die Informationen stammen, denn laut weiterer Medienberichte teilte die Bafin auf Nachfrage mit, sich grundsätzlich nicht zu einzelnen Unternehmen zu äußern. Gleichzeitig betonte ein Sprecher die Verantwortung der Behörde, solche Run-off-Transaktionen gewissenhaft im Interessen der Kunden zu prüfen. Dabei ginge es insbesondere um die finanzielle Solidität des Erwerbers beziehungsweise der aufnehmenden Gruppe.
Viridium-Investor wegen Umgang mit italienischer Tochter im Zwielicht
Diese Aussage darf als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden. Denn zumindest laut SZ-Bericht hat die Bafin tatsächlich Zweifel an der Solidität des neuen Eigners Viridium beziehungsweise des dahinterstehen Mehrheitseigners Cinven. Der Investor sei aktuell nicht sehr populär bei den Aufsichtsbehörden in Europa.
Das Unternehmen hätte sich geweigert, seiner in eine Schieflage geratenen italienischen Lebensversicherungs-Tochter Eurovita genügend frisches Kapital zur Verfügung zu stellen. Diese war in finanzielle Schwierigkeiten geraten, nachdem viele Kunden im Zuge der steigenden Zinsen ihre Policen gekündigt hatten, um das Geld in lukrativere Anlageformen umzuschichten. Weil das rettende Geldpaket aus London fehlte, verbot die italienische Aufsicht Anfang des Jahres die Auszahlung von Guthaben, setzte den Vorstand ab und nahm die Gesellschaft unter Zwangsverwaltung, so die SZ.
Die Bafin müsse deshalb befürchten, dass sie verantwortlich gemacht wird, sollte es bei Viridium ähnliche oder andere Probleme mit dem Zurich-Bestand geben. Dazu komme die kurzzeitige Vakanz an der Spitze der Versicherungsaufsicht in der Behörde: Exekutivdirektor Frank Grund geht Ende September 2023 in den Ruhestand, seine Nachfolgerin Julia Wiens tritt erst im Januar 2024 an.
Viridium glaubt noch an eine Lösung
Viridium zeigt sich derweil kämpferisch. „Wir halten an dem Ziel einer Transaktion fest“, teilte eine Sprecherin laut SZ mit. Der Prüfprozess sei zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund der Eurovita-Situation komplex. Man sei aber in konstruktiven Gesprächen mit der Bafin und arbeite weiterhin an einer Lösung entsprechender Anforderungen an eine Genehmigung. Ein Zurich-Sprecher wollte sich laut eines Berichts des „Handelsblatts“ zu den Vorgängen nicht äußern, da es sich hierbei um eine Angelegenheit zwischen Viridium und der Bafin handele.