VC-Investorin Daria Saharova im Interview „Wir müssen uns nicht zwischen Planet und Profit entscheiden“

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Das klingt tatsächlich verrückt. Wie gehen Sie bei Ihrer Risikoanalyse vor?

Saharova: Bevor wir investieren, machen wir selbstverständlich eine ausgiebige technologische Prüfung und sprechen mit Experten. Als Venture-Capital-Fonds investiert man ja in der Regel nicht alleine. In diesem Fall haben wir uns mit einem spezialisierten Spacetech-Fonds aus den USA zusammengetan. Die stecken noch viel tiefer im Thema.

Wer investiert in Ihren Fonds?

Saharova: In den World Fund investieren professionelle Investoren von erfolgreichen Serienunternehmern über Family Offices bis hin zu klassischen institutionellen Investoren wie zum Beispiel Pensionskassen oder Versicherungen. Außerdem werden wir von öffentlichen Fonds wie dem European Investment Fund der EU unterstützt.

Bislang fließt verhältnismäßig wenig Wagniskapital in Klimatechnologie-Start-ups. Woran liegt das?

Saharova: Das ist wirklich schwer zu verstehen! In den vergangenen Jahren ist in Europa nur 5 Prozent des gesamten Wagniskapitals in diesen Bereich geflossen – die USA und China sind da schon weiter. Ich glaube, dafür gibt es verschiedene Gründe. In Deutschland und Europa konzentrieren sich Investoren oft auf digitale Geschäftsmodelle, die möglichst schnell Rendite bringen. Viele Lösungen im Climate-Bereich sind aber technologiebasiert und brauchen länger, um sich zu entwickeln. Zudem haben die Investoren-Teams selten einen technologischen Hintergrund.

Wer die Technologien nicht versteht, investiert vermutlich auch nicht.

Saharova: Das ist ein großes Problem. Hinzu kommt, dass einige Investoren zwischen 2008 und 2013, als Cleantech aufkam, viel Geld verloren haben. Für viele ist das Thema daher negativ besetzt. Seit 2014 haben Climate-Tech-Firmen allerdings – verglichen mit Private Equity und Venture Capital im Allgemeinen – eine Überrendite erzielt. Das wird aber oft gar nicht berücksichtigt. In Deutschland und Europa gibt es zudem viele kleine Klimafonds, die meist Start-ups in Frühphasen unterstützen. Technologie-Unternehmen brauchen aber Kapital über alle Phasen. Da gibt es eine riesige Investmentlücke, die wir mit dem World Fund schließen wollen.

Haben Investoren immer noch Angst, dass sich mit grünen Technologien kein Geld verdienen lässt?

Saharova: Tatsächlich ist es immer noch so, dass viele mit dem Thema eher Philanthropie verbinden. Gutes zu tun, kann kein Geld bringen, heißt es oft. Es kann aber nicht sein, dass wir uns zwischen Planet und Profit entscheiden müssen. Wir glauben, dass die Unternehmen mit der höchsten CO2-Ersparnis auch die finanziell erfolgreichsten sein werden. Das Beste ist in diesem Fall, Erfolgsgeschichten zu schreiben und zu zeigen, dass es funktioniert. Aktuell merken wir aber, dass das Interesse stark zunimmt. Europäische Climate-Tech-Investments konnten 2022 trotz diverser Krisen Rekordsummen einsammeln.

 

Frauen sind in der Finanzbranche immer noch unterrepräsentiert – das gilt sicherlich in besonderem Maße für die Wagniskapitalbranche. Woran liegt das?

Saharova: Im Venture Capital liegt der Frauenanteil unter den Partnern in Europa bei weniger als zehn Prozent. Das ist auch historisch bedingt, denn oft bleiben die Gründungspartner sehr lange am Steuer. Viele Generationswechsel stehen noch aus. Oft kommen neue Partner oder Nachfolger zudem aus dem eigenen Netzwerk, das einem ähnlich ist. Männer holen also eher Männer in ihr Team. Neue Venture-Capital-Fonds, bei denen Frauen an der Spitze stehen, haben es auch schwerer, Kapital einzusammeln.

Wie ließe sich daran etwas ändern?

Saharova: Ich würde mir wünschen, dass die Fondsinvestoren mehr Anreize setzen, die Partnerteams im Venture Capital divers aufzubauen. Gründe dafür gibt es genug: Wir wissen, dass diverse Teams mehr in diverse Start-ups investieren und diverse Start-ups erfolgreicher sind.

Über die Interviewte:
Daria Saharova, geboren in Riga, ist Gründungspartnerin des World Fund. Sie hat mehr als 20 Jahre Erfahrung als Unternehmerin und Investorin und wurde 2020 vom Bundesverband Deutsche Startups mit dem German Startup Award als beste Investorin ausgezeichnet. Sie berät die Europäische Kommission zum Forschungsprogramm Horizon Europe und  zum Klimakonzept Green Deal und ist Mitgründerin des Think Tanks 1E9 Denkfabrik.  

Dieses Interview erschien im private banking magazin Ausgabe 01/2023. Die PDF-Version des Magazins zum Download finden Sie hier.

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