Liquide- und illiquide Anlagen Diese Relevanz hat der Denominator-Effekt für das Portfolio

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Liquide- und illiquide Anlagen
Diese Relevanz hat der Denominator-Effekt für das Portfolio
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Caterina Ket von Mercer

Caterina Ket von Mercer: „Durch den Denominator-Effekt sind einige Anleger geneigt, fortlaufende Investitionen in Privatmärkte zumindest temporär auszusetzen. Allerdings ist gerade jetzt auch eine gute Möglichkeit gegeben, in diese Märkte zu investieren.“ Foto: Mercer

Das Jahr 2022 wird sicherlich als einschneidend in Erinnerung bleiben und es wird dauern, bis die Auswirkungen der Ereignisse des vergangenen Jahres vollständig in den Märkten eingepreist sind. Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, welche die letzten drei Jahre geprägt hatte, begannen sich abzuschwächen. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten erlebt Europa einen aktiven militärischen Konflikt und zum derzeitigen Zeitpunkt ist noch völlig unklar, wie dieser gelöst werden soll.

Die Energiepreise sind sowohl aufgrund des Konflikts als auch durch die daraus resultierenden politischen Entscheidungen erheblich gestiegen. Auf makroökonomischer Ebene kehrte die Inflation mit voller Wucht zurück und stieg auf ein Niveau, das seit 40 Jahren nicht mehr erreicht wurde. Infolgedessen erleben viele jüngere Marktteilnehmer zum ersten Mal eine Periode mit deutlich steigenden Zinssätzen. Jedes dieser Ereignisse für sich genommen hätte wahrscheinlich tiefgreifende Auswirkungen auf die Kapitalmärkte gehabt. In Kombination mit weiteren Faktoren haben diese umwälzenden Ereignisse den Märkten jedoch sicherlich die Grundlage für die Hausse des vergangenen Jahrzehnts genommen.

Liquide und illiquide Anlagen sind betroffen

Die Auswirkungen dieser Entwicklungen betreffen nicht nur die liquiden Anlagen, sondern auch illiquide Anlagen in den Privatmärkten. Im Gegensatz zu liquiden Anlageklassen passen sich die Bewertungen in Privatmärkten erst verzögert an beziehungsweise sind von (sehr) kurzfristigen Einbrüchen nur marginal betroffen. Im Nachgang an den Covid-19-Schock aus dem Frühjahr 2020 kam es daher auch nur zu limitierten Verwerfungen in privaten Anlageklassen.

 

 

 

 Seitdem jedoch Zentralbanken weltweit die Leitzinsen kontinuierlich erhöhen, um steigende Inflationsraten einzudämmen, sind liquide Anlagen wie Aktien oder Anleihen unter Druck geraten. In den illiquiden Märkten sind die Effekte noch nicht vollständig zu sehen, allerdings sind auch Privatmarktinvestitionen über verschiedene Einflussfaktoren betroffen, zum Beispiel in der Form von verfügbarem Kapital für Portfoliounternehmen, den steigenden Zinskosten oder der „Auferstehung“ von Anleihen als Portfoliobaustein.

Der Denominator-Effekt

Desweiteren sind Anleger auch durch den Denominator-Effekt betroffen. Viele Anlageklassen erlitten in den vergangenen Monaten Verluste auf Gesamtanlageebene, wodurch sich die Summe des investierbaren Kapitals verringert hat. Dies wirkt sich folgerichtig auf die prozentualen Allokationen der verschiedenen Anlageklasse innerhalb eines Portfolios aus.

Der Denominator-Effekt in Bezug auf Privatmärkte zeigt sich wie folgt in Portfolios: Stabile Bewertungen von illiquiden Investitionen führen bei gleichzeitig sinkendem Gesamt-Portfoliowert dazu, dass die tatsächliche Allokation in den Privatmärkten die avisierte Zielallokation übersteigt. Da der Wert von Privatmarktanlagen nur verzögert auf negative Faktoren reagiert, steigt der Wert relativ zu anderen Anlageklassen wie Aktien und Anleihen, die liquider sind und an Börsen gehandelt werden. Hier zeigt sich der Verzögerungseffekt in der Bewertung zwischen illiquiden und liquiden Anlagen.

Schauen wir auf ein vereinfachtes Beispiel: Ein Anleger hat ein Portfolio mit einer Allokation von 20 Prozent in Privatmärkten und 80 Prozent in Aktien und Anleihen sowie einem gewünschten Maximal Exposure in Privatmärkten von 25 Prozent. Wenn nun Aktien und Anleihen beispielsweise 30 Prozent an Wert verlieren und gleichzeitig der Wert der Privatmarktanlagen stabil bleibt, kann die tatsächliche Allokation in Privatmärkte auf 25 Prozent oder mehr steigen und damit die maximale Zielallokation überschreiten. Dies kann zu einem Konzentrationsrisiko führen und den Anleger zusätzlichen Risiken aussetzen.

Die Bedeutung für Anleger

Der Denominator-Effekt ist relevant, weil er sich erheblich auf das Portfolio eines Anlegers und das eingegangene Gesamtrisiko auswirken kann. Wenn die Allokation eines Anlegers in Privatmärkte die anvisierte Zielallokation übersteigt, geht er eventuell mehr Risiko ein, als ursprünglich beabsichtigt. Dies kann zu einer Diskrepanz zwischen dem Risikoprofil des Anlegers und der tatsächlichen Risikoexposition des Portfolios führen. Illiquide Märkte erlauben zudem wenig bis keine Möglichkeiten für schnelle Umschichtungen für den Fall, dass ein Anleger seine Exposition zu Privatmärkten reduzieren muss oder will. Sogenannte Lock-Up Perioden oder Sperrfristen und schlichtweg die fehlende Liquidität hindern Anleger hieran.

 

Besonders kritisch ist dieser Punkt für Anleger, welche gesetzlich eine vorgeschriebene Maximalallokation zu einzelnen Anlageklassen nicht übertreffen dürfen. Die Illiquidität der Anlageklasse verhindert eine schnelle Anpassung des Portfolios durch Verkäufe, weshalb gesetzlich regulierte Anleger einen gewissen Puffer gegenüber der Maximalallokation zu Privatmärkten lassen müssen.

Dabei bieten typischerweise Jahre nach einer Kapitalmarktkrise oft gute Renditechancen. Die globale Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 sorgte in den liquiden Märkten weltweit für Kurseinbrüche; rückblickend waren dies allerdings auch Investitionsjahre mit besonders hohem Renditepotential. Grafik 1 zeigt beispielhaft die IRR für Private Debt (Internal Rate of Return beziehungsweise Interner Zinsfuß), eine Renditegröße für Privatmarktanlagen:

Private Debt IRR-Streuung nach Jahrgängen
© Quelle: PitchBook Data, Inc. 

 

Steuerung des Denominator-Effektes

Anleger können den Denominator-Effekt auf verschiedenen Wegen steuern. Ein Ansatz besteht darin, eine Maximalallokation für Privatmärkte festzulegen, beispielsweise 20 Prozent, und das Portfolio regelmäßig neu zu gewichten, um ausreichend Abstand zu dieser Maximal-Allokation beizubehalten. So kann verhindert werden, dass die tatsächliche Allokation die Zielallokation übersteigt und ein Konzentrationsrisiko entsteht.

Ein weiterer Ansatz ist die Verwendung einer dynamischen Allokationsstrategie, bei der die Allokation in Privatmärkte auf Grundlage von Marktkonditionen und der Risikotoleranz des Anlegers angepasst wird. Wenn sich beispielsweise die illiquiden Märkte gut entwickeln und die Risikotoleranz des Anlegers eine höhere Allokation zulässt, kann die Allokation in diese erhöht werden. Umgekehrt kann die Allokation in Privatmärkten verringert werden, wenn diese sich schlecht entwickeln oder die Risikotoleranz des Anlegers sinkt. Eine solche dynamische Strategie erfordert allerdings typischerweise ein hohes Risikobudget und eine sehr enge Risikosteuerung.

Bei der Steuerung des Denominator-Effektes sollten Investoren auch die Liquidität und die Haltefristen von Privatmarktinvestitionen im Portfolio berücksichtigen. Private Equity- oder Venture Capital-Anlagen haben normalerweise Lock-Up Perioden von mehreren Jahren, während derer Anleger ihre Investitionen nicht liquidieren können. Dies macht eine Portfolioumschichtung oder Änderung der Anlagestrategie erheblich schwieriger. Investoren sollten daher sicherstellen, dass das Portfolio ausreichend liquide ist, um für den Fall einer Umschichtung gewappnet zu sein.

Eine flexible Investition über ein weitreichendes Spektrum an illiquiden Subanlageklassen, von konservativen, weniger risikoreichen Investitionen wie (Senior) Private Debt über Infrastruktur- und Immobilieninvestitionen bis hin zu offensiven und risikoreicheren Anlageklassen wie Private Equity (PE) und dedizierten PE-Secondaries und PE-Co-Investitionen ermöglicht eine genauere Abstimmung des Portfolios auf die Bedürfnisse von Investoren.

 

 

 

Diese können entsprechend ihrer jeweiligen Risikotoleranzen und Renditeerwartungen in einzelne oder eine Kombination aus mehreren Anlageklassen investieren. Durch die Nutzung von beispielsweise einer Dachfondsstruktur sind Investoren auch im Falle von Investitionen in nur einzelne Anlageklassen breit und diversifiziert aufgestellt, sodass Konzentrationsrisiken vermieden werden. Auch sind heutzutage exklusive Secondary- und Co-Investment-Programme zugänglich.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass illiquide Anlagen nicht in vollem Umfang von den Verwerfungen der vergangenen Jahre in den liquiden Märkten betroffen waren. Dies lässt sich jedoch im Wesentlichen auf die Verzögerung zurückführen, mit welcher Privatmarktanlagen Bewertungsanpassungen erfahren. Durch den Denominator-Effekt sind einige Anleger geneigt, fortlaufende Investitionen in Privatmärkte zumindest temporär auszusetzen. Allerdings ist gerade jetzt auch eine gute Möglichkeit gegeben, in diese Märkte zu investieren, da Bewertungen in manchen Segmenten bereits Anpassungen erfahren haben.

Außerdem gibt es auch junge – aber stark aufgestellte – Unternehmen, die auf Kapitalsuche sind und somit für Privatmarktfonds interessante Investitionsmöglichkeiten bieten. Weiterhin ist es essenziell, bei Privatmarktinvestitionen einen langfristigen Anlagehorizont zu haben und über mehrere Auflagejahre und Subanlageklassen hinweg zu investieren, um ein möglichst breit aufgestelltes und diversifiziertes Portfolio zu halten.

Über die Autorin

Caterina Ket, CIIA, CEFA, ist seit 2022 bei Mercer Global Investments Europe als Direktorin Institutionelle Kunden für den Bereich Investment Solutions, welcher die Entwicklung und Umsetzung von Teil- beziehungsweise Gesamt-Outsourcing-Konzepten der Kapitalanlage für institutionelle Anleger umfasst. Sie ist Ansprechpartnerin für Privatbanken, Family Offices, Versicherungen und Stiftungen.

Nach ihrem Abschluss als Diplom-Kauffrau verbrachte Ket mehrere Jahre in Asien als Relationship Managerin im Private Banking für vermögende Privatkunden. Unter anderem war sie im Private Wealth Management der ABN Amro in Singapur tätig. Vor ihrem Wechsel zu Mercer war sie zudem über 10 Jahre bei der Fondsgesellschaft Schroders als Vertriebsleiterin für Dachfondsmanager und Privatbanken in Deutschland tätig; ab 2016 außerdem ESG Spezialistin für Strategien und nachhaltige Anlagelösungen.

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