Verkehrte Welt Venture Capital in Europa: Investoren aus Übersee führen oft Finanzierungsrunden an

Ross Morrison Adams Street Partners

Ross Morrison Adams Street Partners: „In einigen Bereichen und insbesondere bei den großen Wachstumsunternehmen sehen wir oft, dass Investoren aus Übersee die Liste der Kapitalgeber anführen.“ Foto: Adams Street Partners

Früher war es so: Wenn man hier in Deutschland und Europa Investoren fragt, wo sie die interessantesten Wachstumsunternehmen und die spannendsten Gelegenheiten für Venture Capital-Investments vermuten, dann schaut nur eine Minderheit direkt vor ihrer eigenen Haustür. Dabei hat das europäische Ökosystem für Wagniskapital (Venture Capital) und Wachstumsfinanzierungen (Growth Equity) einen geradezu kometenhaften Aufstieg hingelegt.

Mittlerweile gibt es über 320 Einhörner, also Unternehmen mit einem Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar, die in Europa gegründet wurden, darunter so bekannte Unternehmen wie Spotify – gegründet in Schweden – und Adyen aus den Niederlanden. Aber auch deutsche Firmen wie Celonis oder N26. Binnen Jahresfrist ist die Zahl der Einhörner damit um satte 44 Prozent oder rund 100 Unternehmen gestiegen. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2020 erreichten 18 europäische Unternehmen die Grenze von einer Bewertung oberhalb von einer Milliarde Dollar. Auch dies war schon eine bemerkenswerte Entwicklung, wenn man bedenkt, dass bis 2010 in Europa insgesamt überhaupt nur 22 Einhörner gegründet wurden.

Der Gesamtwert des europäischen Venture Capital- und Growth Equity-Ökosystems übersteigt inzwischen 3 Billionen US-Dollar. Auch hier haben wir also eine exponentielle Entwicklung gesehen. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis im Dezember 2018 ein Wert von einer Billion erreicht wurde, aber die nächsten beiden Billionen wurden in Rekordzeit von nur drei Jahren erreicht. Die Geschwindigkeit, mit der die Unternehmen wachsen, beeindruckt selbst Branchenkenner und nimmt im Falle einiger Unternehmen sogar noch zu.

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Hopin beispielsweise, ein Anbieter virtueller Konferenzlösungen, war das schnellste europäische Unternehmen aller Zeiten, das den Status eines Einhorns erreichte, als es im Jahr 2020, nur 17 Monate nach seiner Gründung, eine Bewertung von 2,1 Milliarden US-Dollar erreichte. Im Jahr 2021 kam die Bewertung bei einer weiteren Finanzierung dann sogar schon auf 7,8 Milliarden US-Dollar. Außerdem gibt es derzeit 26 europäische Wachstumsunternehmen mit dem so genannten Decacorn-Status, also mit einer Bewertung von 10 Milliarden US-Dollar oder mehr.

Die Bewertungen dürfen nicht nur auf dem Papier gut aussehen, sondern müssen sich auch in Form von Exits materialisieren lassen

Dies ist mehr als eine Verdoppelung gegenüber den 12 Decacorns, die Ende 2020 erfasst wurden. Ein Beispiel für die bekanntesten deutschen Decacorns ist das Software-Unternehmen Celonis. Solche Erfolgsgeschichten tragen dazu bei, die Sinnhaftigkeit von Investitionen in europäische Wachstumsunternehmen zu untermauern, und verdeutlichen zugleich das Potenzial Europas, sowohl echte Wachstumschampions als auch beträchtliche Renditen hervorzubringen.

Dabei ist es natürlich von Bedeutung, dass die Bewertungen nicht nur auf dem Papier gut aussehen, sondern sich auch in Form von Exits materialisieren. Auch hier konnte das vergangene Jahr mit Rekordwerten aufwarten. Die jüngsten Daten deuten darauf hin, dass über alle Exits in Europa hinweg der aggregierte Wert der Unternehmen im Jahr 2021 bei über 275 Milliarden US-Dollar lag und damit ein neues Allzeithoch erreichte. Darin enthalten sind 100 Milliarden US-Dollar aus Fusionen und Übernahmen, über 110 Milliarden US-Dollar aus Börsengängen und Direct Listings und weitere 62 Milliarden US-Dollar aus SPACs. Angesichts dieser Menge an Exits hatten Kapitalgeber also zahlreiche Gelegenheiten, Kasse zu machen.