Wahl des richtigen ETFs „Billig ist nicht gleich besser“

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Es gibt EU-Bestrebungen, die Geldanlage zukünftig stärker nach ESG-Kriterien auszurichten. Wie hat sich der ETF-Markt darauf eingestellt?

Fritzen: Nachhaltigkeit ist im Asset Management das Thema des Jahres. Dies lässt sich sowohl auf Veranstaltungen und Kongressen, als auch bei der Neuauflage von Produkten feststellen. Auch der ETF-Markt bleibt von dieser Entwicklung nicht unberührt. Inzwischen hat nahezu jeder ETF-Anbieter eine oder sogar mehrere „grüne“ Produktserien. Alleine seit Beginn dieses Jahres ist die Zahl der angebotenen Produkte in Europa um über 50 auf mittlerweile 212 gestiegen. Die diesjährigen Mittelzuflüsse belaufen sich auf über 11 Milliarden Euro. Es muss an dieser Stelle allerdings auch gesagt werden, dass aktuell nur 4 Prozent der Assets im europäischen ETF-Markt in nachhaltigen Produkten stecken.

212 nachhaltige ETFs, unterschiedliche ESG-Abstufungen, Ausschlusskriterien, und Best-in-Class – wie behalten Investo-ren da den Überblick?

Fritzen: Das ist verständlicherweise nicht einfach, insbesondere da viele Produkte auch noch sehr ähnlich heißen, obwohl sie sehr unterschiedliche Nachhaltigkeitsprofile aufweisen. Neben thematischen ETFs, die spezielle Nachhaltigkeitsbereiche abdecken, unterscheiden wir Ausschluss- und Best-in-Class-Ansätze. Leider gibt es auch in den einzelnen Kategorien sehr unterschiedlich strenge Ansätze. Aktuell beobachten wir, dass Investoren zumeist einfach den strengsten, den Social-Responsible-Investing-Ansatz wählen. Wer sich wirklich mit den Unterschieden zwischen den einzelnen Konzepten beschäftigen möchte, muss viel Zeit investieren.

Zu geringen Kosten nachhaltig investieren klingt verlockend. Das passt nur nicht zum Marktanteil der nachhaltigen ETFs.

Fritzen: Das liegt zum einen daran, dass es sich noch um eine recht junge Klasse von ETFs handelt, die erst im vergangenen Jahr in den Fokus gerückt ist. Zum anderen hält sich bei vielen Investoren hartnäckig die Meinung, dass die bei Nachhaltigkeitskonzepten geforderten Anlagebeschränkungen zu Einbußen bei der Wertentwicklung führen. Die Ergebnis-se in der Wissenschaft sind dabei alles andere als eindeutig. Auch wir haben in einer unserer Analysen die Rendite-Risiko-Pro-file der nachhaltigen ETFs mit denen der dazugehörigen kapitalmarktgewichteten Benchmark-ETFs verglichen. Demnach ist die Verteilung, ob der nachhaltige Ansatz eine bessere oder schlechtere Rendite als das Standardprodukt erzielt, rein zufälliger Natur. Fakt ist: Wenn die Kapitalströme durch regulatorische Vorgaben Einfluss auf die Nachfrage haben werden, ist eine Auswirkung auf die Wertentwicklung der ESG-Produkte definitiv zu erwarten.

Bei den Standardindizes sind wir bei den Produktgebühren mittlerweile im einstelligen Basispunkt-Bereich angekommen. Ist der Preiskampf damit ausgefochten?

Fritzen: Der Kampf um Marktanteile hat dazu geführt, dass die Total Expense Ratio von ETFs kontinuierlich gesunken ist. Das gilt für alle Anlagesegmente. Dieser Wettbewerb ist sicherlich von Vorteil für den ETF-Investor. Grundsätzlich aber ist billig nicht immer der beste Indikator für ein gutes Produkt. Hier sollte man sich nicht verführen lassen. Der Preiskampf rührt auch daher, dass sich der ETF-Markt immer noch in einer Verdrängungsphase befindet. Jeder Marktteilnehmer möchte seine Position mindestens halten und bestenfalls sogar ausbauen. Dieser Kampf läuft im Finanzbereich zum großen Teil über den Preis, gerade in Marktsegmenten, in denen aufgrund niedriger Margen kein kostenintensives Vertriebsnetz finanziert werden kann. Es gibt aber noch mindestens einen weiteren Weg, sich im ETF-Markt positionieren zu können, nämlich über innovative Index- oder Verwaltungskonzepte. Gerade bei den kleineren Anbietern findet man da spannende Ansätze. Und gute Konzepte verdienen dann auch einen fairen, leicht höheren Preis. Im Übrigen muss ich an dieser Stelle mal eine Lanze für aktive Fonds brechen. Obwohl die günstige Gebühr der ETFs aufgrund der fehlenden Managerleistung nach dem Preis-Leistungs-Prinzip nicht direkt mit aktiven Fonds vergleichbar ist, wird gera-de dieser Kostenvergleich von ETF-Anbietern gerne beworben. Der Vergleich hinkt allerdings, denn hinter aktiven Fonds steckt eine Anlagestrategie, die bezahlt sein muss, während der ETF nur den zugrundeliegenden Index abbildet. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.


Über den Interviewten:
Juergen Fritzen ist einer der drei Geschäftsführer von Crossflow Financial Advisors. Die Münchner sind auf den Handel und die Qualitätsanalyse von ETFs spezialisiert. Fritzen selbst ist schon früh mit ETFs in Berührung gekommen, war unter anderem ab 2003 für ETFs bei der damaligen Indexchange und der Hypovereinsbank verantwortlich.

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